Freitag, 17. November 2017

Übler Kater nach der Millionensause.



Wenn man sich selbst ganz fabelhaft findet und nur unter sich bleibt, wenn man völlig den Blick für alle anderen verliert, wenn man nur noch um sich selbst kreist und das eigene Empfinden, den eigenen Geschmack als allgemeingültigen Maßstab betrachtet, sein kontinuierliches um sich selbst Kreisen gar nicht mehr hinterfragt, kommt man zu ganz erstaunlichen Selbsttäuschungen.

"Der Bedarf an ethischer Orientierung ist deutlich gestiegen"
(Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender, auf der EKD-Synode in Bonn.)

 Unser Kirchen-Heinrich. Verwirrt wie eh und je.
Nur acht Prozent der Deutschen beschäftigt der Sinn des Lebens – folgt man einer Untersuchung des Religionssoziologen Detlef Pollack.
Die Kirchen haben ein schlechtes Produkt. Immer weniger Menschen möchten die exkludierende Ideologie „Religion“ kaufen. Sie verlieren rapide und kontinuierlich Marktanteile, lassen aber den Gedanken, daß ihr offeriertes Produkt nicht mehr zeitgemäß sein könnte, nicht zu.
Angesichts der Hunderttausenden Kirchenaustritte jedes Jahr reagieren alle Toppkleriker gleich.
Die Menschen sehnten sich nach Sinn, hätten einen großen Bedarf nach Spiritualität und wären nun auf der Suche. Und erst nach diesen stoisch aufgesagten Postulaten kommt die Asche auf das Haupt. Man müsse sich fragen, wie die Kirchen ihre Kommunikation verbessern könnten, wie sie wieder attraktiver werden könnten, damit die verirrten Schäfchen auf der Suche wieder zu ihnen finden.

Das Thema Reformation hat unerwartet viele Menschen erreicht.
(Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender, auf der EKD-Synode in Bonn.)

Religioten eben. Die Lutherdekade, das ganze Jahr 2017 im Dauerfeiermodus hatte eins gezeigt. Die Menschen interessieren sich nicht für die Kirche.
Die Veranstaltungen waren extrem schlecht besucht, es herrschte gähnende Leere bei den Gottesdiensten.

 (….) Die Kirche in Hamburg ist so gut wie tot – und das ist auch gut so.

In Hamburg ist die Kirche marginalisiert.
Katholiken finden traditionell ohnehin kaum statt.
Gut so, denn abgesehen davon, daß niemand mehr die Predigten der hanseatischen Pfaffen hören will, sind sie auch noch unangenehm. (….)
So viel Geld und so viel Werbung für die Kirchen und dennoch laufen die Mitglieder zu Hunderttausenden davon.

Zwei Kardinalfehler der evangelischen Kirche werden nie erwähnt; auch in Peter Wenigs endlosem Artikel kein Wort davon:

Der protestantische Held Martin Luther war ein besonders widerliches antisemitisches, frauenfeindliches, obrigkeitshöriges Arschloch.
Dieser mittelalterliche Hassprediger wird nun ausgerechnet von Typen wie Käßmann und Bedford-Strohm verteidigt, die selbst den kirchenfreundlichsten Journalisten auf die Nerven gehen mit ihrer grenzenlosen Naivität, ihrer stupiden Selbstbeweihräucherung und eklatanten Umgehung der Wahrheit. (…..)

Insbesondere EKD-Christen des Schlages Bedford-Strohm, Irmgard Schwätzer, Kathrin Göring-Kirchentag, Margot Käßmann und Frank-Walter Steinmeier nehmen nicht nur die Realität nicht wahr, sondern sie phantasieren sich ein enormes Interesse nach Metaphysik und Spiritualität herbei.
Ihr Produkt, ihre Botschaft müsse nur neu verpackt werden; das Interesse wäre da.

[……] Schichtarbeit und Akademiker, Linke und Rechte, Junge und Alte treffen in der Kirche, im Gottesdienst aufeinander und entdecken ihre Gemeinsamkeiten. Das ist das Ideal.
Aus dem Reformationsjubiläum gehen die evangelischen Christen mit neuer Verve hervor. Innerkirchlich wie gesellschaftlich wollen sie den gewonnenen zusätzlichen Schwung für Neuanfänge nutzen. [….]

Erstaunlich zu sehen wie verwirrt die Jungs und Mädels von der Religiotie sind.
Das Gegenteil ist nämlich wahr.
EKD ist nicht temporär out, weil die Jugend zufällig gerade einem anderen Spiritualtrend nachläuft, sondern sie ist auf dem Abstellgleis, weil das Christentum in einer zunehmend aufgeklärten, gebildeten und informationsfreien Gesellschaft als überflüssiges raffgieriges Hypokrisie-Projekt begriffen wird, ohne das man auf jeden Fall besser lebt.

In Großstädten will kaum noch einer etwas mit der Kirche zu tun haben und wer wie ich alle religiotischen Fesseln abgelegt hat, ist nicht auf der Suche nach neuen Fesseln.
Wer das Glück hat frei von Religion zu leben, genießt es.  


Das ist das fundamentale Missverständnis alles Religiösen, die offensichtlich immer noch meinen, ohne Religion fehle einem etwas. Daher wären Atheisten auf der Suche nach einem Ersatz.
Das Gegenteil ist der Fall! Man gewinnt durch Religionsfreiheit hinzu. Kunst, Wissenschaft und gedankliche Freiheit machen uns Konfessionslose reicher, als es jeder geistlich Eingeschränkte je sein wird.

(….) Es gibt eine einzige Kategorie-C-Kirche in meiner Umgebung und ich kann es gar nicht erwarten bis sie schließt. Ich gehöre nämlich einerseits zu den 99,5% der Hamburger, die nicht sonntags in einen Gottesdienst gehen und dennoch von dem unerträglichen Glockengeläut geweckt werden. Was für eine UNVERSCHÄMTHEIT der Kirchen immer wieder die Masse der Nichtgläubigen aus dem Bett zu jagen. So macht man sich unbeliebt.
Außerdem fehlt es mir an Doofheit, um mich über das Verschwinden der Kirchen zu grämen. Je mehr sich die Religionen zurückziehen, desto besser für die Gesellschaft.

Atheisten sind klüger als Christen, sie sind mitfühlender, lehnen Rache und Folter stärker ab. Kinder von nichtreligiösen Eltern teilen eher als Christen
und erwärmen sich weniger für drakonische Strafen.
Religiöse Menschen schlagen ihre Kinder häufiger, während Atheisten generell friedlicher sind und auch niemals Terroranschläge verüben. Christen wählen weit überdurchschnittlich Trump.
Atheisten diskriminieren keine Schwulen und Frauen mit einem speziellen Arbeitsrecht, sie greifen keine dubiosen Staatsleistungen in Höhe von 600 Millionen Euro jährlich von den Bundesländern ab, sie belästigen ihre Nachbarn nicht mit Kirchenglocken oder Muezzin-Rufen. Atheisten sind aufgeschlossener gegenüber Minderheiten; sie verdienen mehr, sind besser gebildet.
Atheisten sind grundsätzlich toleranter als Christen; auch das ist in sich logisch, da Religionen prinzipiell exkludierende Ideologien sind. Jede Religion verhält sich zu anderen Religionen, Atheisten und Agnostikern nach dem Prinzip „Wir sind besser als die!“
Humanisten hingegen ist diese hierarchische und potentiell antagonistische Weltsicht fremd.
Humanisten würden die Aufnahme von Flüchtlingen nicht an Bedingungen knüpfen – wie es konservativen Christen leicht über die Lippen kommt: „Christliche Flüchtlinge sollten bevorzugt werden.“

Man muß also gar nicht die offensichtlichen kirchlichen Fehlleistungen – Sexskandale, Missbrauch, Prügel, Geldverschwendung, Protzsucht – in Betracht ziehen. Schon aus rein grundsätzlichen Überlegungen ist es absolut zu begrüßen, wenn die Kirchen schrumpfen; Mitglieder und Einfluss verlieren. (…..)

Die EKD konnte im Jahr 2017 einen hohen achtstelligen Betrag bei der öffentlichen Hand für ihre 365-Tage-Selbstbeweihräucherungsparty herauspressen.
Der Oberevangele fühlt sich offenbar so partytrunken, daß er im Größenwahn vor sich hin deliriert.

[….] Der Bedarf an ethischer Orientierung ist einerseits deutlich gestiegen. Wenigstens die Kirchen – so heißt es dann – mögen uns doch bitte den Weg weisen! Ebenso wahr ist aber auch: Gefährlich abgenommen ...  haben die angemessenen Formen des Umgangs miteinander im politischen Diskurs.“ [….]
(Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender, auf der EKD-Synode in Bonn.)

Es wird Zeit auszunüchtern, Herr Oberbischof.
Selbst der katholische Glaubenskollege Drobinski sieht da viel klarer.

[….]  Die evangelische Kirche sucht nach Strategien gegen den Mitgliederschwund - und tut sich schwer damit.
Was das Kirchenparlament sich nicht traut, macht jetzt eine Journalistin, Christiane Florin vom Deutschlandfunk, lustig, frech und ganz schön hart. Die Kirchen hätten es sich im Reformationsjahr zu einfach gemacht: "Zu wenig ringend, zu wenig ernsthaft, zu wenig geistesgegenwärtig", sagt sie. Sie hätten eine "Mischung aus Scheinriesentum und Selbstverzwergung" gezeigt, "Toleranz, miteinander reden, irgendetwas gegen die AfD und fürs Grundgesetz - das ist so anschlussfähig wie ein Playmobil-Luther." Bischöfe lächelten kritische Fragen weg, ein "verzweifelter Gute-Laune-Ton" mache sich breit. [….] Der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack erklärt den Synodalen, dass die These falsch ist, die Leute seien zwar nicht mehr in der Kirche, suchten aber trotzdem den Sinn: Nur acht Prozent der Deutschen würden oft über den Sinn des Lebens nachdenken, nur jeder Zehnte sehe sich selbst religiös auf der Suche. So gesehen sei die Kirche "schon seit langem nicht mehr die Herrin ihres Schicksals", könnten die schönen Erlebnisse des Jubiläums "nur sehr fragmentarisch" langfristig wirken. Der Bochumer Historiker Lucian Hölscher rät den Protestanten, den "Kampf gegen den Säkularismus" einzustellen, weil die Einteilungen von fromm oder atheistisch überholt seien. Vielmehr müsse die Kirche ihr Verhältnis zur säkularen Gesellschaft neu überdenken - sie sei mittlerweile "das Forum, vor dessen Augen sie sich bewähren" müsse. [….]