Ich bin Pazifist. Selbstverständlich.
Ich schlage niemand, wende niemals körperliche Gewalt an.
Ich kann mich noch nicht mal an Hollywood-Schlägereien
erfreuen und springe nicht auf den Comic-Brutalhumor à la Asterix an.
Es ist nicht sinnvoll Übeltäter körperlich zu züchtigen.
Selbstverständlich verachte ich insbesondere die christliche
Kirche für ihre Gewaltverherrlichung; in der Bibel wird das Verprügeln von
Kindern vielfach gepriesen; gar als ein Zeichen der „Liebe“ betrachtet. Daher
gibt es die entsetzliche Gewaltkriminalitätsgeschichte von christlichen
Erziehungsanstalten.
Mich befällt keine post-mortem-Milde angesichts der
Georg-Ratzinger-Beerdigung.
[…..] Ratzinger, der von 1964 bis 1994 die Regensburger Domspatzen geleitet
hatte, war am vergangenen Mittwoch im Alter von 96 Jahren gestorben. Sichtlich
bewegt und mit brüchiger Stimme verlas der Privatsekretär des emeritierten
Papstes, Georg Gänswein, einen Dankesbrief Benedikts.
Der 93-Jährige erinnerte mit herzlichen Worten an den jüngsten Besuch
bei seinem Bruder und dankte dafür, "dass ich in den letzten Tagen seines
Lebens noch einmal mit ihm zusammen sein durfte". Mit einem
"Vergelt's Gott, lieber Georg", verabschiedete er sich. Gänswein
kamen beim Lesen die Tränen. […..]
Ratzinger hatte über Jahrzehnte extrem cholerisch und
sadistisch auf kleine Jungs eingeprügelt, geriet beim Schlagen von 8-Jährigen
oder 9-Jährigen derart in Rage, daß ihm dabei schon mal das Gebiss aus dem Maul flog.
Der Mann bereute bis ins 97ste Lebensjahr niemals seine
Taten und weine ich ihm garantiert keine Träne hinterher.
Ich bin auch nicht dafür Täter wie Ratzinger als
Vergeltungsmaßnahme zu verprügeln, weil man damit auf sein niedriges
moralisches Niveau hinab sänke und sicher auch keinerlei Einsicht damit
verursacht.
Es hat keinen Sinn Übeltäter zu verprügeln, weil sie dadurch
nur noch bösartiger werden.
Wer Kinder und Frauen verprügelt, wurde mit extrem hoher
Wahrscheinlich als Kind selbst geschlagen und leidet an irgendeiner Form von
Komplex.
Ein von Linken verprügelter Nazi wird niemals aufgrund
dieser Erfahrung von seiner Ideologie abschwören und sich zu einem liberalen,
toleranten Menschen entwickeln.
Selbst im extremsten Fall, wenn bösartige Gewalttäter
totgeschlagen werden, können sie zwar selbst keinen Schaden mehr anrichten,
aber sie werden womöglich zu Märtyrern und somit noch gefährlicher.
Albrecht Höhler (* 30. April 1898, † 20. September
1933), Tischler, KPD-Mitglied aus
Berlin-Mitte war des Roten Frontkämpferbundes (RFB).
Im Februar 1930 wollte Höhler dem berüchtigten und brutalen
NSDAP-Sturmführer eine „proletarische Abreibung“ verpassen, nachdem seine
kommunistische Vermieterin immer mehr in Angst vor dem bewaffneten Wessel
geriet.
Statt der geplanten ordentlichen Tracht Prügel kam es aber
zu einem Handgemenge, in dem der 22-Jährige Nazi seine Waffe zog und
schließlich von Höhler erschossen wurde.
Wie sich herausstellte wurde Wessel aber post mortem noch
viel gefährlicher. Von Adolf Hitler zum „Märtyrer der Bewegung“ verklärt und im
ganzen Nazireich verehrt wurde insbesondere sein Horst-Wessel-Lied zu einer
zweiten deutschen Nationalhymne.
[….] Kam’raden, die Rotfront und
Reaktion erschossen,
Marschier’n im Geist
In unser’n Reihen mit
Die Straße frei
Den braunen Bataillonen
Die Straße frei
Dem Sturmabteilungsmann!
Es schau’n aufs Hakenkreuz voll Hoffnung schon Millionen [….]
Marschier’n im Geist
In unser’n Reihen mit
Die Straße frei
Den braunen Bataillonen
Die Straße frei
Dem Sturmabteilungsmann!
Es schau’n aufs Hakenkreuz voll Hoffnung schon Millionen [….]
So grölten es zig Millionen Deutsche von 1933 bis 1945.
Hätte Höhler es mal lieber mit Argumenten versucht!
Aber mit Nazis lässt sich bekanntlich schlecht reden, weil
ihre Ideologie einem grundsätzlich irrationalen Hass entspringt.
Das weiß heute jeder, der in den sozialen Medien versucht
hat Aluhüte, Wutbürger, Impfgegner, Homöopathie-Anhängern, Trumpfans, Klimawandelleugnern,
Creationisten, Flacherdlern, Geozentristen oder fundamentalistische Gläubige
mit rationalen Fakten zurück in die Spur zu bringen.
Ich versuche es dennoch immer wieder und scheitere jedes
Mal.
Erst kürzlich verstrickte ich mich - leider – in eine Diskussion mit einem
US-Republikaner, der hartnäckig behauptete Trump habe bei der US-Wahl von 2016
ein Vielfaches der Stimmen von Hillary Clinton errungen.
Das wäre doch leicht zu widerlegen, dachte ich zunächst.
Immerhin bekam Clinton fast drei Millionen Stimmen mehr als Trump. Und genau so
berichteten es auch alle seriösen Medien und staatlichen Stellen.
Trumpfanatiker haben sich aber so weit von der Realität
entfernt, daß sie jede erdenkliche Quelle, die ihrem Wahn widerspricht, einfach
als „Fake News“ verwerfen. Auch in dem Fall scheiterte ich, obwohl ich eine Bombardement
von konservativen Quellen, die die „popular votes“ korrekt wiedergaben, auf ihn
niederregnen ließ. Für jeden einzelnen Link wurde ich nur ausgelacht.
In solchen Momenten versteht man die Albrecht Höhlers dieser
Welt.
Herbert Wehner (1906-1990), der ebenfalls sein Leben lang
aktiv Nazis bekämpft hatte, führte übrigens noch als Abgeordneter im Jahr 1950
eine erfolgreiche proletarische Abreibung durch.
Der lebenslang überzeigte Nazi und Antisemit Wolfgang Hedler
(1899; † 1986) sagte bei seinem Entnazifizierungsverfahren im Jahr 1949 aus:
„Ob das Mittel, die
Juden zu vergasen, das gegebene gewesen ist, darüber kann man geteilter Meinung
sein. Vielleicht hätte es andere Wege gegeben, sich ihrer zu entledigen.“
Er wurde daraufhin der Verleumdung angeklagt, aber 1950 von
Kieler Richtern, die zufällig selbst alle ehemalige NSDAP-Mitglieder waren,
freigesprochen.
Hedler wurde für die „Deutsche Partei“ 1949 Bundestagsabgeordneter
und bei der Bundestagssitzung am 10. März 1950 von Bundestagspräsident Erich
Köhler wegen antisemitischer Hetze des Plenarsaals verwiesen.
CDU-Chef-Adenauer, dessen Partei selbst von Ex-Nazis
durchsetzt war und später vom NSDAP-Mitglied Kiesinger (auch der langjährige
CSU-Chef Strauß war zuvor NSDAP-Mitglied gewesen) geführt wurde, fand nichts
dabei sich von Hedlers DP zum Kanzler wählen zu lassen. Erst enormer
öffentlicher Druck führte dazu Hedler aus der Partei zu werfen.
[…..] Der Parteiausschluss hält den damals 50-jährigen Hedler nicht davon ab,
uneingeladen an der Bundestagssitzung am 10. März teilnehmen zu wollen. Als ihn
Präsident Erich Köhler von der Sitzung ausschließt, weigert sich Hedler, den
Sitzungssaal zu verlassen und muss des Saales verwiesen werden. Mit ihm verlässt
die gesamte DP-Fraktion das Plenum. Als Hedler kurze Zeit später trotz
Anweisung den Bundestag immer noch nicht verlassen hat, sondern im Ruhesalon
ein Interview gibt, in dem er weiter gegen Widerstandskämpfer*innen hetzt, wird
er von dem SPD-Abgeordneten Rudolf Ernst Heiland wüst beschimpft.
Mehrere SPD-Abgeordnete, darunter Herbert Wehner, Alfred Gleißner und
Ernst Roth, kommen ihm zu Hilfe. Sie zerren Hedler aus seinem Sessel, stoßen
ihn durch die Tür und drängen ihn durch die Gänge des Parlaments. Dabei stürzt
Hedler durch eine Glastür und erleidet leichte Verletzungen. Wehner und Heiland
werden dafür für eine Woche von den Sitzungen des Bundestags ausgeschlossen und
später von einem Zivilgericht zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt.
Auch den SPD-Parteivorstand beschäftigen die Ereignisse. „Der
Freispruch Hedlers habe Deutschland mindestens 100 Millionen Dollar
Marshallhilfe gekostet“, rechnet Parteichef Schumacher den Genoss*innen bei
einer Sitzung wenige Tage nach dem Vorfall im Parlament vor. So berichtet es
der „Neue Vorwärts“ am 17. März 1950. „Wir müssen den früheren Nazis sagen,
dass der Neofaschismus sie an der sozialen Wiedereinordnung verhindert“,
fordert Schumacher laut dem Bericht, der mit „Deutsche Demokratie in Gefahr“
überschrieben ist. [….]
Jeder Sozialdemokrat wird verstehen, daß fünf Jahre nach dem
Ende Hitlers ehemalige Widerstandskämpfer wie Brandt oder Wehner nicht gut auf
die Nazis zu sprechen waren, die immerhin die SPD verboten hatten und deren Mitglieder
ins KZ warfen und/oder töteten.
Welcher Sozialdemokrat hätte es 1950 gelassen ertragen
Abgeordnete wie Hedler den Holokaust preisen zu lassen?
Auch als zutiefst überzeugter Pazifist kann ich als Linker
doch nicht anders als mich a posteriori, auch nach 70 Jahren, über Wehners
Aktion klammheimlich zu freuen.
Wehner war von 1949 bis 1983 ununterbrochen in Hamburg
gewählter Bundestagsabgeordneter. Das macht mich als Hanseaten stolz.