Freitag, 11. Januar 2019

Geld wie Heu – Teil II


Viele Haushälter; vom Ernährer einer Kleinfamilie über den Kämmerer einer Kleinstadt bis zum Finanzminister einer Supermacht; kennen das Problem mit weniger auskommen zu müssen, als man eigentlich benötigt.
Dann stellt sich die Frage wo man den Rotstift ansetzt und ob man sich etwas Spielraum erkauft mit einem Kredit – wohlwissend, daß es dadurch später einmal noch schwieriger wird.
Sparen bis es quietscht, nannte das der neue Bürgermeister Klaus Wowereit in Berlin, als er 2001 ins Amt kam und ein von der CDU geerbtes finanzielles Mega-Desaster (Berliner Bankenskandal, Rekord-Schulden) vorfand.
Das macht keinen Spaß, diszipliniert aber auch. Jedes Ressort weiß, daß keine Extrawürste drin sind und die buchstäblich armen Regierten sind Kummer gewohnt.
Jeder hat Verständnis, wenn es ein wenig grau aussieht, weil kein Geld dafür da ist alles schick zu machen.

Und gerade die Deutschen lieben es auch zu sparen. Keine europäische Nation gibt einen derart geringen Teil des monatlich verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus, niemand begeistert sich so für Billig-Discounter und lässt sich Ess-Kultur so wenig kosten.

Die Bewohner ähnlich wohlhabender europäischer Nachbarländer – Dänemark, Holland, Norwegen – können nur staunen wie leidenschaftlich Deutsche ihr Portemonnaie verschlossen halten.

[…..] Es ist Ideo­lo­gie, die uns zu­rück­hält. Ihr Deut­schen seid be­son­ders gut dar­in, euch ein­zu­re­den, dass ihr kein Geld habt, ob­wohl ihr in Wahr­heit un­glaub­lich reich seid. Wenn ich nach Deutsch­land kom­me, bin ich je­des Mal ge­schockt.  Die Stra­ßen sind im Ver­gleich zu de­nen in den Nie­der­lan­den in de­sas­trö­sem Zu­stand. War­um in­ves­tiert ihr nicht ver­nünf­tig in In­fra­struk­tur? Das ist wahr­schein­lich die­se pro­tes­tan­ti­sche Men­ta­li­tät. [….]
(Rutger Bregman, Niederländer, His­to­ri­ker und Au­tor, SPIEGEL, 05.01.2019)

40.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an Krankenhauskeimen wie MRSA, weil wir einfach zu geizig sind uns die teuren Hygienemaßnahmen zu leisten. In Holland ist MRSA de facto aus den Krankenhäusern verschwunden, weil die Niederländer genügend Geld in die Hand nahmen, um effektive Hygienestandards durchzusetzen. In Polen gibt es ein ausgezeichnetes stabiles Handynetz und flächendeckend Internet. In Deutschland wird stets geknausert mit dem Breitband-Ausbau.

[…..] Und die Eu­ro­pä­er krie­gen auch kei­ne gute Wirt­schafts­po­li­tik hin, ins­be­son­de­re we­gen der fürch­ter­lich stu­ren deut­schen Hal­tung. [….]
(Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, SPIEGEL, 05.01.2019)

Ein Haushälter in Zeiten des Überflusses zu sein ist intellektuell anspruchsvoller als stets nur „Sparen bis es quietscht“ durchzuführen.
Das erfordert Weitblick, Kreativität und strategisches Denken.

Nicht gerade eine deutsche Spezialität und so bricht leichte Panik aus, nachdem Vizekanzler und Bundesfinanzminister deutlich über zehn Milliarden Euro übrig hat. Wohin mit der Kohle? Und viel schlimmer: Könnte das viele Geld nicht dazu verleiten leichtsinnig zu werden? Wird so ein Milliardenberg das einfache Volk nicht gierig machen und dazu verleiten dreiste Wünsche zu äußern?

[…..] Dass der Bundesfinanzminister das Haushaltsjahr 2018 mit einem dicken Plus abschließen kann, ist erfreulich. Wer allerdings glaubt, damit teure neue Dinge finanzieren zu können, ist kurzsichtig. Wir werden die Überschüsse in den nächsten Jahren brauchen, um weiterhin ohne neue Schulden auszukommen.
[….] Dazu passt nicht, dass CDU/CSU die sofortige Streichung des Soli für die reichsten zehn Prozent zur Priorität erklären, Wirtschaftsminister Altmaier die FDP bei den Steuersenkungen für Unternehmen überholen will und aus den Unions-Ministerien ständig Mehrforderungen in Milliardenhöhe kommen.
[….] Vernünftige Haushaltspolitik denkt über den Tag hinaus. Rechnungen, die in zwei oder drei Jahren fällig werden, müssen heute eingeplant werden. [….]

Man muss schon sehr aufpassen, daß nicht eine bei der Tafel anstehende Rentnerin oder ein Kleinkind mit knurrendem Magen nun auf die Idee kommt in diesem steinreichen Land auch mal fünf bis neun Euro mehr haben zu wollen.

(…..) Dafür wollen CDU, CSU und FDP den „Soli“ abschaffen. Also eine Steuer, die prozentual das Einkommen belastet und somit umso mehr gezahlt wird, desto reicher man ist.

Wird der Soli ganz abgeschafft, bekommt ein Mensch, der eine Million im Jahr verdient wie der neue alte CDU-Held Friedrich Merz, der das natürlich auch fordert, rund 24.000 Euro vom Staat dazu. Ein Geringverdiener mit 15.000 Euro Jahreseinkommen wird hingegen um 44 Euro entlastet.

Wie gesagt, meine Mathematik in den Uniseminaren war vielleicht zu elementar.
Ich wäre glatt davon ausgegangen, daß 24.000 Euro mehr als 44 Euro sind und daß man mit solchen Schritten überproportional die Superreichen entlastet.
Aber ich bin ja auch nicht so genial, daß ich mich wie Merz großzügig als qualifiziert für jeden Kabinettsposten anbiete. (….)

Zum Glück gibt es ja Stars der Politik, wie die Talkshow-affinen und in Umfragen vom Volk geliebten Christian Lindner oder Friedrich Merz, die wissen wohin mit den vielen Milliarden:
Steuersenkungen, damit in erster Linie die Superreichen – und Merz gehört zu den 25.000 reichsten Deutschen – profitieren und die Taugenichtse in Pflegeheimen, Kitas oder auf Grundsicherung Angewiesenen garantiert nichts abbekommen.
Unverdrossen fordern nun aber FDP, CSU und CDU Steuersenkungen, Soli-Abschaffung und insbesondere drastische Einschnitte bei den Unternehmenssteuern.

 [….] Und am besten die Steuern für Unternehmen dazu noch schnell zu senken - zweite Großforderung, die seit Tagen aus Wirtschaftsverbänden sowie Christian-Merz-und-Friedrich-Lindner-Kreisen dröhnt und von orthodoxen Ökonomen wie dem Freiburger Lars Feld als sehr dringend eingestuft wird. Weil Deutschland international gerade furchtbar auf die miesesten Plätze zu fallen drohe, was die Steuersätze angeht. Und das "zunehmend existenzgefährdend" (BDI-Präsident Dieter Kempf) für unsere arme Wirtschaft sei. Und so eine Steuerreform helfen würde gegen "konjunkturelle Eintrübungen", wie DIHK-Präsident Eric Schweitzer zum Jahreswechsel vermeldete.
[….] [….] Wenn Unternehmen trotz Geldschwemme nicht investieren, ist es gewagt, einfach mal anzunehmen, dass sie es tun würden, wenn sie dank Steuergeschenken noch mehr bekommen. Das ergibt ökonomisch einfach keinen großen Sinn. [….] Wenn das so wäre, hätte es in den USA seit den Billionen-Steuergeschenken vor einem Jahr historische Investitionswellen geben müssen. Und? Nichts. "Seit Trumps Reform der Unternehmensbesteuerung hat die Investitionsdynamik in den USA sogar nachgelassen", sagt die Pariser Konjunkturexpertin Véronique Riches-Flores. Schlimmer noch: Die Firmenchefs haben mit Trumps Geldpäckchen vor allem eigene Aktien gekauft, was über Monate die Aktienblase in den USA verstärkt habe - und Ende 2018 im Crash endete. Man könnte auch sagen: Selten ist womöglich so viel Geld, das Steuerzahler vorher erwirtschaftet haben, so ökonomisch sinnlos verpulvert worden. [….] Es muss ein merkwürdiges Verständnis von Ökonomie sein, das gut zu finden. Oder ganz schön freche Lobbyarbeit. […..]