Dienstag, 18. März 2014

Unfreiwillige Einsichten


Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über die Politik „des Westens“ lachen.
Da jetten die Außenpolitiker „des Westens“ einem Hühnerhaufen auf Extasy gleich von Gipfel zu Gipfel, um dann neue Gipfel zu beschließen.

Getrieben werden sie allesamt von einer Politiktaktik, wie sich das Klein Fritzchen vorstellt. Sich im Sandkasten gegenseitig die Sandkuchen zu zertreten, scheint dagegen schon als gewieftes Vorgehen.
Der große böse Junge hat sich ein Schäufelchen genommen, das man selbst behalten wollte und nun droht man ihm an in Zukunft nicht mehr mit ihm zu spielen. Dabei wird ernsthaft erwartet, daß Putin eines Morgens aufwacht und folgende Gedanken durch seinen Kopf gehen:

„Oh wie traurig, Merkel und Obama mögen es nicht wenn ich mich in Simferopol engagiere. Wie schaffe ich es bloß, daß die EU wieder lieb zu mir ist?
Am besten ich ziehe mich hinter den Ural zurück, verspreche so was nie, nie, nie wieder zu tun und bitte in Brüssel demütig kniend um Vergebung!“

Lieber „Westen“, ich habe Neuigkeiten für Dich: Das wird nicht passieren!
Selbst wenn Ihr auch Sanktionen beschlösset, die Russland tatsächlich weh täten würde der Präsident des größten Landes der Erde nicht niemals einknicken und „mea Culpa“ sagen.
Ihr bekommt es ja noch nicht mal hin überhaupt ernsthafte Sanktionen zu beschließen.
Russische Oligarchen haben letztes Jahr 12 Milliarden Euro in Deutschland investiert. Ihnen gehören Teile von TUI, diverse Werften, deutsche Gasspeicher und sie sind Hauptsponsoren von Bundesligavereinen.
Hunderttausende würden arbeitslos, wenn Merkel die Verbindungen nach Russland ganz kappt.
Und das wäre nur ein Miniproblem, verglichen mit der Horrorvorstellung, daß Russland seine gewaltigen Energieexporte zukünftig nach China umleiten würde und damit Europa von seiner wichtigsten Gas- und Öl-Versorgung abgeschnitten wäre. Und Cameron kann seine Börse gleich zu machen, wenn die russischen Milliardäre da nicht mehr mitspielen dürfen.

Diese Droh- und Sanktionspolitik entspringt dem Geist von Fünfjährigen. Man ist bockig, beleidigt und hebt drohend die Faust.
Es würde mich nicht wundern, wenn Obama und Putin demnächst anfingen sich gegenseitig notariell beglaubigte Penis-Pics zuzuschicken, um zu sehen wer den Größten hat.

In was für einem Wolkenkuckucksheim leben wir eigentlich?
Da mag man einen Staatschef einer anderen Nation nicht und trommelt dann flennend auf sein Kopfkissen, in der Hoffnung, daß über Nacht eine Fee Putin gegen einen herzensguten EU-Diplomaten austauscht?
Hat Nahles‘ falscher Bundestagsgesang so sehr angesteckt?

Ich mach‘ mir die Welt, widiwidiwitt, wie sie mir gefällt.

Da empört sich „der Westen“ über die autoritäre Regierungsform in Russland und beweist durch ihr eigenes hilfloses Agieren gleichzeitig wieviel effektiver der Putinismus ist.

Russland kann Außenpolitik betreiben, die EU nicht.
Russland ist auch wirtschaftlich erfolgreich.
Da kann man noch so sehr über den Umgang mit den Pussy Riots schimpfen und sich empören, weil orthodoxe Kirchenfuzzis dem Kreml ihre Homophobie aufdrücken.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß die „einfachen Leute“ etwas ganz anderes interessiert.
Vor 20 Jahren gab es HUNGERSNÖTE in Russland, aus Hamburg wurden zehntausende Care-Pakete in die Partnerstadt St. Petersburg geschickt, Millionen bettelten in den Straßen, es herrschte Chaos in der Regierung, irgendwelche Oligarchen haben sich alles den gesamten Staatsbesitz unter den Nagel gerissen und wollten das dann auch noch an die USA verscherbeln (Chodorowski!!).
Dann kam Putin, hat Chodorowski gestoppt, Russlands Besitztümer gesichert, dafür gesorgt, daß wieder pünktlich Löhne ausgezahlt wurden.
Er hat die Renten deutlich erhöht (und wie man auch in der GroKo weiß, ist das ein Mittel sich beim Wähler beliebt zu machen – egal wie unvernünftig die Beschlüsse finanziert sind) und die ausufernden mafiösen Umtriebe eingedämmt.
Als 1992 die Krim von Russland abgetrennt wurde, ging es allen gleich.
Heute fühlen sich die Bewohner der Ukrainischen Halbinsel von Kiew ausgepresst.
Nebenan in Russland bekommen Rentner die dreifache Rente und Staatsbedienstete sogar das vierfache Gehalt der Ukrainer.
Ist es da so verwunderlich, daß die Krim-Bevölkerung, die ohnehin größtenteils russisch ist, sagt „das wollen wir auch!“?

Die Außenpolitik des Westens ist insgesamt eine einzige Kette von Pleiten, Pech und Peinlichkeiten.
Mit der Rapidanerkennung der aus Jugoslawien rausbrechenden Teilstaaten haben sie die Balkankriege erst angefacht.
Dann wurden illegale Angriffskriege in diversen Teilen der Welt geführt, um die multiethnischen Staaten in ein Chaos zu stürzen. Flankiert wurde das Ganze von kontinuierlich steigenden Waffenexporten in alle Krisenregionen.
Und nebenher wurde auch noch die Landwirtschaft in vielen Dritte-Welt-Ländern durch unsere unsäglich subventionierte Agrarpolitik zerstört. In Mittelafrika kann man keine Hühner mehr halten, weil das ein in Kenia aufgewachsenes Huhn einfach zu teuer ist – verglichen mit dem angetauten Hühnerklein, das die EU jeden Tag tonnenweise dort auf dem Markt wirft.
Wir sollten uns den ganzen Tag schämen und nicht mit nacktem Finger auf Russland zeigen.

Und was ist eigentlich mit der alten vorausschauenden, der sogenannten „konzeptionellen“ Außenpolitik?

Seit 25 Jahren weiß man doch wie die einst totalitär zusammengehaltenen multiethnischen Staatengebilde zerfasern. In allen Vielvölkerstaaten setzte eine Destabilisierung ein und führte fast immer zu neuen extrem gewalttätigen Konflikten mit Nachbarn.
Warum zum Henker haben wir uns nicht längst darauf eingestellt und seit zwei Jahrzehnten Arbeitsgruppen daran sitzen, die alle Szenarien durchdenken? Man könnte doch eingreifen, helfen, assistieren BEVOR es kracht.
Aber nein, kein Schwein scherte sich 20 Jahre um Weißrussland oder den Kaukasus oder die Ukraine. Wenn überhaupt mal etwas getan wurde, dann gossen wir Öl ins Feuer, indem wir Raketenschilder zwischen ihnen installierten oder willkürlich mal die eine, mal die andere Macht in NATO oder EU aufnahmen. Als ob das nicht immer Folgen hätte und Argwohn bei deren Intimfeinden schüren würde.

Immer wieder sind EU und USA komplett überrascht, wenn ein selbstherrlicher Irrer wie Saakaschwili in Südossetien einfällt und Russland darauf reagiert.
Die Amerikaner, die bis zu dem Zeitpunkt gar nicht wußten, daß noch ein zweites „Georgia“ existiert, fallen sofort wieder in schwere Sowjetphobie zurück und fordern den Einsatz des Militärs.

Wenn es nun aber irgendwo „kracht“ wie in Charkow oder Donezk, sind alle ganz verwirrt. Sie müssen erst mal googeln wo das überhaupt liegt und dann beginnt das hektische Treffen auf EU und NATO-Ebene. O Gottogottogott, was können wir denn jetzt mal tun? Statt daß man auf Staatenebene schon längst Pläne für solche absehbaren Eventualitäten in der Schublade hätte.
Aber nein, aller frühestens reagiert „der Westen“ wenn das Kind schon im Brunnen ist und dann auch noch üblicherweise falsch und mit sehr widersprüchlichen Signalen. Faschisten hofierend.

Nebenbei bemerkt: Bei den dümmlichen GOPern à la McCain ist es ohnehin schon fast üblich wieder von „Soviet Union“ zu sprechen.
Aber „Sowjetunion“ rutscht jetzt auch wieder deutschen Moderatoren wie Frank Plasberg raus. In 25 Jahren hat sich das Denken offenbar keinen Millimeter weiter entwickelt.

Wenn einzelne Abgeordnete die Linkspartei laut über die Motive der Russischen Regierung nachdenken, oder sich schlicht und ergreifend in Putins Lage versetzen wollen, dreht nicht nur die SPD durch und bricht daraufhin sofort alle Gespräche ab, sondern auch üblicherweise völlig geistig gesunde Journalisten wie Thorsten Denkler werden ganz fickerig.

So wird das nichts mit Rot-Rot-Grün: Linke Bundestagsabgeordnete wie Sevim Dagdelen torpedieren mit ihrer strikten Pro-Putin-Haltung Gespräche mit SPD und Grünen. [….]
Dagdelen mischt kräftig in Sachen Ukraine und Krim-Konflikt mit. Sie ist so etwas wie Putins U-Boot im deutschen Parlament. Jegliche Kritik am russischen Staatschef, der gerade die Krim annektiert, weist sie entschieden zurück.
Im russischen Propagandasender Russia Today ist sie regelmäßiger Gesprächsgast. Dort erklärt sie immer wieder, dass die Europäische Union, die Bundesregierung und die Nato den Sturz des Janukowitsch-Regimes mit Hilfe von Faschisten in der Ukraine betrieben hätten. Ist Dagdelen im Bild, werden rechts neben ihr Videos eingeblendet. Darin ist zu sehen, wie ukrainische Sicherheitskräfte von Demonstranten verprügelt werden.
In Gastkommentaren etwa für die Junge Welt geißelt Dagdelen die Rolle der zum Teil mit Faschisten besetzten Übergangsregierung in der Ukraine. Den grassierenden Nationalismus in Russland aber oder Putins Eskalationsstrategie erwähnt sie mit keinem Wort.
 [….] Die Grünen haben jüngst eine Foto-Montage in die digitale Welt gesetzt, auf der Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht vor Soldaten zu sehen ist. Darüber der Satz: "Jetzt neu: Linkspartei erstmals für Auslandseinsätze". Dagdelen kommentiert das auf Twitter mit den Worten: "Wie die CDU-Propaganda aus dem Kalten Krieg. #Grüne auf dem Weg nach rechts außen, mit neuer Kalter Kriegspropaganda."
Dagdelen twittert und postet ihre Positionen derart penetrant in die Welt, dass sie von manchen schon als Wortführerin der Linken im Bundestag in Sachen Ukraine wahrgenommen wird. Petra Sitte platzt da fast der Kragen: "Frau Dagdelen ist keine Wortführerin", zischt sie.[….]

Souveräne Außenpolitik ist anders. Offenbar ist die SPD selbst nicht von dem Mist überzeugt, den sie in der Ukraine verzapft.
Sonst würde sie nicht so hypersensibel auf einzelne LINKE reagieren.
Da liegen die Nerven blank. Kritik am Kurs Steinmeiers ist strikt verboten. Das können sich nur Sozis leisten, die lange im Ruhestand sind.

[Putin] verteidigt Interessen, von denen inzwischen ja auch die Amerikaner sagen, dass sie berechtigt sind, russische Sicherheitsinteressen, und es wäre sicherlich besser gewesen, man hätte in der ganzen Politik gegenüber der Ukraine das Gespräch mit Russland rechtzeitig gesucht und diese Sicherheitsinteressen berücksichtigt.
[….]  Ich glaube, dass der Fehler, einer der Fehler darin bestanden hat, dass die Europäische Union eine Politik gegenüber der Ukraine, aber auch anderen Ländern in der Region entwickelt hat, die von diesen Ländern verstanden wird als ein Weg in die Europäische Union, und darüber gar nicht mit dem größten und wichtigsten Nachbarn zu reden. Ich kann schon verstehen, dass die Russen glauben, darüber muss man sprechen. Das entschuldigt nicht, wie sie sich jetzt verhalten, aber ich finde, wir sollten hier einen deutlichen Unterschied machen zwischen einer russland-kritischen Haltung, die notwendig ist, und einer geradezu feindseligen Attitüde gegenüber Russland, und ich finde es richtig, darauf hinzuweisen, dass derjenige, der den Weg von Sanktionen geht, ihn irgendwann auch wieder zurückgehen muss. Also ist es wahrscheinlich besser, wenn wir versuchen zu deeskalieren, statt es immer weiterzutreiben.
[….]  Es sieht ja so aus, als seien die bisher beschlossenen Maßnahmen nicht besonders wirkungsvoll. Das wusste ja auch jeder. Die Gefahr besteht darin, dass auf den ersten Schritt ein weiterer folgt und dann ein weiterer und noch ein weiterer, eine Spirale nach unten, und am Ende stehen wir vor einer neuen Eiszeit in Europa. Das ist genau das, was wir nicht gewollt haben. Was wir gewollt haben war doch ein Europa, das zusammenwächst und in dem jedes Volk die Chance hat, seinen eigenen Weg zu wählen. [….]  [….]  [….]  [….]  
 Wir hatten damals zu tun zum Beispiel mit den baltischen Republiken, mit Estland, Lettland und Litauen. Glauben Sie, dass das für die Russen einfach gewesen ist? Aber wir haben intensiv mit ihnen darüber gesprochen. Wir haben intensiv mit den Russen darüber geredet, was wir tun, um zum Beispiel die Rechte der russischen Minderheiten in diesen Ländern zu schützen, und da haben die Russen es akzeptiert. Also die Erfahrung ist nicht so, dass man nicht miteinander reden kann.
Ich muss noch einen Punkt hinzufügen. Was die jetzige Situation so schwierig macht und auch das Gespräch so schwierig macht, hat ja eine Ursache auch in Kiew selber, nämlich die Tatsache, dass dort ein fataler Tabubruch begangen worden ist, dem wir auch noch applaudieren, der Tabubruch nämlich, zum ersten Mal in diesem Jahrhundert völkische Ideologen, richtige Faschisten in eine Regierung zu lassen, und das ist ein Schritt zu weit.
[….]  Die Website von Swoboda ist eine wahre Fundgrube an völkischer Ideologie. Die sind getrieben von Russen-Hass, von Juden-Hass und Polen-Hass. Es ist schierer Nationalismus, überzogener exzessiver Nationalismus. Sie rufen nach Atomwaffen für die Ukraine. Sie halten auch die Europäische übrigens nicht für ein erstrebenswertes Ziel, sondern die halten die Europäische Union für ein künstliches Gebilde, das sowieso zum Absterben verurteilt ist. Und ich wehre mich gegen diese verharmlosende These, es sind ja nur ein paar, oder gegen diese klassische Theorie der Einbindung. Diese Sache mit der Einbindung von radikalen Kräften ist in der europäischen Geschichte schon mehr als einmal ganz, ganz furchtbar schief gegangen. Das sollten wir nicht vergessen.[….]