Freitag, 19. Februar 2021

Thematischer Aufbruch in der AfD

Wenn man wie die AfD zu borniert und zu ungebildet ist, um sich wie die anderen Parteien Konzepte zu überlegen und durchzurechnen, kann man dennoch sehr erfolgreich an der Wahlurne abschneiden.

Es reicht vollkommen aus, sich auf den destruktiven Sadismus der gleichgesinnten Wähler zu verlassen.

Sofern der Rechtspopulist vollständig skrupellos ist, von jedem Schamgefühl befreit und keinerlei Hemmungen hat sich nach Herzenslust selbst zu widersprechen, kann er es in jedes europäische Parlament und sogar ins Weiße Haus bringen.

Natürlich erfordert es auch eine gewisse Flexibilität, um immer wieder neue vulnerable Minderheiten zu finden, gegen die man hetzt.

Donald Trump ist in dieser Disziplin der Großmeister und versteht sich prächtig auf das Schüren von Hass in allen Abstufungen -  von „dog whistle“, also mit Codeworten, die nur Teilen seiner Anhängerschaft als Rassismus oder Antisemitismus dechiffrieren können, bis hin zu plumper Agitation mit wüsten Schimpfworten.

Aber auch die AfD zeigte bisher echtes Geschick darin Hass erst ordentlich anzufachen, dann auf der Welle zu reiten und schließlich das Pferd zu wechseln, wenn die Wählerschaft nicht mehr genügend Missfallen und Sadismus wider des zu demütigenden Subjekts empfindet.

Zunächst wetterten die AfD-Größen Lucke, Henkel und Co gegen den Euro, die EU-Mitgliedschaft, die angeblich arbeitsscheuen Südeuropäer.

Als aber irgendwann selbst den blödesten Nationalisten dämmerte, daß eine Rückkehr zur D-Mark zu viele Nachteile hätte und Deutschland ohne seine EU-Mitgliedschaft auch seinen dominierenden Einfluss auf Europa verlöre, sattelten die AfD-Führer geschwind um.

Alle ökonomischen Ansätze wurden flugs unter den Teppich gekehrt und stattdessen zog nationalistisches Gedankengut ein.

Völkisch statt Volkswirtschaft.

Es ging nun gegen Flüchtlinge, gegen den Islam und schließlich immer deutlicher um puren Rassismus.

Jede News-Meldung, in der auch nur im entferntesten Sinne Dunkelhäutige vorkamen – und wenn auch nur als mögliche Involvierte – wurde begeistert hochgepuscht.

Am liebsten sind der AfD Geschichten mit vielen Toten und dabei wiederum am liebsten Kinder oder „deutsche blonde“ Frauen. Darauf lässt sich vortrefflich Honig saugen, indem das Bild des bösen schwarzen Mannes gemalt wird.

Mit diesem zweiten, ab 2015 dominierenden AfD-Themenpark, waren Bernd Höcke und Gauland sogar noch erfolgreicher.

Völkische Sprachbilder, arische Ideologie ließen sich vortrefflich insbesondere in Ostdeutschland inszenieren. AfDler griffen immer ungenierter zu Hitler-Symbolik mit Fackelzügen und Brandanschlägen.

Aber auch die schönste Themenzeit der politisch Braunen ging langsam zu Ende, als einerseits immer weniger Flüchtlinge kamen und andererseits all die düsteren Prognosen nicht nur nicht eingetroffen waren, sondern Deutschland gerade weil es so viele Flüchtlinge aufgenommen hatte, ökonomisch besser dastand als die Nachbarn. Die Integrationsmaßnahmen waren echte Konjunkturpakete und die Wirtschaftsunternehmen lechzen geradezu nach Nachwuchs.

Ganze Branchen – Handwerksbetriebe, Serviceberufe, der medizinische Bereich – wären ohne Migranten sofort pleite.

Das Thema ebbte ab, die AfD sank in den Umfragen.

Aber da kam Corona und wieder einmal sprang die Alternative für Doofe in alter Skrupellosigkeit auf das neue Thema.

Zu Beginn der Pandemie malten die AfD-Parlamentarier das Thema dunkelschwarz, hielten der Regierung empört Untätigkeit vor, forderten drastische Maßnahmen gegen die Seuche aus Asien. Es passte auch zu schön in die vorherigen Forderungskataloge der Kalbitz-Weidel-Bande: Ausländer raus, Grenzschließungen, Abschottung Deutschlands.

Der Lockdown kam, Corona dominierte die Politik der Welt, fast jeder musste sein Alltagsleben ändern.

Amoralisch hochflexibel focht die AfD nun für das diametrale Gegenteil ihrer ersten Forderungen. Nun bestritt sie die Gefährlichkeit des Sars-CoV2, lehnte social distancing, Maskenpflicht und Ladenschließungen ab.

Es entwickelte sich die nun so bekannte Covidioten-Szene, die sofort heftig von der AfD umgarnt wurde.

Nun stehen die Rechtsaußen für den Alu-Hut. Ihnen ist keine noch so abstruse Verschwörungstheorie zu dämlich.

Querdenker, Impfgegner, Anti-Maskers, Attila Hildmann, AfD, Xavier Naidoo sind zu einem einzigen hirnfreien Alu-Amalgam geworden.

Inzwischen haben allerdings ein halbes Dutzend Vakzine Zulassungen der Gesundheitsämter. Naidoos legendäre Prophezeiung aus dem Comedy-Gold-Herman-Interview vom Mai 2020 lautete „Niemand wird sich impfen lassen!“

Wie immer, ist das Gegenteil der Fall: Es herrscht ein ungebrochener Run auf die Vakzine; jeder will sich impfen lassen.

Und so sattelt auch die AfD bald wieder um; Impfgegnerei zieht nicht mehr.

Thomas Richard Deutscher, Neofaschist und Jugendführer der Bayern-AfD. Kennt schon ein gutes neues identitätsstiftendes Thema.

[…..] Thomas Richard Deutscher aus Schwandorf wurde bereits 2016 als Beisitzer in die damals neu gegründete „Jungen Alternative für Deutschland in Ostbayern“ gewählt. Nachdem er dort 2018 erster stellvertretender Vorsitzender wurde, ist er seit 9. März 2019 gemeinsam mit Luis Hill Vorsitzender der JA Ostbayern. […..] Schon seine offiziellen Auftritte im Rahmen von AfD-Veranstaltungen lassen keinen Zweifel an der politischen Einstellung Deutschers. Er ist dem „Flügel“, der extrem rechten Strömung um Björn Höcke innerhalb der AfD, zuzuordnen und hielt das Grußwort, als Höcke im Jahr 2018 in Lappersdorf einen Wahlkampfauftritt hatte.

Dass Deutscher ebenso keinerlei Bestreben hat, sich von extrem rechten Akteuren außerhalb der AfD abzugrenzen, zeigt sich an Fotos, die er nach einem Dultbesuch der Jungen Alternative auf Facebook veröffentlichte. Hier posiert er beispielsweise zusammen mit Kevin Sch. (damals noch Identitäre Bewegung Regensburg). […..] Wie ernst die Begeisterung der jungen Rechten für Waffen werden kann, zeigte sich im Oktober 2018 in Regensburg: Im Nachgang einer gescheiterten AfD-Kundgebung schoss Tim Ballschuh (AfD Sachsen-Anhalt) aus dem Auto mit einer Schreckschusspistole auf Gegendemonstrantinnen. Mit ihm im Auto saß Deutscher, der nach eigener Aussage das Fenster für den Schuss heruntergelassen hatte. Auch außerhalb seiner Aktivitäten in der AfD betätigt sich Deutscher im extrem rechten Umfeld. Als Gitarrist war er Teil der Regensburger Death Metal Band „Slaughterer“, die in ihrem Online-Auftritt keinen Hehl um ihre politische Ideologie macht. Dort beschreibt sie sich selbst als „emerging force to join the fight against islam“ und als „brutally honest – militant – politically incorrect“. Das Cover des angekündigten Albums „Lanius vult“ (dt. „Der Schlächter will“) zeigt offen den Bezug zur Wehrmacht.  […..] Dass die Symbolik und das Auftreten der Band Spiegel der Einstellungen ihrer Mitglieder ist, zeigt unter anderem der Sänger und langjährige Bekannte von Deutscher, Stefan M.. Auf Facebook kommentierte dieser ein Foto des KZ Auschwitz mit dem „Refugee Welcome“-Symbol. […..]

(Regensburg Digital, 05.05.2019)

Der laut Eigenbeschreibung „SolPat“ (solidarische Patriot) und Traditionalist, sowie AfD-Stadtrat Schwandorf wittert womöglich das neue große AfD-Thema:
Masturbation!

Ihm wird nämlich viel zu viel gewichst.

Davon wird aber neben den bekannten Nebenwirkungen Verlust des Augenlichts und Rückgratschwächung auch die Männlichkeit ausgetrieben.

[….] Diese [Onanie]  solle deswegen "generell eingestellt werden, da sie einen der schöpferischen Energie, vieler Nährstoffe und männlichen Kraft beraubt." Die These reiht sich nahtlos in die Ideologie der nur teilweise ernst gemeinten "no fap"-Bewegung ein. […..]

(Heute.at, 19.02.2021)

Für die Männerpartei AfD sind weichgewichste Nudeln schlimmer als Gendersternchen.

 […..] was könnte [Junge Alternative, JA] tun, um die Herzen der jungen Leute zu erwärmen und so richtig toll anzukommen in ihrer Generation? Richtig, sie könnte vor den gesundheitlichen Gefahren des Onanierens warnen und die Devise ausgeben: Hände bitte stets über der Bettdecke! Das tat zumindest kürzlich Thomas Deutscher, stellvertretender JA-Vorsitzender in Bayern und AfD-Stadtrat im oberpfälzischen Schwandorf. Auf seinem Facebookprofil zeigte er eine Karikatur von Männern verschiedenen Alters, Masturbierende wie Enthaltsame. Erstere ausgezehrt, buckelig und dümmlich dreinblickend, Letztere stolz, stattlich und gesund. "Es" (also die Selbstbefriedigung), berichtet Deutscher, habe heutzutage "Ausmaße angenommen, die weit über die ,natürlichen Bedürfnisse' hinausgehen". […..] Privatmeinung oder Programm beim AfD-Nachwuchs? Deutscher lässt eine Anfrage der SZ dazu unbeantwortet. Jüngst bei einer Tagung hat sich die JA Bayern zumindest nicht mit innerlichem Druck beschäftigt. Sondern laut Mitteilung mit "Druck von außen", wie dem Verfassungsschutz oder einer "Zensur" im Netz. Dem wolle man auf gar keinen Fall nachgeben. […..]

(Johann Osel, SZ, 18.02.2021)