Neulich sah ich auf dem Nachhauseweg im Vorbeifahren aus dem Augenwinkel einen schwer bepackten Nachbarn mit seiner Gehhilfe an einer Bushaltestelle im Regen stehen.
Natürlich hielt ich mit quietschenden Reifen an, setze zurück, riss die Beifahrertür auf; ‚immer rein mit Ihnen, ich bringe Sie nach Hause!‘. Es entwickelte sich ein herrliches Lästern über den Supermarkt-Wahnsinn in den Zeiten des Lockdowns, wenn auch noch irgendein Feiertag droht.
Leider sind große Teile der Bevölkerung zu urbanen Preppern mutiert und geraten in prophylaktische Panik. Ich mutmaße, in jedem Haushalt lagern noch ein paar Tausend Reserve-Rollen Klopapier, sowie einige Zentner Nudeln, aber es gibt so viel anderes, das einem ausgehen könnte, über den enormen Zeitraum von 24 Stunden, wenn so ein Feiertag oder Sonntag droht.Über die langen Schlangen vor Lebensmittelgeschäften ärgere ich mich nicht so sehr; schließlich liegt es an einem selbst die Stoßzeiten zu vermeiden. Aber das planlose Verhalten all der verblödeten Kunden zerrt an den Nerven.
Streng nach Murphys Law schleppen junge Mütter ihre Kleinkinder offenbar besonders gern in die Läden, wenn diese gerade schwer erkältet sind und alles zurotzen. Findet sich eine enge Stelle zwischen den Regalgängen, kann man versichert sein, daß sich genau dort jemand mit seinem Einkaufswagen platziert, um erst einmal zu telefonieren. Ist von zehn Kältetüren am Yoghurt-Regal gerade eine blockiert, weil ein Kunde dort sämtliche MHDs der Erdbeerspeisen kontrolliert, muss der nächste Einkäufer natürlich genau auch an die Tür, statt erst mal irgendetwas anderes in den Wagen zu laden.
Besonders liebe ich die Schlangen an der Käsetheke. Da gab es schon vor der Pandemie gern mal Wartezeit. Währenddessen tippen die Käseliebhaber eifrig auf ihren Klugtelefonen, um dann völlig überrascht zu sein, wenn sie plötzlich dran kommen. Nun muss erst mal überlegt werden, was man vielleicht kaufen könnte. Es ist dasselbe Prinzip wie an der Kassenwarteschlange. Da stehen sie 15 Minuten sinnlos rum, um wenn sie dran sind, zu beginnen nach ihrem Portemonnaie zu suchen, damit alle anderen noch mal extra Wartezeit aufgebrummt bekommen.
An dem Tag war vor mir eine dieser Quasselstrippen dran, die erst zwei Scheiben fettarmen jungen Gouda verlangte (drei Fehler auf einmal! Käse kauft man nicht in Scheiben, Gouda muss länger reifen und fettarm schmeckt ohnehin nach nichts) und dann aber ausführlich einen Schwank aus ihrem Leben erzählte, bevor sie darüber sinnierte, ob sie einen weiteren Wunsch hätte.
Die Käsebedienerin rollte schon die Augen und grimassierte mir zu. Aber die Kundin vor mir war einfach nicht in Gang zu bekommen, konnte sich nicht entscheiden und fing nun auch noch an, von allen möglichen verschiedenen Sorten zu probieren (was während der Pandemie ohne großer Mist ist, weil die Bedienung jedes Mal neue Handschuhe anziehen musste und ein Papptellerchen neben die Theke stellen musste, da sie ihr das 2g-Stückchen nicht wie früher direkt auf einem Zahnstocher geben konnte).
Die Schlange hinter ihr wurde natürlich immer länger, aber es gibt diese Leute, die so durch und durch egoistisch sind, daß sie nichts anderes wahrnehmen.
Ich probiere auch gern neue Sorten Käse, aber nie, indem ich Kostprobe vor Ort verlange, sondern ich kaufe ganz regulär ein kleines Stück und probiere später zu Hause bei Raumtemperatur, ob ich den mag. Ich quatsche auch gern mit den Damen im Verkauf, kenne alle beim Namen und frage nach deren Blagen oder Ehemänner, wenn ich weiß, daß die irgendein Problem hatten. Aber natürlich nur, wenn gerade keiner hinter mir steht.
In diesem Fall dachte ich wirklich, daß ich gleich ausraste, erzählte ich meinem Nachbarn auf dem Beifahrersitz brühwarm. Ich war kurz davor das Huhn anzugrölen „wenn du noch ein Stück fettarmen Schnittkäse probierst, ziehe ich die diesen zehn-Kilo-Laib Parmesan über deine häßliche Rübe!“
Er lachte und meinte, genau das hätten ich mal tun sollen. Aber nein, entgegnete ich, ‚dazu bin ich wirklich zu gut erzogen; das denke ich nur; ich schreie keine fremden Leute an‘.
Da wurde er verblüffend erst; er sei auch zur Höflichkeit erzogen, aber manchmal helfe das einfach nicht weiter. Es gebe Menschen, die begriffen es nie, wenn man mit Höflichkeit käme; da müssten grobe laute Wort her.
Ich bleibe bei meiner Ansicht; die Gesellschaft wird nicht rücksichtsvoller, wenn man im Alltag anfinge laut rumzubrüllen. Das tun schon genug Menschen.
Anders sieht es allerdings in der politischen Welt in den Zeiten der Social Media aus.
In den USA sind die Positionen zwischen GOP und den Demokraten so festgefahren, daß sich Parlamentsdiskussionen nahezu erübrigen. Die GOPer sind der Realität so vollständig entrückt, daß sie von Fakten und rationalen Argumenten nicht erreicht werden. Sie lügen ganz bewußt, ungeniert und auch noch für jedermann offensichtlich.
Man erinnere sich an den Abgeordneten Andrew Clyde, der sich während den blutigen Umsturzversuchs vom 06.01.2021 vor Angst fast in die Hose machte, mithalf die Türen zu verbarrikadieren und sich schließlich zwischen den Sitzreihen versteckte.
Anschließend schwenkte er auf die Trump-Parteilinie und erklärte voller Emphase, es habe nie eine „Insurrection“ gegeben, das wäre nur ein harmloser legaler Protest, wie ein „tourist visit“ gewesen.
Ganz offensichtlich kann man sich mit solchen Abgeordneten, die so irre, verlogen und aggressiv wie diese US-Republikaner sind, jede Parlamentsdebatte ersparen.
Sie folgen nur noch ihrem Cult-leader Trump und sind bereit sich dafür vollständig der Lächerlichkeit preis zu geben.
Die Interessen der normalen US-Bürger sind ihnen ohnehin völlig schnuppe.
Nachdem sich gestern 90% der republikanischen Abgeordneten
sogar auf Trumps Geheiß verweigerten die Insurrection vom 06. Januar, durch die
über 100 Polizisten verletzt und zwei Polizisten letztlich vom Trump-Mob
getötet wurden, überhaupt untersuchen zu lassen, platzte dem demokratischen
Abgeordneten Tim Ryan aus Ohio der Kragen!
HOLY COW, er konnte diese Heuchelei seiner republikanischen Kollegen nicht mehr
ertragen und schrie los.
Natürlich wird auch Ryan keinen einzigen der GOPer zum Einlenken bringen; weil diese nicht mehr in der Realität leben.
Aber immerhin erregt er damit so viel Aufmerksamkeit, daß sein kurzer Ausbruch nun heute überall in den sozialen Medien verbreitet wird.
Möglicherweise, mit ganz viel Glück, erreicht es doch ein paar der indifferenten Nichtwähler, so daß sie nächstes mal demokratisch wählen.