Mittwoch, 6. März 2013

Schäuble lässt das Lügen nicht.



Um noch einmal auf meinen gestrigen Ausflug ins Trash-TV zurück zu kommen:
Man kann mir wirklich nicht vorwerfen übermäßig viel Unterschichten-Fernsehen zu gucken, aber ein Verhaltensmuster ist mir zum Beispiel beim Dschungelcamp aufgefallen, das ich wirklich hasse wie die Pest.
Junge Hühner, die ungeniert ihre Mit-Idioten beleidigen, indem sie sich über Frisur, Figur oder Montur auslassen und anschließend arrogant-vorwurfsvoll behaupten „wieso? Ich bin nur ehrlich!“
Diese radikale Ehrlichkeit ist eine Pest und nichts anderes als ungezogen.
Es gibt keinen Grund im Alltag eine übertriebene Ehrlichkeit zu praktizieren. 
Das ist nur verletzend. Die Höflichkeit gebietet es geradezu die schnöde Realität etwas auszuschmücken und zu Recht zu biegen.

In der Politik gelten etwas andere Maßstäbe. 
Ein Minister sollte im Interview nicht flunkern und Dinge erfinden, die ihn sympathischer erscheinen lassen.
Andererseits ist es auch absurd von der politischen Klasse radikale Ehrlichkeit zu verlangen. Insbesondere auf diplomatischen Parkett ist das oft gar nicht möglich, ohne schlimme Konsequenzen zu provozieren.
Egon Bahr lieferte, wie so oft, eine einfache aber treffende Definition für die Anforderungen an einen Politiker:

„Man muß nicht immer alles sagen, was wahr ist. Aber alles was man sagt, muß wahr sein.“

Natürlich kann es schlimme Folgen haben, wenn ein Regierungsmitglied alle seine Informationen, Szenarien und Befürchtungen ungefiltert auf den Tisch legt.
Auf einem ganz anderen Blatt stehen aber die Methoden der Merkel-Minister, die schamlos echte Lügen verbreiten.
 So wie Merkel selbst, die grob wahrheitswidrig behauptete die Griechen hätten mehr Urlaub und arbeiteten weniger als Deutsche, oder daß die ARGEn Strom und Heizung für HartzIV’ler bezahlten.
Innenminister Friedrich wurde genauso beim Lügen ertappt, wie sein Vorgänger Wolfgang Schäuble, der sogar besonders dreist am Rednerpult auf die direkte Frage des Abgeordneten Ströbele („Haben Sie auch mal einen Geldkoffer angenommen“) log.

Ursula von Leyen ist sogar eine gewohnheitsmäßige Lügnerin und überrascht eher, wenn sie mal die Wahrheit sagt.
Daß sie heute einen gefälschten Armutsbericht vorstellte, war ohnehin erwartet worden.
Der Bericht zeigt: Die Koalition möchte die gesellschaftlichen Realitäten nicht wahrhaben, sie verschleiert und verdreht, was nicht wegzureden ist - die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft. Vor allem die FDP lügt sich und der Bevölkerung in die Tasche, wenn sie selektiv Zahlen des Berichtes herausgreift. Die Bundesregierung feiert den Rückgang der Arbeitslosenzahlen und ignoriert das Auseinanderdriften der Gehälter. Röslers Innovations- und Chancenrhetorik geht an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei.
(PM 0190-13 der Grünen Bundestagsfraktion, 06.03.13)
Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt

[…] Gewiss, Deutschland geht es im Vergleich zu anderen Industrienationen sehr gut. Noch nie hatten so viele Menschen Arbeit. Der Niedriglohnsektor ist zuletzt nicht mehr gewachsen. Für Leiharbeiter gibt es in einigen Branchen Zuschläge.

Solche Erfolge können sich in einem Regierungsbericht widerspiegeln. Das darf aber nicht dazu führen, Wähler für dumm zu verkaufen. Es bleibt eine peinliche Schönfärberei, wenn an den Aussagen über die weniger schönen Seiten des Landes so lange herumgefeilt wird, bis die Lage harmloser dargestellt wird, als sie ist.
Sein Talent für große Lügen hat aber auch der Finanzminister nicht verloren. 
Beispiel TAG-Konzern.
Es war der größte Immobiliendeal der schwarz-gelben Bundesregierung. Mehr als 11.000 Wohnungen wurden verkauft. Zehntausende Mieter sind betroffen. Käufer: die börsennotierte TAG Immobilien AG, ein börsennotiertes Unternehmen. Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein gutes Geschäft, das eine halbe Milliarde Euro einbringt. Zugleich soll der Deal sozial abgesichert sein: Eine Sozialcharta wurde zur Auflage für den Verkauf gemacht. Diese Zusatzvereinbarung soll die Mieter vor sozialen Härten schützen.
Während Minister und Staatssekretär in die Kamera lügen, daß mit einer (allerdings geheimen) Sozialcharta die Mieter vor sozialen Härten geschützt wären, ist das Gegenteil wahr:
Schäubles Staatssekretär spart […] nicht mit Eigenlob.

O-Ton, Steffen Kampeter, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär Bundesfinanzministerium (30.11.2012):

»Wir haben zum einen für den Bundeshaushalt einen auskömmlichen Ertrag erzielt, und wir haben zum anderen für die Mieterinnen und Mieter mit der Sozialcharta eine lebendige soziale Marktwirtschaft bei dieser Privatisierung aufleben lassen.«

Hat Schäuble die Mieter beim Immobiliendeal wirklich geschützt? Was genau steht drin in der Sozialcharta? Die will das Finanzministerium im Wortlaut lieber nicht herausgeben. Vertragsgeheimnis, heißt es.

Wir haben die Sozialcharta trotzdem. REPORT MAINZ liegt das zweiseitige Papier vor. Die Mietrechtsexperten des Deutschen Mieterbundes haben es exklusiv für uns analysiert.

O-Ton, Lukas Siebenkotten, Direktor Deutscher Mieterbund:

»Die Sozialcharta ist das Papier, auf dem sie steht, nicht wert, weil sie wesentliche Fragen, nämlich die der Mieterhöhung, nicht regelt. Und die Fragen, die sie regelt, ohnehin durch das Gesetz schon festgelegt sind. Oder aber Formerfordernisse nicht eingehalten werden, nämlich die schriftliche Vereinbarung zwischen den Mietparteien nicht vorliegt.«

Das heißt also: Was die Sozialcharta regelt, ist nicht einklagbar, weil die Unterschriften von Mieter und Vermieter fehlen.

Die Sozialcharta – wertlos. Das kriegen jetzt die ersten Mieter hier in Dresden zu spüren. In diesem Wohnblock sollen die Mieten steigen, nur wenige Wochen nach dem Verkauf an die TAG.


SchwarzGelb eben.