Dienstag, 6. Mai 2014

Der Karriere Lohn.



Die Ulmer Abiturientin Annette Schavan heimste kürzlich in Lübeck ihren fünften Ehrendoktortitel ein.

Volle 18 Jahre hatte die extrem fromme Katholikin, die täglich das Stundengebet durchführt und nun als erste Nichtakademikerin von Merkel mit dem Posten der Vatikanbotschafterin belohnt wird, die deutsche Bildungspolitik geprägt.
Von 1995-2005 war sie Kultusministerin in BW, 2005 -2013 war sie Merkels engste Kabinettsvertraute und Forschungsministerin.
In fast zwei Dekaden verteilte die Plagiatorin viele Milliarden Steuerzahlergeld in das deutsche Bildungssystem. Es ist also auch maßgeblich der Dauerbildungsministerin zu verdanken, daß wir in Deutschland eins der schlechtesten Bildungssysteme überhaupt haben.
Ein dreistufiges Selektionssystem, das dafür sorgt, daß arme Kinder gar nicht erst Zugang zu höherer Bildung bekommen. Sollte ein Habenichts dennoch Abitur machen und studieren wollen, wird er durch Studiengebühren und zerfallende Hochschulen abgeschreckt.
In keinem Land der OSZE hängt Bildung so sehr von Papas Portemonnaie ab, wie in Deutschland.
Insbesondere Migranten werden sogar aktiv aus der Bildung gedrängt. Herdprämie und mangelnde Sprachkurse sorgen dafür.

Politik à la Schavan bleibt nicht folgenlos.

Inzwischen sind nahezu 20% der erwachsenen Menschen in Deutschland Analphabeten.
Jeder Fünfte kann im Land der Dichter und Denker nicht richtig lesen und schreiben! Bravo! Das muß ein Schulsystem erst mal hinkriegen!
Da erfordert es schon enormes Geschick die Geldmittel der Bildungs-, Forschungs- und Familienausgaben von Bund und Ländern in genau die falschen Kanäle zu leiten! Kindergeld für Millionäre und Ehegattensplitting für Kinderlose – dumm, dümmer, deutsche Bildungspolitik.

[…]  Kategorie eins. Das ist die niedrigste Stufe bei der PIAAC-Studie der OECD. Vor einem halben Jahr ist diese kleine Schwester der PISA-Studie erschienen. Oder vielmehr die große Schwester: Es ging um die 16- bis 65-Jährigen. Etwa 18 Prozent der Bürger im erwerbsfähigen Alter sind demnach "funktionale Analphabeten". Sie können nicht oder kaum lesen und schreiben, ein paar Worte vielleicht, ihre eigene Unterschrift, bestenfalls Kurztexte. Fast neun Millionen Bürger, die Bevölkerung von Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt zusammen.
Doch die Reaktion war eine andere als bei der PISA-Studie, die Anfang des Jahrtausends den berühmten PISA-Schock ausgelöst hat. Es gab ein PIAAC-Schöckchen, kurzzeitige Aufregung. [….]
Eine klare Reaktion kam schon bald vom Deutschen Volkshochschul-Verband (DVV), dem Dach für die fast 1000 Einrichtungen bundesweit. Man sei inzwischen der "Hauptanbieter für Grundbildung", hieß es. […]
 [Andrea Kuhn-Bösch. Die Leiterin für Grundbildung an der VHS München]  unterrichtet zum Beispiel Schulabbrecher, die einen Hauptschulabschluss nachholen. Bundesweit 50 000 Jugendliche, sechs Prozent pro Jahrgang, schaffen keinen Abschluss. Viele von ihnen: funktionale Analphabeten. Doch der Blick auf die junge Generation lässt auch hoffen. Bei den unter 35-Jährigen fallen bei PIAAC nur 13 statt 18 Prozent in Kategorie eins. Schulpolitiker führen das auch auf die Arbeit nach dem PISA-Schock zurück. Ein PIAAC-Schock hätte wohl nicht geschadet.

Wenn neun Millionen Menschen in Deutschland prinzipiell gar nicht für Facharbeiterjobs oder gar akademische Berufe geeignet sind, wundert es wenig, daß sich die Wirtschaft immer dringender suchend an das Ausland wendet.
SOS, wegen massenhaft um sich greifender deutscher Verblödung werden nun griechische Ärzte, spanische Ingenieure oder portugiesische Architekten angelockt.

Angesichts eines drastischen Fachkräftemangels in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen wollen Hochschulen und Arbeitgeber systematisch Studenten aus dem Ausland anwerben - und fordern dafür Unterstützung von Bund und Ländern ein. Aktuell fehlten mehr als 50 000 Fachkräfte in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, auch der künftige Bedarf sei allein mit Deutschen nicht zu decken. Dies geht aus Empfehlungen hervor, die das Nationale MINT-Forum auf einem Kongress am Donnerstag in Berlin beschließen wird und die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. "Der Wohlstand des ganzen Landes steht auf dem Spiel", sagt Ellen Walther-Klaus, Koordinatorin des MINT-Forums.
[…] Die Unis [sollen] die Betreuung der neuen Zielgruppe verbessern. 2013 hatte die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes gemeldet, dass ausländische Studenten oft kaum integriert seien. Walther-Klaus sieht teils gar eine "Ghetto-Situation", die es zu vermeiden gelte. Zentren für internationales Publikum sollen auf jedem Campus entstehen, fordert der Kongress - für "eine Willkommenskultur" und den Übergang in den Beruf. [….]

Ein Armutszeugnis für das Billiglohnland Deutschland und eine langfristige Katastrophe für die Länder, die ihre Jugendlichen ausgebildet haben und nun die Besten ziehen lassen müssen.

Die Deutsche Doofheit geht aber noch viel weiter über die systematische Entbildung ihrer Jugendlichen hinaus.
Die Studenten ohne deutschen Pass, die auf hiesigen Unis genau die Abschlüsse machen, die so dringend nachgefragt werden, verscheucht man gleich anschließend wieder.

Die neue Debatte hat sich entsponnen, nachdem eine neue Studie über ausländische Studenten erschienen ist. Die Untersuchung des Forschungsbereiches beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) beleuchtet, wie viele ausländische Master-Studenten und Doktoranden in den fünf EU-Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden bleiben wollen, wie viele tatsächlich geblieben sind - und was ihre Entscheidung beeinflusst.
Das Ergebnis: zwei Drittel der gut 6200 Befragten würden gerne im Studienland bleiben, in Deutschland sogar fast 80 Prozent. Tatsächlich aber lebt nur rund ein Viertel weiterhin dort, in Frankreich verbleibt immerhin ein Drittel.

Tausende in Deutschland ausgebildete Akademiker türkischer Herkunft gehen jedes Jahr unfreiwillig nach Istanbul, weil deutsche Betriebe die Menschen mit falscher Hautfarbe oder vielen „ü“s im Namen nicht gerne einstellen oder gar ihnen Wohnungen vermieten wollen.

Etwa 80 Prozent aller Masterstudenten aus dem Ausland würden gerne nach dem Abschluss in Deutschland arbeiten, doch tatsächlich bleibt nur knapp jeder vierte. So haben es Forscher ermittelt. Es ist offensichtlich, dass da etwas nicht rund läuft zwischen den internationalen Studenten und Deutschland, oder genauer: den deutschen Hochschulen und Arbeitgebern.
[…]  Interessenten aus dem Ausland gibt es reichlich, Deutschland nimmt international gesehen inzwischen einen Spitzenplatz ein. Doch das hilft wenig, wenn die Leute nicht bleiben. Hier sind vor allem die Unternehmen gefragt: Sie müssen früh um die Studenten werben, und sie müssen attraktive Jobangebote machen. Denn daran mangelt es oft, trotz des angeblich so großen Mangels an Ingenieuren, Mathematikern und Naturwissenschaftlern.
Und die Hochschulen sind gefordert, dort Erfolge zu liefern, wo am meisten Nachwuchskräfte auf der Strecke bleiben: in den Universitäten selbst, durch viele Studienabbrecher. Bessere Vorbereitung, bessere Betreuung, bessere Lehre, hier ist noch viel zu leisten – für ausländische wie einheimische Studenten.
(Roland Preuss, SZ, 06.05.2014)

Natürlich, deutsche Schulen könnten auch früher ansetzen und die hier lebenden Kinder für die MINT-Fächer begeistern.
Aber das würde Geld kosten und selbiges stecken deutsche Politiker wie Annette Schavan lieber überall dort hin wo es nichts nützt. Es fehlen 50.000 Lehrer in Deutschland, Grundschullehrer sind dramatisch unterbezahlt und die Ausstattung der Schulen ist indiskutabel. Neugier und Interesse kann so nicht frühzeitig geweckt werden. Da mutet es verzweifelt an, wenn Hochschulen und Volkshochschulen a posteriori in Aktionismus verfallen, um für technische Studiengänge zu werben.

Doch woran liegt es, dass der deutsche Nachwuchs ausbleibt, zumindest in der nötigen Masse? Der konkrete Nutzen vieler MINT-Initiativen steht oft gar nicht fest. So haben Wissenschaftler neulich erst begonnen, die Wirkung des Projekts „Haus der kleinen Forscher“ zu evaluieren – nachdem dieses sieben Jahre läuft. Noch mehr geraten die Schulen in den Blick: Trotz der Auslandsstrategie mahnt Ellen Walther-Klaus, Koordinatorin des MINT-Forums, „die heimischen Potenziale nicht aus den Augen zu verlieren“. Die promovierte Mathematikerin und Managerin sagt: „Die jungen Leute sind zwar technikaffin, aber zu wenig neugierig. Und in den Schulen wird diese Neugier oft nicht geweckt.“
So fehlten vielerorts MINT-Lehrer; es gebe veraltete Geräte und Unterrichtskonzepte – und eine Art Technik-Skepsis in der Gesellschaft. „Schlechte Leistungen in Mathematik oder fehlendes Interesse für MINT-Fächer werden gemeinhin akzeptiert. Da ist es für Jugendliche leichter, einen Bogen um die Fächer zu machen.“ Ähnliches schrieb der Stuttgarter Mathematik-Professor Christian Hesse in einem SZ-Beitrag: Man treffe „häufig auf Menschen, die damit kokettieren, dass sie in der Schule immer schlecht in Mathe waren und dass dennoch etwas aus ihnen geworden ist“.
Einen Wandel in den Schulen hatte das MINT-Forum bereits 2013 empfohlen, als man sich erstmals zu einem solchen Kongress traf. Gefordert wurden Reformen in der Lehrerausbildung – was freilich Zeit braucht. Nachwuchs aus dem Ausland kommt für den Arbeitsmarkt im Zweifelsfall schneller.
 (SZ vom 06.05.2014)