Mittwoch, 13. September 2017

Ausgleichende Ungerechtigkeit.



Seit Angela Merkel Kanzlerin ist, vollzieht sich im Vorwahl- und Wahljahr immer das gleiche Ritual. Eine immer nervöser werdende sozialdemokratische Parteispitze verfällt in leichte Panik bei der Vorstellung, daß irgendeiner der ihren gegen Frau Merkel als Spitzenkandidat antreten muß.
Noch 1998 gab es mehrere SPD-Ministerpräsidenten, die kaum gehen konnten vor lauter Kraft und drängelten.
Aber spätestens 2009 ging man in den Mimimi-Modus über. Die Sprachregelung lautet jedes Mal, wir haben einen starken Parteivorsitzenden, der selbstverständlich das erste Zugriffsrecht hat.
Dieser Vorsitzende zaudert und zögert aber so sehr, daß die Sprachregelung auf wir halten uns an einen festen Zeitplan abgewandelt wird.
In der nächsten Phase beginnen Journalisten zu picken, es wird immer hartnäckiger auf den fest verabredeten Zeitplan und die Sinnlosigkeit der Fragen nach dem Kanzlerkandidaten verwiesen, bis der Druck im Kessel so groß wird, daß in einer ungeplanten Sturzgeburt plötzlich viel zu früh ein Kandidat präsentiert wird, ohne daß die Parteigremien eingeweiht sind. Generalsekretärin und Wahlkämpfer sind so überrascht und verwirrt, daß sie noch keinerlei Wahlkampfslogan oder Themen kennen.

In der nächsten Phase entwickelt sich Euphorie an der Basis, viele seufzen erleichtert, weil der ungeliebte Vorsitzende verzichtet.
Die demoskopischen Werte werden einen Tick besser, weil sich Journalisten für eine kurze Zeit immerhin den Gedanken erlauben, es könnte auch jemand anders als Merkel Regierungschef sein.
Kurz danach lanciert die CDU eine irrelevante „Enthüllung“ über den Sozi-Kandidaten (Steinbrücks Vortragshonorare, Schulz‘ üppig bezahlte EU-Zuarbeiter), die Basis verfällt in einen Hühnerhaufen-Modus und die gewohnte Pechsträhne (Peers Mittelfinger, Neuwahlen Niedersachsen) setzt ein.

Schließlich erkennt die SPD über Nacht, daß es schwer ist Merkel inhaltlich zu packen, als ob das ein neues Phänomen sei und beginnt mit ihrem eigenen Kandidaten zu hadern. Die Umfragen zeigen nach unten und schon einige Wochen vor der Wahl ist die Partei wieder in der „mimimi, das wird diesmal wieder nichts“-Stimmung.


An Merkel bleibt nie etwas haften; sie hat immer Glück.
Das immer wiederkehrende SPD-Pech scheint ein dauerhafter Fluch zu sein.

(….) Es gibt eine Menge unschöne deutsche Metaphern für Pechsträhnen. Schwarzer Peter, Scheiße am Schuh, ein Unglück kommt selten allein, Generalverschiss.
Manchmal kommt so viel zusammen, daß man schon Unglücknornen walten sieht. Drei verlorene Landtagswahlen für Schulz waren schon sehr schlimm und an den Ergebnissen war nicht völlig unschuldig.
Für die noch folgenden Katastrophen kann der arme Mann aber wirklich nichts.
Der Chef seines Wahlkampfteams, Markus Engels muß acht Wochen vor der Wahl wegen einer Erkrankung aufgeben. Der SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, muß wegen einer Krebsdiagnose schlagartig zurücktreten, die Grüne Landtagsabgeordnete Elke Twesten tritt zur CDU über, weswegen SPD-Ministerpräsident Weil seine Mehrheit verliert und nun auch noch Gerd Schröders Rosneft-Engagement. Schulz wirkt wirklich wie ein Pech-Magnet.
Insbesondere ist es aber ein Pech für Politiker, wenn sich die Presse auf ein kollektives Narrativ einigt.
Wer einmal das Verlierer-Image an sich kleben hat, wird auch von der Majorität der begleitenden Journalisten so beschrieben.
Peer Steinbrück, Fipsi Rösler und Kurt Beck ging es schon so. Da wurden Petitessen zu „typisch Beck“ aufgeblasen, als habe er an allem Schuld. Kleinigkeiten, die genauso in Merkels Umfeld geschehen, ihr aber nie angekreidet werden. (….)

Andere Parteien können ohne Inhalte und Programme reüssieren.
Niemand liest das AfD-Programm und diejenigen, die das FDP-Programm gelesen haben, wenden sich schaudernd ab.

[….] Als Lindner den Scherbenhaufen nach der vergeigten Bundestagswahl zusammenfegte und zu etwas Neuem zusammensetzen musste, standen weniger inhaltliche als strategische Überlegungen im Vordergrund. Die Frage lautete: Wo sollte die neue FDP stehen? Links oder rechts von der CDU?
Auf der linken Seite standen bereits die Grünen. [….] Also führte Lindner die Seinen nach rechts - auch weil die CDU unter Angela Merkel den konservativen Kern ihrer Partei vernachlässigte, um mit sozialliberalen Positionen in der Mitte zu punkten. [….] Lindner setzte auf die wirtschaftsliberale Karte und interessierte sich nicht mehr für den sozialliberalen Teil seiner Partei. Deutlich wird das unter anderem an der Flüchtlingspolitik. [….][….]  Mitfühlend geht anders. [….] Lindners FDP ordnet aber auch die ökologische Entwicklung der ökonomischen unter. [….] Wenn es konkret wird, spricht Generalsekretärin Nicola Beer schon mal von „Fake News“ wenn es um mehr extreme Wetterereignisse geht. [….]

Es ist in der Tat schwer zu ertragen, daß ein substanzloser Finanz-Hallodri wie Lindner sich in den Umfragen verdoppelt, weil er hübsch ist und wir Sozis abstürzen, weil Schulz nun mal unattraktiv, glatzköpfig und bebrillt daherkommt.



Mit dem rechtspopulistischen Joachim Steinhöffel



Nicht, daß es politisch irgendeine Rolle spielt, aber ein bißchen Schadenfreude empfindet Sozi schon, wenn vor der Wahl ausnahmsweise auch mal die anderen Parteien (außer der CDU, der Frau Mohn und Frau Springer sehr gewogen sind) mit Pechmeldungen konfrontiert sind:

[….] Katrin Göring-Eckardt droht der Rauswurf
Für die Grünen bahnt sich ein Debakel an. Die Umfragewerte fallen immer weiter und nähern sich nun sogar der Fünf-Prozent-Marke. Die Spitzenkandidatin wirkt wie der traurige Schatten der Kanzlerin.
Die neuen Umfragen sind für die Grünen ein Desaster. Anderthalb Wochen vor der Wahl sackt die Partei in der Wählergunst weiter ab und liegt nurmehr knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. In Berlin grassiert bereits der Spruch "Die Grünen von 2017 sind wie die FDP von 2013" - es droht der Rauswurf aus dem Bundestag. Tatsächlich sinkt ihr Rückhalt in der Gesellschaft so rapide wie der der Liberalen vor vier Jahren.
Der Zeitraffer-Niedergang ist auf den ersten Blick verblüffend. Denn vor nur einem Jahr schienen die Grünen mit Umfragewerten von 12 Prozent klar die dritte politische Kraft im Land. [….]

[….] Eine neue Panne belastet Verkehrsminister Dobrindt: Privaten Autobahnbetreibern fließen seit fast zwei Jahren zu hohe Einnahmen aus der Lkw-Maut zu.
Dem Bund sind bereits Mittel in zweistelliger Millionenhöhe entgangen, weil das Abrechnungssystem nicht zwischen 7,5-Tonnen- und großen Zwölf-Tonnen-Lkw unterscheiden kann. […]

[…..] Millionen verprasst, Schulden hinterlassen: So hässlich sind die Liberalen
Die frühere FDP-Fraktion hat Schulden bei einer Rentenkasse. Zuvor hatte sie Geld für zweifelhafte Werbung verballert. Die FDP von heute benimmt sich unanständig [….]


[….] FDP in Geldnot - Griechische Verhältnisse.
Die FDP will unbedingt in den Bundestag einziehen - sonst wird es für die Partei auch finanziell eng. Hohe Schulden, niedrige Einnahmen: Die Liberalen wirtschaften ähnlich wie das geschmähte Athen. [….]

[….]  Union und SPD reagieren empört auf die E-Mail mit rassistischen Äußerungen, die von Alice Weidel stammen soll. [….] Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner sagte der Zeitung Die Welt: "Wer rassistische und demokratieverachtende Mails schreibt, gehört nicht in den Deutschen Bundestag." [….] In der E-Mail, die Weidel bereits 2013 verfasst haben soll, hieß es laut Welt am Sonntag in Originalschreibweise: "Der Grund, warum wir von kulturfremden Voelkern wie Arabern, Sinti und Roma etc ueberschwemmt werden, ist die systematische Zerstoerung der buergerlichen Gesellschaft als moegliches Gegengewicht von Verfassungsfeinden, von denen wir regiert werden." In dem Schreiben werde auch die Bundesregierung beschimpft: "Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen."  [….]

[….] Gegen die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sind neue Vorwürfe laut geworden. Laut einem Bericht der Wochenzeitung Die Zeit soll Weidel an ihrem Schweizer Wohnsitz in Biel eine Asylbewerberin aus Syrien schwarz beschäftigt haben. Demnach soll Weidel in ihrer Wohnung im Jahr 2015 zunächst eine Studentin der Islamwissenschaften putzen haben lassen, danach die Flüchtlingsfrau.  Diese sei auch dabei gewesen, als Weidel mit ihrer Schweizer Partnerin im Herbst 2016 in eine andere Wohnung gezogen sei. Beide Frauen hätten ihren Lohn, in der Schweiz übliche 25 Franken pro Stunde, "bar auf die Hand" erhalten, schreibt die Zeitung. [….]