Montag, 11. September 2017

Merkel mit Pech im Glück.



Sie hat es so leicht, unsere Kanzlerin.
Etwas wolkig daherreden, je nach Umfragedaten die Themen anderer Parteien besetzen und dann aufgrund des grundsätzlichen Denkphlegmas der Deutschen wiedergewählt werden.
Möglich dank der freundlichen Mithilfe von Linken, Grünen und SPD, die allesamt unfähig sind das träge Wahlvolk für eine Alternative zu begeistern.

Was für ein Glück es doch ist Merkel zu sein.
Darin besteht ein grundlegender Unterschied zwischen Konservativen und Sozis, die immer Pech haben und sich mehr anstrengen müssen.

CDU-Wähler mögen eher provinzielle, gemütliche Typen wie Merkel und Kohl, die irgendwie jovial rüberkommen und sie nicht mit zu vielen neuen Ideen verwirren.
Zweitens wollen sie, daß ihre Leute regieren und sind froh, wenn sie regieren, weil die anderen nicht regieren. Nach den Wahlen kann man wieder in sein Phlegma verfallen und braucht sich nicht mehr um Politik zu kümmern, weil Kohl/Merkel soweit wie möglich eh alles beim Alten lassen.
Für CDU-Kandidaten ist zu viel Charisma eher schädlich. Charismatiker werden argwöhnisch beäugt. Für CDUler ist es auch überhaupt nicht nötig schlagfertig zu sein oder gar als Rhetor zu brillieren. Schwache bis durchschnittliche Redner wie Merkel können immer denselben inhaltsfreien Sermon von sich geben, um die Anhänger gemütlich zu sedieren.

Sozis sind viel schwerer zufrieden zu stellen. Wir wollen eben nicht nur, daß irgendein SPDler regiert, sondern gucken dem auch noch ständig auf die Finger, ob der alles richtig macht.
Sozis wollen begeistert werden und auf Minister und Kanzler gucken, die brillant sind, vordenken und wirklich etwas verbessern.

Daher sind wir immer gut gefahren mit blitzgescheiten hoch-charismatischen Typen, die schon kilometerweit nach vorn denken, sich mit Künstlern und Philosophen verständigen. Die vorangehen und an denen man sich reiben kann.
Wehner, Brandt, Schmidt, Engholm, Schröder, Lafontaine. Alles mitreißende Redner mit extrem wachen Geistern, die weit über ihren Tellerrand hinausdenken.

Es ist ein Fehler, wenn Sozis personell auf Typen setzen, die in der CDU gut funktionieren.
Daher waren auch die eher wenig intellektuellen ausgesprochenen Provinz-Typen Scharping und Beck so schwache SPD-Vorsitzende.
Sie hatten zwar Fans an der Basis und wurden gewählt, aber nicht aus Begeisterung, sondern weil wir sie für solide und anständig befanden.
Schulz gehört auch in die Kategorie.
Im Ortsverein wird er sicher gemocht und man wird nicht wirklich gravierende Charakterschwächen an ihm finden.
Aber man fängt bald an zu nörgeln, latent unzufrieden zu sein.
Und auf der ganz großen Bühne, im Dialog mit Merkel geht er eben sang- und klanglos unter.
Schmidt, Lafontaine oder Schröder hätten das „Kanzlerduell“ an sich gezogen und Merkel provinziell aussehen lassen.

Merkel tut nichts und die R2G-Typen kommen nicht in Gang.

(…. ) Statt mutig für ihre Themen einzutreten, frönen Grüne ihrer frommen Kirchentags-Führung, sitzen mit der stramm rechten Hessen-CDU glücklich in einer Regierung, segnen Abschiebungen und sichere Drittstaaten ab, koalieren mit der CDU in BW und halten sich dabei auch noch prominenten Parteimitglieder wie OB Palmer, der in seinen xenophoben Äußerungen kaum von Frauke Petry zu unterscheiden ist.
Trittin und Habeck, die für echte Reformen und linke Politik stehen, wurden von der eigenen Partei kaltgestellt.
Stattdessen sitzen die Thüringer Top-Religiotin Göring-Eckardt und der CDU-affine Özedemir im Führerhäuschen.
„Der Cem“, wie er in der Partei genannt wird, versucht sich nun aus purer Verzweiflung mit Türkei-Bashing so profilieren und will die CSU rechts überholen, indem er den Doppelpass abschaffen will.

Grünen-Chef Cem Özdemir hält nichts davon, die doppelte Staatsbürgerschaft über Generationen zu vererben. Damit pflichtet er einem Vorschlag von Thomas de Maizière bei. […..]

Als Opposition gegen die GROKO oder gegen die CDU/CSU finden die Grünen gar nicht statt.
Ihr drögen Spitzenkandidaten, die man schon seit immer kennt, sitzen unterdessen in Kirchengremien oder fangen ohne Not an auf Minderheiten einzukloppen und sich an die CDU zu kuscheln.

Wieso sollte man die im Moment auch wählen?
Die brauchen offensichtlich einen Dämpfer, um ihr Personalproblem zu lösen.
Da müssen dringend einige in Rente. (….)

[….] Grüne und Linke haben als Opposition versagt. Auch deshalb konnte die AfD aufsteigen. [….] Nun wird die Republik wohl am 24. September zum Sechsparteienland, wenn die AfD in den Bundestag einzieht. Die Mehrheitsbildung wird dann zur Kunst. Aber ein grundsätzliches Problem ist die Zahl sechs nicht; ein Problem ist das, wofür die AfD steht.
Aus der Zeit, in der die Republik ein Dreiparteienland war, ist die polit-psychologische Bedeutung der drittgrößten Partei geblieben. Sie ist zwar nicht mehr, wie früher, das Zünglein an der Koalitions-Waage. Es entscheidet nicht mehr, wie früher, die drittgrößte Partei, wer regiert. Aber sie bestimmt die Tonart wesentlich mit, in der in Deutschland Politik gemacht wird. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob das die Linke, Grüne, die FDP oder AfD tun. Wenn es die AfD wäre? Es wäre ein Unglück für das Land, weil das die Ton- und Themensetzung der Politik verändert. Schwarz-Rot-Gold? Das Gold würde bräunlich.
Üblicherweise wird der bisherige AfD-Erfolg der von Angela Merkel geführten großen Koalition in die Schuhe geschoben. Union und SPD hätten durch eine kaum unterscheidbare Programmatik die Lust auf eine scharfe Alternative geweckt. Das übersieht, dass die AfD schon vor vier Jahren, nach einer kleinen Koalition aus Union und FDP, beinahe in den Bundestag gekommen wäre. Und das übersieht vor allem, dass die parlamentarische Opposition, also Grüne und Linke, es in den vergangenen vier Jahren nicht geschafft haben, Hort und Hauptanziehungspunkt der Kritik an der Bundesregierung zu sein. Das Wachsen der AfD ist auch ein Ergebnis des Versagens der anderen kleineren Parteien. [….]
Nun sind aber viele Ossis stinkig und das geht teilweise zu Lasten der CDU.

[…..] In Teilen Ostdeutschlands hat sich eine blinde Wut festgesetzt. Auf die Kanzlerin, den Kapitalismus, ja sogar die Kirche. […..]
Das politische Engagement, mit dem der Osten Deutschlands dieser Tage größer auffällt, ist ein betrübliches. Am lautesten und hässlichsten erfährt dies die Bundeskanzlerin. Die Berichte von den Wahlkampfauftritten Angela Merkels im Osten gleichen sich zuweilen fast bis aufs Wort, nur die Ortsmarken und Bundesländer ändern sich: Pfiffe und Tomatenwürfe in Wolgast, Mecklenburg-Vorpommern. Pfiffe und Geschrei in Bitterfeld, Sachsen-Anhalt. Pfiffe und tätliche Übergriffe in Vacha, Thüringen. Pfiffe und Hitlergrüße in Finsterwalde, Brandenburg. Pfiffe und Hasstiraden in Torgau, Sachsen.  [….]


Das wäre natürlich auch ein spannendes Bundestagswahlergebnis, wenn eine leicht geschrumpfte CDU/CSU, die einige Prozentpunkte an griesgrämige AfD’ler verlor, zu schwach für eine kleine Zweierkoalition wäre.

Es blieben nur zwei Koalitionsoptionen; erstens Jamaika und zweitens Groko.
Während schwarz-grün und schwarzgelb Liebesehen wären, sind die anderen und wahrscheinlichen Optionen sehr schwierig.
Mit Merkel könnte jeder, aber die Lindner-FDP und die Grünen hassen sich wie die Pest.


Merkel würde garantiert eine verlässliche sanfte SPD lieber an ihrer Seite haben als die zankenden Grünen und Gelben.
Aber die SPD wird sich diesmal extrem zieren.
Eine dritte Groko unter Merkel wird die Basis nicht leicht absegnen.
2013 waren die Umstände noch gnädiger, da man  gegenüber 2009 etwas zugelegt hatte und außerdem die verhasste FDP loswurde.
Aber mit einem Stimmenrückgang aus einer Groko in die nächste Groko zu gehen wird viel schwieriger.

Sollte es so kommen; SPD mit Verlusten gegenüber 2013, AfD drittstärkste Partei, keine Zweikoalition außer der Groko rechnerisch möglich; hätte Merkel eben nicht den Luxus der freien Auswahl, sondern ein echtes Problem, weil sich keiner gern an sie binden würde.
Wäre ich in dem Fall die Grünen oder die SPD, würde ich etwas Großes von der Kanzlerin fordern; nämlich das Finanz- und das Innenministerium.
Das sind die Schlüssel zu einer Änderung der Politik.

Es ist nicht wahrscheinlich, daß man meinen Ratschlägen folgen wird, da der derzeit beliebteste Politiker Deutschlands – unfassbarerweise Sigmar Gabriel – unbedingt Außenminister bleiben möchte, die CSU Amok liefe bei einem rotgrünen Flüchtlingsminister und außerdem niemand die „schwarze Null“ zum Amtsverzicht zwingen könnte.

Andererseits hätte Merkel in ihrer vierten Legislatur ein sehr großes Problem bei der Formung einer Kanzlermehrheit.
Zudem begreifen es vielleicht auch irgendwann Sozis und Grüne, daß es zwar Tradition ist als kleinerer Koalitionspartner das Außenamt zu fordern, aber anders als in den 60ern, 70ern und 80ern Außenpolitik längst im Kanzleramt gemacht wird und das weitaus bedeutendere Ministerium inzwischen das ist, in dem der Kassenwart sitzt.