Donnerstag, 22. November 2012

Parlamentsnachtstunden



Diese Bundestagswoche dürfte als einer der intellektuellen Tiefpunkte der letzten Dekaden in die Analen der Nachkriegsgeschichte eingehen.
Womit haben wir das verdient; möchte man instinktiv fragen. Aber die Frage ist nicht nur instinktiv, sondern auch rhetorisch.
Wem wir diesen Niveau-Limbo zu verdanken haben, liegt auf der Hand: Dem Urnenpöbel, der geistig erlahmt und intellektuell retardiert auch das dümmste Geschwätz glaubt.

Allein die Tatsache, daß Wolfgang Thierse heute zum Thema „Genitalverstümmelung“ den emeritierten Rechtsgelehrten Prof. Rolf-Dieter Herzberg aus der Warte des Religioten mit einem Höchstmaß von Arroganz zerpflückte und dabei nicht ein einziges mal mit faulen Tomaten und Eiern beworfen wurde, läßt erahnen wie weit die vollständige Volksverdummung in diesem Lande fortgeschritten ist. 

Morbus Debilus. Präfinales Stadium.

Wie kann es sein, daß Thierse nach Monaten der Diskussion immer noch GAR NICHTS begriffen hat??? 
Daß er von der Wahrung der Religionsfreiheit spricht, indem er den unfreiwillig Beschnittenen eben jene Freiheit nehmen will? 
Man fasst es einfach nicht.
Mein einziger Trost ist, daß der in seinem Elfenbeinturm der Arroganz verschanzte Master of Religiotie dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird.
 Glücklicherweise gibt es in der SPD auch Menschen, die noch keine Lobotomie hinter sich haben und zum Kindeswohl moralisch in die richtige Richtung denken.

Für die Koalitionsabgeordneten gilt sowieso das Prinzip „Man verwirre uns nicht mit Tatsachen, die Lobbyistenwünsche stehen fest.“ Es wird gelogen, daß sich die Balken biegen.

Irgendwie rührig, daß sich Niema Movassat (LINKE) noch darüber empören kann, daß Merkels Wort keinerlei Relevanz mehr habe, weil ohnehin jedes Versprechen gebrochen werde.
Völkerrechtlich verbindlich hat Deutschland sich vor über 40 Jahren verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Im Koalitionsvertrag wurde diese Zusage bestätigt und versprochen, die notwendigen Schritte zu gehen. Merkel hat Anfang des Jahres noch persönlich zugesagt, dieses Ziel erreichen zu wollen. All das ist nun hinfällig. Für die Menschen im Süden bedeutet dies wieder einmal, dass sie keinen Pfifferling auf die wohlfeilen Versprechen von Staatsoberhäuptern und ihren Ministern geben können. Es ist einfach nur noch beschämend. Wollte man das Ziel tatsächlich noch erreichen, müsste Deutschland pro Jahr zwei Milliarden Euro auf den Entwicklungshaushalt draufpacken. Das wäre auch möglich. Wer wie Deutschland im Jahr 33,3 Milliarden Euro für Rüstung, Krieg und Militär ausgibt, setzt falsche Prioritäten. Dieses Geld wäre im Kampf gegen Armut und Elend auf der Welt besser aufgehoben.“
(Niema Movassat, Entwicklungspolitiker, Sprecher der Fraktion DIE LINKE 22.11.12)
 Movassat scheint immer noch dem naiven Kinderglauben anzuhängen, Regierende würden die Wahrheit sagen.
Der Linke ist mit dieser Naivität nicht allein, auch Sozis zeigen sich der Realität entrückt, wenn sie anmahnen, die Kanzlerin müsse Wort halten.
Dabei tut Merkel grundsätzlich nicht das, was sie ankündigt. 
Warum sollte sie sich auch derart ihren Handlungsspielraum einengen?
 Zumal bewiesen ist, daß es ihrer Popularität nicht den geringsten Abbruch tut, immer wieder das Gegenteil des Versprochenen umzusetzen.

Verhängnisvoller Wortbruch der Bundeskanzlerin? […] Der Anteil der Struktur- und Kohäsionsfondsmittel an den öffentlichen Investitionen beträgt in zwölf Mitgliedstaaten über 50 Prozent. Nur ein wachstumsfreundlicher mehrjähriger Finanzrahmen kann diese Lücke füllen. Wenn die Bundesregierung hingegen unermüdlich fordert, den europäischen Haushalt noch weiter zusammenzustreichen, ist sie die eigentliche Wachstumsbremse in Europa. Die Bundesregierung verstößt damit auch sehenden Auges gegen den „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“, den ihr SPD und Grüne beiden Verhandlungen über den Fiskalpakt abgetrotzt haben. Schließlich hat die Regierung dem Bundestag im Juni 2012 mit einem Kabinettsbeschluss unmissverständlich zugesichert, sie werde sich bei den Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass es nicht zu Kürzungen bei den Struktur- und Kohäsionsfonds sowie beim Europäischen Sozialfonds kommt. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft wieder einmal eine gewaltige Lücke: Die Bundesregierung geht sogar mit der Forderung einer weiteren Kürzung in diesen Bereichen in die Verhandlungen. Damit ist Frau Merkel auf dem besten Weg, die Vereinbarung mit den Füßen zu treten und das Parlament zu betrügen.
(Michael Roth,europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, 22.11.12) 
Besonders putzig ist Schwarzgelb beim Thema „Schuldenreduzierung“ und „ausgeglichener Haushalt“.
Merkel und Schäuble schreiben sich diese Ziele auf die Fahnen, tun aber das Gegenteil, indem sie beispielsweise eine zweckfreie Herdprämie für 1,5 Milliarden im Jahr raushauen und sich über zwei Milliarden Euro leihen, um die „Praxisgebühr“ abzuschaffen.

Toppkomödiant Rainer Nuschele prahlte von der Haushaltskonsolidierung, die zu Wachstum führe.
Der Haushalt der schwarz-gelben Koalition basiere auf den Prinzipien "Konsolidieren, Investieren und Entlasten". Mit diesen Prämissen gelinge es drei Jahre früher als vorgeschrieben, die Schuldenbremse einzuhalten. "Ohne Zusatzbelastungen von außen hätten wir schon einen ausgeglichenen Haushalt", unterstrich der Liberale. […] Brüderle kritisierte in seiner Rede die Haushalts- und Finanzpolitik der Grünen. Im Gegensatz zu den Grünen setze die schwarz-gelbe Koalition auf eine strikte Ausgabendisziplin. […]
 Das Duo "Steinbrück-Trittin" würde teuer werden, warnte Brüderle. "Sie wollen den Leuten das Geld abnehmen, weil sie nicht bereit sind zu sparen!"  […] "Das wäre ein Schrumpfungsprogramm für Deutschland", erklärte der Liberale. In Richtung Opposition mahnte er: "Sie führen nicht nur Deutschland, sondern Europa mit ihrer Politik in die Rezession."
Lol. 
In der FDP-Traumwelt erreicht man Wachstum durch Sparen.
 Und damit brüsten sie sich auch noch vorm Deutschen Michel, dem das einfache Prinzip „Schwäbische Hausfrau“ bekanntlich so gut gefällt.

Daß so ein Humbug in der realen Wirtschaft nicht funktioniert, ist den Schwarzgelben egal.
Staat ist keine schwäbische Hausfrau
 […] Wer nicht spart, so die simple Logik, bleibt verschuldet. Für eine Volkswirtschaft muss das jedoch nicht gelten. Im Gegenteil. Wenn der Staat mitten in einer Wirtschaftskrise die Ausgaben kürzt, kann dies verheerende Folgen haben – und den Staatshaushalt auf lange Sicht sogar vollends ruinieren.
„Sparen“ ist in der deutschen Sprache positiv besetzt. Wer Geld spart, verbessert seine finanzielle Lage. Was für den einzelnen Haushalt gilt, lässt sich jedoch nicht auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Wenn ein Haushalt spart, legt er in der Regel Geld bei einer Bank an, die ihm nur deshalb Zinsen gutschreiben kann, weil andere Haushalte, Firmen oder eben der Staat sich verschulden. Wenn niemand Schulden macht, kann also auch niemand sparen.
[…] Anstatt neue Jobs zu schaffen, werden vorhandene vernichtet. Wenn sowohl Privatiers als auch Unternehmer nicht mehr Geld ausgeben können oder wollen, beginnt ein Teufelskreis aus rückläufiger Nachfrage und steigender Arbeitslosigkeit. Jetzt kann nur noch der Staat eingreifen – meist mit Geld, das er nicht hat: Schulden. Wenn der Staat in der Krise weniger Geld ausgibt, verstärkt er den Teufelskreis, statt ihn zu stoppen.
Wachstum, das Lieblingswort der K.O.alitionären, wird in Wahrheit durch Schulden generiert. 
So ist es uns so war es schon seit Tausenden Jahren. 
Indem Merkel den Südeuropäern Sparsamkeit und Schuldenbremsen aufoktroyiert, würgt sie den Wirtschaftsmotor ab.
Schulden sind gewissermaßen was Gutes - insbesondere, wenn sie von jemand anders gemacht werden.

Ich empfehle dazu dringend den Essay von Wolfgang Uchatius (12.10.12).

Auszug:
Vor vier Jahren hat Krauss-Maffei Wegmann 170 Exemplare des Leopard-Panzers an ein europäisches Partnerland verkauft und dafür 1,7 Milliarden Euro kassiert. Das ist anderthalb mal so viel, wie das Unternehmen normalerweise in einem Jahr erwirtschaftet.
Der Käufer war Griechenland. Schon damals war klar, dass die Griechen den Leopard 2 mit Schulden finanzierten, aber das hat niemanden so recht interessiert. Viel Geld floss nach Deutschland, darauf kam es an.
Es floss überhaupt eine Menge Geld hierher in den vergangenen Jahren, nicht nur aus Griechenland, sondern auch aus Italien, Spanien, Portugal. Die Italiener zum Beispiel kauften vor Beginn der Krise jedes Jahr rund 450.000 deutsche Autos, die Spanier etwa 330.000, die Griechen und Portugiesen je 50.000. Fast jedes vierte Auto, das die Deutschen damals im Ausland abgesetzt haben, wurde in einen der heutigen Krisenstaaten geliefert. Jene Länder, von denen es heute heißt, sie könnten nicht mit Geld umgehen, haben viel Geld überwiesen, an VW, Daimler und BMW.
Dieses Geld ist nicht in den deutschen Konzernzentralen geblieben, es hat sich weiterverbreitet zu Zulieferern und Dienstleistern der deutschen Automobilindustrie, es hat sich verwandelt in die Löhne deutscher Fließbandarbeiter, in die Gehälter deutscher Manager, in die Dividenden deutscher Aktionäre.
Manche Bundesbürger mögen, ohne es zu wissen, mit dem Geld aus dem Süden ihre Miete bezahlt haben oder eine Urlaubsreise oder ihr neues Smartphone. Andere haben sich vielleicht einen neuen Wagen angeschafft. [….]
[Das deutsche Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er funktionierte genauso] Ausgerechnet [im Archiv der Bundesbank]  finden sich allerdings Dokumente, die eine andere Geschichte des Wirtschaftswunders erzählen. Sie zeigen Tabellen, Schaubilder, Zahlen der sogenannten Leistungsbilanz. Daraus geht hervor, wie sehr die Vergangenheit der Gegenwart gleicht. Schon damals entstand ein Gutteil der deutschen Arbeitsplätze durch Zahlungen aus dem Ausland. Schon damals kauften die europäischen Nachbarn im großen Stil deutsche Produkte. Schon damals finanzierten sie ihre Käufe durch Schulden.
Auch das deutsche Wirtschaftswunder war nichts weiter als: Wachstum auf Pump. Das klingt, als sei man auf ein Geheimnis gestoßen. In Wahrheit ist es das Gegenteil. Eine Banalität. Natürlich wurde das Wachstum damals durch Schulden erzeugt. So wie immer. Es geht nicht anders.
[….] Schulden sind nicht gut. Sie sind nicht böse. Sie sind einfach da, überall, wo Reichtum entsteht. Wächst der Wohlstand, wachsen auch die Schulden, es gibt kein Gegenbeispiel. Die moderne Welt aber geriert sich so, als sei der Kapitalismus ein Mensch und das Schuldenmachen eine unappetitliche Ausscheidung, irgendwie eklig. Etwas, worüber die schwäbische Hausfrau die Nase rümpft.
In Wahrheit gäbe es die schwäbische Hausfrau nicht, wären da nicht die vielen Schulden gewesen. Es gäbe auch keine bayerische, holsteinische oder hessische Hausfrau. Es gäbe überhaupt keine Hausfrauen, weil es sich keine Frau erlauben könnte, zu Hause zu bleiben, anstatt Geld zu verdienen. In dieser vorgeschichtlich armen Welt gäbe es keine Autos, keine Kühlschränke und keine Waschmaschinen.

 Aber Merkel und ihre Chaos-Combo erzählen dem Urnenpöbel weiterhin die Märchen, die er hören will. 

Und alle sind zufrieden.


Bis es mal richtig knallt.