Hamburg ist besonders atheistisch, der Mitgliederschwund der einst so dominierenden Evangelischen Kirche ist frappierend.
[…..] Die evangelische Kirche schrumpft nicht, sie implodiert. Annähernd 80 Prozent evangelische Christen zählte man im Hamburg des Jahres 1970, in Schleswig-Holstein waren es fast 87 Prozent. Heute sind zwischen den Meeren noch 51 Prozent der Bürger evangelisch, in Hamburg weniger als 30 Prozent, unter den Schulkindern der Hansestadt gerade noch 16 Prozent. […..]
Etwa 7 Prozent der Hamburger sind Katholiken; die Mitgliedszahlen des Hamburger Erzbistums schrumpfen nicht, aber das ist ausschließlich auf den Zuzug gläubiger Migranten insbesondere aus Spanien, Portugal und Polen zurück zu führen. 22% der Hamburger Katholiken sind fremdsprachig.
Von den 7% Katholiken gingen 8% im Jahr 2017 regelmäßig in den Gottesdienst, das sind etwa 0,5% der Hamburger.
Dabei haben die Mitgliedszahlen noch keine Aussagekraft über die Gläubigkeit der Hamburger. Die meisten Mitglieder sind Karteileichen oder aber gezwungen Mitglied zu sein, weil sie ich einer Einrichtung unter kirchlicher Trägerschaft angestellt sind, Eltern in einem Heim des Diakonischen Werks untergebracht haben oder auf einen evangelischen KITA-Platz angewiesen sind.
Schon vor 20 Jahren stellte der IBKA fest, daß 98% der Hamburger nicht mehr inhaltlich von den beiden großen Kirchen vertreten werden.
[….] Inhaltlich vertreten die beiden Kirchen nur noch 2,1 % der Bevölkerung
Wie gering die Verbundenheit der Kirchenmitglieder mit ihren Kirchen ist, zeigt auch eine Umfrage aus dem Jahre 2002 (vgl. anliegende Nr. 3) nach der sich nur 11 % der Bevölkerung und nur 14 % der Protestanten als "gläubige Kirchennahe" verstehen.
Geht man zusätzlich davon aus:
dass sich 72 % der evangelischen Kirchenmitglieder überhaupt nicht mehr am Leben ihrer Kirchengemeinde beteiligen2 und
dass am 1. Fastensonntag Invokavit 2,4 % der Evangelischen in Nordelbien (54.000 von 2.234.000 Kirchenmitgliedern) den Haupt - oder Kindergottesdienst besuchen3, und
von den Katholiken im Erzbistum Hamburg (405.000) 13,1 % (53.000) als Teilnehmer/-innen am sonntäglichen Gottesdienst gezählt wurden4
und sich in der Kirchgangshäufigkeit eine öffentlich bekundete enge Verbundenheit und innere Übereinstimmung mit den Kirchen ausdrückt, so befinden sich in Hamburg nur noch 13.600 Evangelische und 23.300 Katholiken in innerer und äußerer Verbundenheit mit ihren Kirchen. Bezogen auf die gesamte Bevölkerung repräsentiert die evangelische Kirche 0,78 % und die katholische Kirche 1,34 % der Bevölkerung in Hamburg.
Diese geringen Größenordnungen - für wie viele Menschen in Hamburg die beiden Kirchen tatsächlich vertretungsberechtigt sind - dürften ein politisch-demokratisches Interesse des Hamburger Staates an einem Vertrag mit diesen Organisationen ausschließen. [….]
(IBKA 2002)
Von den etwa 25% der evangelischen Hamburger (2017), gehen nur 2% regelmäßig in einen Gottesdienst. Das sind noch mal 0,5% aller Hamburger.
2017 ging also maximal 1% der Hamburger sonntags in einen Gottesdienst Jeder 100. Hanseat steht dafür auf, während 99 besseres zu tun haben.
Tendenz weiter stark fallend.
Wie ich gerade schon darlegte, verstehe ich viel mehr als 97 von 100 politischen Entscheidungen.
Ich finde die meisten dieser Fehlentscheidungen nur nicht richtig.
Statt sich also nach den 99,5% der Hamburger zu richten, die auch ohne Corona keinen Fuß in eine Kirche setzen, denkt leider auch der rotgrüner Tschentscher-Senat an die übermächtige Kirchenlobby und lässt gefährliche Gottesdienstbesuche zu
[……] Der Lockdown wird verlängert. Lockerungen gibt es nur an Weihnachten. Und Böller zu Silvester. Jetzt zeigt sich, wer und was in Deutschland wirklich wichtig ist – und wie konservative Kräfte dieses Land dominieren. Im Frühjahr hieß es: Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben, eine „neue Normalität“ werde entstehen. Jetzt wissen wir, was das heißt: Alles, was Spaß macht, ist verboten – außer Böllern an Silvester. Das ist quasi Grundrecht, vergleichbar nur mit Beten. Denn die Kirchen bleiben natürlich geöffnet. Auch wenn ein Großteil des Landes Gott für eine Illusion hält und Seelenheil eher in der Kneipe, dem Theater oder Techno-Club findet – auch 300 Jahre nach Kants Geburt ist der Einfluss der Religion nicht gebrochen. Genau wie die Macht der Fleischesser: Schlachthöfe bleiben trotz regelmäßiger Viren-Ausbrüche offen, Kultur dagegen verzichtbar. [……]
(Matthis Neuburger, HH MoPo, 27.11.2020)
Welche Kräfte den Senat antreiben verstehe ich, aber es ist absurd in einer tödlichen Pandemie eine so extreme Minderheit so zu pampern und zu möglichen Superspreader-Events zu laden.
Ins Bild passt auch eine Meldung über die Jakobi-Kirche in der Hamburger Innenstadt.
St. Jakobi ist eine der fünf Hamburger Hauptkirchen; erste Teile des Baus entstanden im 14. Jahrhundert, der Turm wurde im 16. Jahrhundert erbaut, im 19. Jahrhundert nutzte Napoleon den Bau als Pferdestall.
Betrieben wird die Kirchen von der Nordkirche, die als Teil der EKD zu einer der reichsten Organisationen der Welt gehört und allein 2019 sechs Milliarden Euro Mitgliedsbeiträge vom Staat eintreiben ließ.
Von diesen jährlich fließenden sechs Milliarden bezahlt die EKD aber nicht etwa ihre kirchlichen Kitas, Krankenhäuser, Heime oder gar ihr Personal. Nein, das wird dem Staat aufgebrummt, ebenso wie die Theologenausbildung.
Die Jakobi-Kirche ist etwas alt und braucht eine Fassadensanierung.
Kein Problem rufen dann sofort eilfertig Bund und Land
mitten in der Corona-bedingten Mega-Finanzkrise und lassen 41 Millionen Euro
vom überwiegend atheistischen Steuerzahler springen. Es regnet zig Millionen aus Hamburg und Berlin;
einfach so zwischendurch. Wir haben es ja.
[……] Umfassende Förderung der Sanierung von St. Jacobi durch den Bund und die Stadt Hamburg. Hauptpastorin Astrid Kleist, der Kirchengemeinderat und die Gemeinde können die Nachricht noch immer kaum fassen: Der Bund und die Stadt Hamburg haben zugesagt, Fördergelder in Höhe von bis zu 40,8 Millionen Euro bereitzustellen, um die Hauptkirche St. Jacobi umfassend zu sanieren, und eine zeitgemäße und zukunftsgerichtete Nutzung zu ermöglichen. [……] Es stehen umfassende Sanierungsmaßnahmen an der Außenhaut, dem Turm, der Pilgerkapelle, Kemper-Orgel, Restaurierungswerkstatt und am Dachtragwerk an. Ebenso bedarf der Kircheninnenraum einer grundlegenden Renovierung. Auch der denkmalgeschützte Herrensaal, der älteste erhaltene Barocksaal der Stadt, sowie die historischen Wappentafeln, sollen künftigen Generationen erhalten bleiben. Zudem ist eine Modernisierung der Gemeinderäume geplant, die auch auf eine maßgebliche Verbesserung unter dem Gesichtspunkt Barrierefreiheit abzielt. [……] „St. Jacobi soll kein Geheimtipp bleiben“, befindet Finanzsenator Dr. Andreas Dressel. „Jacobi steht in der Mitte der Stadt und wird nun auch in der Mitte des Bewusstseins der Hamburger ankommen.“ [……]
Ein krasser Fall von „auf den größten Haufen scheißen“, wenn inmitten der größten finanziellen Pandemie-Not ausgerechnet die Multimilliardärin Kirche zusätzliche 41 Millionen vom Steuerzahler bekommt, während der Bundesfinanzminister Olaf Scholz 160 Milliarden Euro neue Schulden machen muss.
Ich bin ernsthaft empört.
Die Menschen rennen nicht ohne Grund schreiend von der Kirche weg und währenddessen halten die steinreichen Kleriker die Hand auf, um bei den nicht mehr Kirchensteuerpflichtigen erneut abzukassieren.
Es wird höchste Zeit endlich Politiker mit Testikeln zu wählen, die solche Anliegen strikt ablehnen.
[……] Was erlaubt ist, bestimmt nicht nur das Virus, sondern bestimmen Interessen, Traditionen, Bedürfnisse. Das liegt in der Natur des politischen Prozesses – keine Entscheidung kann völlig objektiv sein. Da sich aber – trotz Impf-Offensive – an der Virenfront bis März nicht viel bessern und der Lockdown zum Dauerzustand werden dürfte, sollten die Lasten geteilt und die Prioritäten auch mal geändert werden. Wie wäre es also, nach Silvester Läden und Gotteshäuser einen Monat zu schließen, dafür Restaurants und Kultur zu öffnen? […..]
(Matthis Neuburger, HH MoPo, 27.11.2020)