Viele Haushälter; vom Ernährer einer Kleinfamilie über den
Kämmerer einer Kleinstadt bis zum Finanzminister einer Supermacht; kennen das
Problem mit weniger auskommen zu müssen, als man eigentlich benötigt.
Dann stellt sich die Frage wo man den Rotstift ansetzt und
ob man sich etwas Spielraum erkauft mit einem Kredit – wohlwissend, daß es
dadurch später einmal noch schwieriger wird.
Sparen bis es quietscht, nannte das der neue Bürgermeister
Klaus Wowereit in Berlin, als er 2001 ins Amt kam und ein von der CDU geerbtes finanzielles
Mega-Desaster (Berliner Bankenskandal, Rekord-Schulden) vorfand.
Das macht keinen Spaß, diszipliniert aber auch. Jedes
Ressort weiß, daß keine Extrawürste drin sind und die buchstäblich armen Regierten sind Kummer gewohnt.
Jeder hat Verständnis, wenn es ein wenig grau aussieht, weil
kein Geld dafür da ist alles schick zu machen.
Und gerade die Deutschen lieben es auch zu sparen. Keine
europäische Nation gibt einen derart geringen Teil des monatlich verfügbaren
Einkommens für Lebensmittel aus, niemand begeistert sich so für
Billig-Discounter und lässt sich Ess-Kultur so wenig kosten.
Die Bewohner ähnlich wohlhabender europäischer Nachbarländer
– Dänemark, Holland, Norwegen – können nur staunen wie leidenschaftlich
Deutsche ihr Portemonnaie verschlossen halten.
[…..] Es ist Ideologie, die uns zurückhält. Ihr Deutschen seid besonders
gut darin, euch einzureden, dass ihr kein Geld habt, obwohl ihr in Wahrheit
unglaublich reich seid. Wenn ich nach Deutschland komme, bin ich jedes Mal
geschockt. Die Straßen sind im Vergleich
zu denen in den Niederlanden in desaströsem Zustand. Warum investiert
ihr nicht vernünftig in Infrastruktur? Das ist wahrscheinlich diese protestantische
Mentalität. [….]
(Rutger Bregman, Niederländer,
Historiker
und Autor, SPIEGEL, 05.01.2019)
40.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an
Krankenhauskeimen wie MRSA, weil wir einfach zu geizig sind uns die teuren
Hygienemaßnahmen zu leisten. In Holland ist MRSA de facto aus den
Krankenhäusern verschwunden, weil die Niederländer genügend Geld in die
Hand nahmen, um effektive Hygienestandards durchzusetzen. In Polen gibt es ein
ausgezeichnetes stabiles Handynetz und flächendeckend Internet. In Deutschland
wird stets geknausert mit dem Breitband-Ausbau.
[…..] Und die Europäer kriegen auch keine
gute Wirtschaftspolitik hin, insbesondere wegen der fürchterlich sturen
deutschen Haltung. [….]
(Wirtschaftsnobelpreisträger Paul
Krugman, SPIEGEL, 05.01.2019)
Ein Haushälter in Zeiten des Überflusses zu sein ist intellektuell anspruchsvoller
als stets nur „Sparen bis es quietscht“ durchzuführen.
Das erfordert Weitblick, Kreativität und strategisches Denken.
Nicht gerade eine deutsche Spezialität und so bricht leichte Panik aus,
nachdem Vizekanzler und Bundesfinanzminister deutlich über zehn Milliarden Euro
übrig hat. Wohin mit der Kohle? Und viel schlimmer: Könnte das viele Geld nicht
dazu verleiten leichtsinnig zu werden? Wird so ein Milliardenberg das einfache
Volk nicht gierig machen und dazu verleiten dreiste Wünsche zu äußern?
[…..] Dass der Bundesfinanzminister das Haushaltsjahr 2018 mit einem dicken
Plus abschließen kann, ist erfreulich. Wer allerdings glaubt, damit teure neue
Dinge finanzieren zu können, ist kurzsichtig. Wir werden die Überschüsse in den
nächsten Jahren brauchen, um weiterhin ohne neue Schulden auszukommen.
[….] Dazu passt nicht, dass CDU/CSU die sofortige Streichung des Soli für
die reichsten zehn Prozent zur Priorität erklären, Wirtschaftsminister Altmaier
die FDP bei den Steuersenkungen für Unternehmen überholen will und aus den
Unions-Ministerien ständig Mehrforderungen in Milliardenhöhe kommen.
[….] Vernünftige Haushaltspolitik denkt über den Tag hinaus. Rechnungen, die
in zwei oder drei Jahren fällig werden, müssen heute eingeplant werden. [….]
Man muss schon sehr aufpassen, daß nicht eine bei der Tafel
anstehende Rentnerin oder ein Kleinkind mit knurrendem Magen nun auf die Idee
kommt in diesem steinreichen Land auch mal fünf bis neun Euro mehr haben zu
wollen.
(…..) Dafür wollen CDU, CSU und FDP
den „Soli“ abschaffen. Also eine Steuer, die prozentual das Einkommen belastet
und somit umso mehr gezahlt wird, desto reicher man ist.
Wird der Soli ganz abgeschafft,
bekommt ein Mensch, der eine Million im Jahr verdient wie der neue alte
CDU-Held Friedrich Merz, der das natürlich auch fordert, rund 24.000 Euro vom
Staat dazu. Ein Geringverdiener mit 15.000 Euro Jahreseinkommen wird hingegen
um 44 Euro entlastet.
Wie gesagt, meine Mathematik in
den Uniseminaren war vielleicht zu elementar.
Ich wäre glatt davon ausgegangen,
daß 24.000 Euro mehr als 44 Euro sind und daß man mit solchen Schritten
überproportional die Superreichen entlastet.
Aber ich bin ja auch nicht so
genial, daß ich mich wie Merz großzügig
als qualifiziert für jeden Kabinettsposten anbiete. (….)
Zum Glück gibt es ja Stars der Politik, wie die
Talkshow-affinen und in Umfragen vom Volk geliebten Christian Lindner oder
Friedrich Merz, die wissen wohin mit den vielen Milliarden:
Steuersenkungen, damit in erster Linie die Superreichen – und Merz gehört zu den 25.000 reichsten Deutschen – profitieren und die Taugenichtse in Pflegeheimen, Kitas oder auf Grundsicherung Angewiesenen garantiert nichts abbekommen.
Steuersenkungen, damit in erster Linie die Superreichen – und Merz gehört zu den 25.000 reichsten Deutschen – profitieren und die Taugenichtse in Pflegeheimen, Kitas oder auf Grundsicherung Angewiesenen garantiert nichts abbekommen.
Unverdrossen fordern nun aber FDP, CSU und CDU Steuersenkungen,
Soli-Abschaffung und insbesondere drastische Einschnitte bei den
Unternehmenssteuern.
[….] Und
am besten die Steuern für Unternehmen dazu noch schnell zu senken - zweite
Großforderung, die seit Tagen aus Wirtschaftsverbänden sowie
Christian-Merz-und-Friedrich-Lindner-Kreisen dröhnt und von orthodoxen Ökonomen
wie dem Freiburger Lars Feld als sehr dringend eingestuft wird. Weil
Deutschland international gerade furchtbar auf die miesesten Plätze zu fallen
drohe, was die Steuersätze angeht. Und das "zunehmend
existenzgefährdend" (BDI-Präsident Dieter Kempf) für unsere arme
Wirtschaft sei. Und so eine Steuerreform helfen würde gegen
"konjunkturelle Eintrübungen", wie DIHK-Präsident Eric Schweitzer zum
Jahreswechsel vermeldete.
[….] [….] Wenn Unternehmen trotz Geldschwemme nicht investieren, ist es gewagt,
einfach mal anzunehmen, dass sie es tun würden, wenn sie dank Steuergeschenken
noch mehr bekommen. Das ergibt ökonomisch einfach keinen großen Sinn. [….] Wenn das so wäre, hätte es in den USA seit
den Billionen-Steuergeschenken vor einem Jahr historische Investitionswellen
geben müssen. Und? Nichts. "Seit Trumps Reform der Unternehmensbesteuerung
hat die Investitionsdynamik in den USA sogar nachgelassen", sagt die
Pariser Konjunkturexpertin Véronique Riches-Flores. Schlimmer noch: Die
Firmenchefs haben mit Trumps Geldpäckchen vor allem eigene Aktien gekauft, was
über Monate die Aktienblase in den USA verstärkt habe - und Ende 2018 im Crash
endete. Man könnte auch sagen: Selten ist womöglich so viel Geld, das
Steuerzahler vorher erwirtschaftet haben, so ökonomisch sinnlos verpulvert
worden. [….] Es muss ein merkwürdiges
Verständnis von Ökonomie sein, das gut zu finden. Oder ganz schön freche
Lobbyarbeit. […..]