Dienstag, 1. November 2016

Impudenz des Monats Oktober 2016


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Früher war alles besser.
In den amerikanischen Wahlkampf übersetzt, bedeutet der Spruch, daß in den seligen 1950er Jahren Papa einen ganz normalen Job hatte und davon eine Familie gut leben konnte. Haus mit Garten, Autos für die Ehefrau und die Söhne, gutes Essen.
Muttern war natürlich Hausfrau; wäre nie in die Verlegenheit gekommen mitarbeiten zu müssen, um die Familie über die Runden zu bringen.
Es war klar, daß es der Familie durch Papas ehrliche Arbeit immer besser gehen würde. Die Kinder würden sich einst ein noch größeres Haus und ein spektakuläreres Auto leisten.

Dagegen sieht der Trump-affine Wähler des Jahres 2016 dieses amerikanische Selbstverständnis ausgehöhlt.
Es wird nicht mehr besser. Das Geld reicht schon jetzt nicht. Man muß sparen, daß es quietscht und für die Blagen sieht es sogar noch düsterer aus. Gewaltige Studienkredite und wenig Aussicht nach dem College, der Uni in einen gut bezahlten sicheren Job zu rutschen. Stattdessen Praktika, mies bezahlte Halbtags- und Zusatzjobs.
Die Trumpets wissen auch, wieso heutzutage alles so schwierig geworden ist:
Das Land wird überschwemmt von Asiaten, Mexikanern, Schwarzen, Schwulen und Atheisten – die machen sich ungeniert überall breit. Konkurrieren um die guten Job, statt sich wie früher versteckt zu halten und/oder sich auch die minderen Billigjobs als Küchenhilfe oder Putzfrau zu konzentrieren.
Diese ganzen lästigen Mitesser am großen amerikanischen Kuchen werden zu allem Übel auch noch von den Demokraten, den „liberal Media“ und er Washingtoner Korruptheit mit Privilegien und Sozialleistungen überschüttet.
Dagegen helfe nur die Wahl Trumps, der die vorlauten Emanzen, Homos und „Neger“ mal zur Raison bringt.

In der echten Realität stimmt es zwar, daß die amerikanische Bilderbuch-Mittelklassefamilie von 1950 finanziell schlecht dasteht, aber Schuld sind natürlich nicht Asiaten, Mexikaner, Schwarze, Schwule und Atheisten, sondern die Wirtschaftspolitik.
In Washington sorgen insbesondere die Republikaner mit der fatalen Trickle-Down- und Steuersenkungspolitik für rasanten Reichtumszuwachs des reichsten Prozents der Amerikaner, ohne daß die Mittelklasse-Amerikaner wie früher die Chance haben selber Millionär zu werden.

Ich zitiere aus einem SPIEGEL-Interview mit Robert Reich.
Diese Erkenntnis ist in diesem Blog nicht neu, daher mache ich es mir einfach und gebe sie diesmal in den Worten eines Berkeley-Profs wider.

(Reich, 70, ist Pro­fes­sor für Po­li­tik­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­ty of Ca­li­for­nia in Ber­ke­ley und zählt zu den ein­fluss­reichs­ten In­tel­lek­tu­el­len der USA. Er war Ar­beits­mi­nis­ter im Ka­bi­nett von Bill Clin­ton und ist mit Hil­la­ry Clin­ton seit Studienta­gen be­freun­det. Reich be­fasst sich seit Jahr­zehn­ten mit dem Bedeutungsver­lust der ame­ri­ka­ni­schen Mit­tel­schicht.)

SPIEGEL: Wir sind auf dem Weg zu­rück in eine Klas­sen­ge­sell­schaft?

Reich: Lei­der be­we­gen wir uns wirk­lich rück­wärts, ja. Die Un­gleich­heit bei Ver­mö­gen wächst stän­dig, aber das noch grö­ße­re Pro­blem ist die Ein­kom­mens­ver­tei­lung.
SPIEGEL: In den USA nimmt das obers­te Pro­zent der Ge­sell­schaft über 20 Pro­zent des jähr­li­chen Ge­samt­ein­kom­mens mit nach Hau­se. Wie konn­te es so weit kom­men? Der Trend zeich­net sich doch seit Jahr­zehn­ten ab.
Reich: Bei den Ver­mö­gen kon­zen­trie­ren sich so­gar über 40 Pro­zent beim obers­ten Pro­zent. Aber bis­lang wur­de nichts ge­gen die­se Ent­wick­lung un­ter­nom­men, weil wir sie ei­ner­seits nicht rich­tig ver­stan­den ha­ben und die Men­schen an­de­rer­seits im­mer neue Wege ge­fun­den ha­ben, sie aus­zu­glei­chen. In den Sieb­zi­ger- und Acht­zi­ger­jah­ren fin­gen die Frau­en an zu ar­bei­ten und brach­ten ein zwei­tes Ein­kom­men, ab den Neun­zi­ger­jah­ren ha­ben die Men­schen im­mer mehr Stun­den pro Wo­che ge­ar­bei­tet und zu­letzt dann ein­fach Schul­den ge­macht.
SPIEGEL: Die Mit­tel­klas­se hat sich also über Jahr­zehn­te selbst be­lo­gen?
Reich: Ge­nau, erst mit der Welt­fi­nanz­kri­se hat die Öffent­lich­keit ge­merkt, was für ein rie­si­ges Pro­blem die Un­gleich­heit ist. Die Ban­ken wur­den ge­ret­tet, aber Mil­lio­nen stan­den ar­beits­los und ohne Re­ser­ven auf der Stra­ße. Plötz­lich dach­ten vie­le: Das Spiel ist ma­ni­pu­liert.
[…..]
SPIEGEL: Die meis­ten Ame­ri­ka­ner scher­ten sich bis­lang we­nig um ih­ren Ein­fluss und die Be­vor­zu­gung der Rei­chen, so­lan­ge sie das Ge­fühl hat­ten, es selbst und aus ei­ge­ner Kraft nach oben schaf­fen zu kön­nen.
Reich: Ja, und das hat sich ge­än­dert. Frü­her sag­ten die Leu­te: Mir ist egal, was die Mil­li­ar­dä­re ma­chen, ich will selbst ei­ner wer­den. Seit der Fi­nanz­kri­se aber fürch­ten vie­le Ame­ri­ka­ner, dass es ih­ren Kin­dern schlech­ter ge­hen wird als ih­nen selbst. Sie glau­ben nicht mehr an die wich­tigs­te ame­ri­ka­ni­sche My­tho­lo­gie: den Auf­stieg vom Tel­ler­wä­scher zum Mil­lio­när.
SPIEGEL: Was ist mit der Grund­re­gel der Leis­tungs­ge­sell­schaft: Wenn ich nur hart ge­nug ar­bei­te, stei­ge ich un­wei­ger­lich auf?
Reich: Die Leis­tungs­ge­sell­schaft ist nur noch ein My­thos. Vie­le Men­schen ar­bei­ten Voll­zeit oder ha­ben so­gar zwei Jobs – und sind trotz­dem arm. Und sie den­ken dann: Ich bin nicht gut ge­nug. Wäh­rend der CEO, der 20 Mil­lio­nen Dol­lar macht, sich für ein Ge­nie hält. Das ist doch Wahn­sinn.
SPIEGEL: Gleich­zei­tig kön­nen vie­le Men­schen gar nicht so viel ar­bei­ten, wie sie wol­len: Sie ste­cken in un­ter­be­zahl­ten Teil­zeit­jobs fest.
Reich: Auch die­ses Pro­blem ist neu. In­zwi­schen be­steht ein Drit­tel des ame­ri­ka­ni­schen Ar­beits­mark­tes aus Teil­zeit­jobs, un­frei­wil­lig Selbst­stän­di­gen und schlecht be­zahl­ten Dau­er­prak­ti­kan­ten, die von Mo­nat zu Mo­nat le­ben. Das führt zu gro­ßer Un­si­cher­heit. Und bald wird der hal­be Ar­beits­markt so aus­se­hen.
(DER SPIEGEL 06.08.2016)

Und nun zur Impudenz des Monats Oktober 2016.

Den Titel bekommen die US-Millennials, die aus Desinteresse an Politik den Durchmarsch der GOPer und Teebeutler erst möglich gemacht haben.

Wie die britischen Altersgenossen beim Brexit sind die Amerikaner dabei sehenden Auges in die Katastrophe zu schlittern, weil sie zu doof und zu faul sind jetzt einmal eine richtige Entscheidung zu treffen.

Felix von der Laden, 22, Youtuber aus Reinbek bei Hamburg hat fast drei Millionen Follower. Das brachte das ZDF auf die Idee ihn einmal quer durch die USA zu jagen, um dort mit seinen Altersgenossen über die Präsidentschaftswahl zu sprechen.

Wenig ärgerlich ist die Erkenntnis, daß die gleich am Anfang besuchten „Farm Boys“ aus Kansas, drei Youtuber, Greg (25), Nathan (22), and Kendal (20) Peterson, die mit ihren Songs berühmt wurden und ansonsten damit beschäftigt sind Kuhscheiße zu schippen, vorhaben Donald Trump zu wählen, weil sie mit ihren landwirtschaftlichen Erträgen hadern.

Wirklich schlimm sind aber die eher linken jungen Amerikaner, die Felix von der Laden besucht.
Kalifornische Alternative beim Burning-Man-Festival, Junge Schwarze in den zerfallenden Randbezirken Detroits und eine Gruppe LGBTIs in Orlando beim „Pulse“: Alle sind angekotzt von Washington.
Aber wenn man den Angaben der jungen Schwulen und Lesben in Florida glaubt, wählen überhaupt nur 20% von ihnen.


Ja sicher ist noch nicht alles gut für LGBTIS, Schwarze und Ökos, für sozial Engagierte und Waffengegner in Amerika.
Aber so zu tun, als gäbe es gar keine Fortschritte ist vollkommen absurd.
Deutschland hängt mittlerweile bei den Homorechten deutlich hinterher.
Und Ihr Schwachköpfe riskiert Trump, der dann die Uhr zurückdreht und das Geld nur noch zu den Milliardären schaufelt, weil Ihr nicht recht Lust habt zu wählen und wie 2010 durch Faulheit die crazy Typen wie Cruz und Bachmann den Kongress übernehmen lassen habt?

So viel Dummheit muß eigentlich betraft werden.