Dienstag, 5. Februar 2013

Der Freiherr und der Penis.




Vorbemerkung:

Es fällt mir gerade schwer über ein anderes Thema zu bloggen, während sich unter Annette Schavan die Hölle auftut.
Der Dr.-Titel ist futsch und da sie eine sogenannte „Direktpromotion“ hingelegt hatte, hält sie nun überhaupt keinen akademischen Abschluß mehr.
Die Frau, die „sich nicht nur heimlich“ über Guttenbergs Plagiat „schämte“ und später gefilmt wurde, als sie feixend Googelbergs Rücktrittsmeldung bekam, will nun tatsächlich gegen die Uni Düsseldorf klagen.
Es kann ja jeder solange klagen wie er möchte, auch wenn er/sie sich zur absolut renitenten Witzfigur à la Koch-Mehrin macht, aber nicht ausgerechnet die Wissenschaftsministerin.
 Sie will als oberste Dienstherrin und Geldgeberin privat eine Uni verklagen und gleichzeitig im Amt bleiben? Man fasst die moralische Verkommenheit der CDU-Adepten nicht.
Aber das Thema ist noch so heiß, daß ich abwarte.

Heute muß noch mein Beitrag zur FDP-Sexismusdebatte raus.
Was ist von Rainer Brüderles Busen-Begutachtung zu halten.
Ist es nur ein nettes Kompliment, (wie Leutheusser-Schnarrenberger meint) wenn die FDP-Wahlkampfschdurrmschbidse jungen Journalistinnen erklärt sie könnten ein Dirndl gut ausfüllen?

Daß weite Teile der Bevölkerung sexistisch denken erscheint mir sicher. 
Ob das biologisch determiniert ist oder nur ein Zeichen von Moralverfall ist, will ich an dieser Stelle nicht beantworten.
Mich frappiert allerdings, daß sich Personen, die dermaßen in der Öffentlichkeit stehen wie ein ehemaliger Wirtschaftsminister und aktueller Fraktionsvorsitzender einer Regierungspartei so dümmlich und überheblich sind, daß sie so ein Verhalten an den Tag legen und glauben das würde nie bekannt werden.

Das Paradebeispiel für eine solche politische Dummheit ist für mich der zweimalige demokratische Präsidentschaftskandidat John Edwards, ehemaliger Senator aus South-Carolina, der als extrem fromm und strenggläubig gilt. 
Alle seine Reden arten zu Predigten aus. US-Wahlkämpfe können viele unvorhergesehene Wendungen nehmen, aber eins ist ganz sicher - das Privatleben aller Kandidaten wird bis in früheste Jugendtage zurück von einem ganzen Heer Journalisten und Detektiven durchgekämmt. Das Hauptinteresse gilt dabei sexueller Affären. Nichts fasziniert die prüden Amis mehr als eheliche Untreue.
Und was macht Edwards, der vor allem durch die übergroße Popularität seiner schwer krebskranken Frau Elisabeth punktete? Er poppt während des 2008er Wahlkampfs die Schauspielerin Rielle Hunter, zeugt ein Kind und glaubt es geheim halten zu können.
Zum Glück für die demokratische Partei wurde die Affäre bekannt, bevor Edwards tatsächlich demokratischer Kandidat wurde; denn das hätte einen Republikaner ins Weiße Haus gebracht.
Edwards Sexualleben ist selbstverständlich irrelevant FÜR MICH, aber seine mangelnde Fähigkeit politische Risiken abzuwägen, ist sehr bedenklich.

Als sich Helmut Kohl und Strauß und Lambsdorff und Friedrichs und Co in den 1970ern im großen Stil die Taschen mit illegalen Spenden und Schwarzgeldern stopften, mag noch nicht abzusehen gewesen sein, daß alles einmal aufgedeckt würde.
Aber die Zeiten haben sich geändert. 

Selbst die katholische Kirche beginnt ganz ganz langsam zu begreifen, daß man nicht mehr ohne Rücksicht auf Opfer und Wahrheit Kinder-fickende Priester ohne Konsequenzen machen lassen kann. 
Das ging viele Jahrzehnte, viele Jahrhunderte problemlos, aber dazu sind die Medien heute einfach zu schnell und zu unabhängig geworden.

In Korea, in Vietnam, noch im ersten US-Irakkrieg konnte die ein oder andere Schweinerei ruhig ein paar Menschen auffallen, ohne daß sie wirklich an die Weltöffentlichkeit gelangt wäre.
Aber ab 2003 klappte das nicht mehr, weil jeder Soldat ein internetfähiges Mobiltelefon besitzt und damit Abu Ghraib nur ein paar Klicks von der totalen Öffentlichkeit entfernt ist.

Auch wenn man es für moralisch vertretbar hält coram publico über Busengrößen von Journalistinnen zu orakeln, muß man damit rechnen, daß es irgendwann auf Facebook oder in der Tagesschau landet.

Bei Hardcore-Sexvideos, die angeblich privat gefilmt werden ist das spätere Veröffentlichen bereits eingeplant.
 Jeder kennt inzwischen die Penisse von Tommy Lee in Pamela Anderson oder Colin Farrell in Aktion. Jeder hat Nonsens-Existenzen wie Paris Hilton beim Poppen betrachtet. Genau so wird man ja berühmt, wenn man nichts anderes kann.
Playboy-Popularität für Fortgeschrittene.
Ich nehme das als üblichen Medienmechanismus des frühen 21. Jahrhunderts hin.

Nicht hinzunehmen ist aber, wenn sich anschließend einer dumm stellt, oder das Publikum für dumm verkauft, indem er behauptet, das hätte ja nie öffentlich werden sollen.

Beispiel Christopher Lee.
 Der 49-Jährige konservative, verheiratete GOP-Kongressabgeordnete gab sich als 39-Jähriger Single aus und verschickte Nacktphotos von sich an eine Datingwebsite.
Rep. Christopher Lee, R-N.Y., abruptly resigned from the House of Representatives Wednesday afternoon after a report emerged that he had sent flirtatious e-mails, including one with a bare-chested photo of himself, to a woman he met on Craigslist.
Seine Angelegenheit, aber im politischen Klima der USA, insbesondere für einen Republikaner das sichere Karriereende.

Im Juni 2011 flog damit der US-Demokrat Anthony Weiner auf, nachdem er via Twitter für alle Welt sichtbar Nackt-Fotos von sich verschickt hatte.
Was Weiner zugibt, nach tagelangem Leugnen und Lügen vor laufenden Kameras, ist in der Tat vergleichsweise banal. Doch gerade deshalb ist es umso erschütternder - zumal sich Weiner mit jedem Wort immer tiefer in die Affäre redet: Der ehrenwürdige Kongressabgeordnete hat Nacktfotos von sich selbst verschickt. Nicht via Briefpost. Nicht via E-Mail. Sondern, für die ganze Welt zu bestaunen, via Twitter.   Seit 1999 vertritt Weiner Brooklyn und Queens im Kongress. Zuvor war er Stadtrat in New York, damals mit 27 Jahren der jüngste überhaupt. Im vergangenen Sommer heiratete er Huma Abedin, eine enge Vertraute Hillary Clintons. Bill Clinton selbst vollzog die Trauung. [….]

Nun hat er sich selbst aus dem Rennen gekegelt. Mit einem Ausrutscher, bei dem selbst seine treuesten Vasallen nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und entgeistert rufen: "What was he thinking?"
Daß Weiner dem Netz seinen Wiener zeigte, mag formal-politisch irrelevant sein, aber selbstverständlich ist das in den USA das Karriereende.

Zwei Monate später gab es in Deutschland das Mini-Weinergate von der Förde. CDU-Chef und Spitzenkandidat Christian von Boetticher hatte über Facebook einer 16-Jährigen nachgestellt und sich bei Aufdeckung der Affäre als liebeskranke Heulsuse blamiert.

Stefan Freiherr von Wangenheim, 57, Bildungs- und Integrationspolitischer Sprecher der FDP Frankfurt, wollte dennoch dem amerikanischen Kollegen Weiner nacheifern. Der adelige Hobby-Reiter, ist nicht nur stolz auf seine uraltes Adelsgeschlecht, sondern zeigte auch sein biologisches Geschlecht in erigierter Form als Email an seine Freundin Stefanie K.

Es kam wie es kommen mußte. Das aristokratische Gemächt landete außer in K.‘s Emailempfänger am Ende auch bei der BILD, die sich nun genüsslich empört.
Der adelige FDP-Stadtverordnete […] schickt ihr im Sex-Wahn sogar eine Mail mit Fotos seines erigierten Penis.
Ein böser Fehler! Denn plötzlich ist keine Rede mehr von erotischen Spielen, jetzt wird der Ton hart: „Über die Fotos, die Du mir geschickt hast, habe ich mich ziemlich aufgeregt. Und ich überlege immer noch, was ich damit anfange.“
Der Freiherr versucht die Notbremse zu ziehen, schreibt am 27. Januar: „Wow, das tut mir unendlich leid, wenn ich über das Ziel hinausgeschossen sein sollte – ich hatte wirklich gedacht, dass wir eine sehr erotische Basis gefunden haben, die uns beiden gefällt! Wenn ich da etwas falsch gedeutet habe, kann ich Dich nur sehr herzlich um Verzeihung bitten.“
Zu spät, mittlerweile kursieren die Penis-Fotos bereits in Frankfurt.
(BILD 04.02.12)
Tja, das ist also die FDP-Stellungnahme aus Hessen zur Brüderle-Affäre.

Bundesweit bekannt werden könnte der Freiherr von Wangenheim mit dieser Methode. Aber ob das der Politkarriere förderlich ist?

Seine Vorgesetzte, FDP-Fraktionschefin Annette Rinn, sieht in der „Penis-Affäre kein Grund zum Rücktritt“

Nun ja, ich habe das Bild noch nicht gesehen, aber vielleicht kann der feine Freiherr ja eine Unterhose auch gut ausfüllen und das ist alles nur als Kompliment gemeint.

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