Sonntag, 20. Mai 2012

Feige Mannheimer.


Ein Gespräch setzt voraus, daß der andere recht haben könnte.
Jürgen Habermas

Dialog, Dialogprozess, in einen Dialog müsse man kommen, den Dialog gestalten. 
So klingt es wenn Deutschlands oberster katholischer Schwafler, Erzbischof Zollitsch, der Chef der zweitgrößten Diözese, sich zu seinen Untertanen äußert.

Das klingt für die Gläubigen prinzipiell zu nächst einmal nicht schlecht, aber es gilt zu bedenken, daß Bischöfe ein besonderes Rotwelsch sprechen.
 Das bischöfliche Wort „Dialog“ heißt ins Hochdeutsch übersetzt „Monolog.“
Der Bischof spricht und die Glaubenden hören zu und gehorchen.
Das katholische Fußvolk hat immer nur mit „Amen“ zu antworten und dabei handelt es sich wieder um einen Rotwelsch-Begriff, den man am besten mit dem amerikanischen „Hua!“ übersetzt.
Hua ist ursprünglich den Marines entlehnt und bedeutet: "Heard, understood and acknowledged" (Gehört, verstanden, akzeptiert).

All die Dinge, die den Gläubigen am meisten auf den Nägeln brennen - Priestermangel, Frauenordinierung, Zölibat, Akzeptanz Homosexueller, Tolerierung und Weiterbeschäftigung Geschiedener, Wortgottesdienste, gemeinsames Abendmahl -  sind grundsätzlich tabuisiert und dürfen nicht diskutiert werden.

Rom und das deutsche Episkopat passen auf wie die Schießhunde. 
Sie fürchten sich davor auch nur einen kleinen Finger zu reichen, weil dann ein deutscher Schüller die ganze Hand ergreifen könnte.

Das Zentral-Komitee der deutschen Katholiken, welches den heute endenden Katholikentag in Mannheim ausrichtet, wird zwar von den Ultakonservativen (Jolies Netzwerk, Kath.net, Kreuz.net, Fundi-Bischöfe Müller, TVE, Overbeck,..) als unsicherer Kantonist betrachtet, ist aber dennoch vollkommen Rückgrat-los.

Den Schüller von der österreichischen Priesterinitiative mag Ratzi nämlich gar nicht und fordert daher von seinen unmündigen deutschen Schäfchen Gehorsam.

„Hua!“ schrien da die ZKD- Chefs Alois Glück und Stefan Vesper, Präsident bzw. Generalsekretär und rasten zum Kotau nach Rom. 
Katholizismus ist keine aufrechte Haltung. 
Ein Katholik beugt seinen Rücken, schaltet den Verstand ab und kriecht vor alten Männern in bunten Kleidern im Staub. 
Glück und Vesper fuhren kurz vor Mannheim in den Vatikan, um dort dem deutschen Kurienkardinal Walter Kasper und Kardinal Gianfranco Ravasi vom Päpstlichen Kulturrat zu schwören nicht aufzumucken.

 „Auf Katholikentag kein Aufruf zum Ungehorsam“
Glück: „Alles, was in Österreich die Menschen bewegt, werden wir auch diskutieren, aber ohne Aufruf zum Ungehorsam! […]  Es gibt dabei nicht nur einige der sogenannten Reizthemen, die wir ja auch nicht isoliert in Deutschland entscheiden können – etwa die Frage des Zölibats, des Zugangs zum Priesterberuf –, sondern es gibt viele Themen, die innerhalb des bestehenden Kirchenrechts und als Antwort auf seelsorgliche Themen vorangetrieben werden können. Im Kern geht es immer um die Frage: Wie können wir als Kirche dem Sendungsauftrag, dem Menschen unserer Zeit das Evangelium zu vermitteln, besser gerecht werden?

[…] Radio Vatikan:  Der Papstbesuch im Rückblick – eher ein Bremsklotz am Bein des Dialogprozesses, oder eine Ermutigung?

Glück: „Ganz gewiß kein Bremsklotz! Viele haben allerdings gesagt: Ja, es wäre doch auch ganz gut gewesen, wenn der Heilige Vater auch den Dialogprozess angesprochen hätte. Ich glaube, es war ganz wichtig, dass er dem Raum läßt, nichts eingrenzt, nichts begrenzt für den Dialogprozess. Und so ist es. Von daher ist es für sich schon einmal eine positive Weichenstellung.

So enteiert wie die organisierten 24 Millionen Katholiken in Deutschland gegenüber ihren Bischöfen und Rom auftreten, so weichgespült betrachtet auch die nichtkonfessionelle Mehrheit der Deutschen die katholische Minderheit.

In den TV-Berichten und großen Zeitungsartikeln zum Thema Katholikentag, ist der Tenor ganz offen prokatholisch. 
Konsensuelle Sicht ist, daß die Kirchen keine Mitglieder verlieren sollten und die Stärkung der Katholiken ein erstrebenswertes Ziel sei - so wie niedrige Kriminalitätsraten, saubere Flüsse oder gutes Wetter.

Daß jemand wie ich es grundsätzlich begrüßt, wenn die Macht der Kirchen schwindet und dementsprechend viele Menschen austreten, gilt als derart radikal, daß es noch nicht mal erwähnt wird.

In der ARD-Dokumentation „Aufbruch oder Abbruch? - Wohin treibt die katholische Kirche?“ vom 15.05.2012 - hier kann man die Sendung online sehen - blickt der Autor Bernd Seidl generell wohlwollend auf die gläubigen Schäfchen.

Erwähnt wird unter anderem auch der „Skandal Sell“ der Kirchengemeinde St. Johannes im Bistum Würzburg.

Pfarrer Michael Sell kam 2001 als Kaplan in die Pfarrgemeinde Hammelburg, seit 2003 ist er Stadtpfarrer. Er hinterlässt eine gut aufgestellte und attraktive Kirchengemeinde. Auf den Weg gebracht hat er gemeinsam mit den Kirchenmitgliedern die Sieben-Sterne-Pfarreiengemeinschaft. Das neue Pfarrzentrum ist ein architektonisches Schmuckstück und entwickelt sich zu einer einladenden Begegnungsstätte.
Es gibt viele aktive ehrenamtliche Mitwirkende und Helfer, die sich in die Pfarrgemeinde einbringen. Auch die jüngsten Gemeindemitglieder, die Ministranten, scharen sich zuhauf um den lebensnahen und beliebten Pfarrer.

Der Priester hatte aber nicht „nur“ ein paar Messdienerchen vergewaltigt; dann wäre er bis heute Gemeindepfarrer - sondern sich einer weitaus schlimmeren Sünde schuldig gemacht.
 Er verliebte sich in eine erwachsene Frau, die von ihm ein Kind erwartete, welches er weder heimlich abtreiben, noch verschweigen wollte. 

Er „bekannte“ sich zu Frau und Sohn - so wie man sich sonst zu einem Verbrechen „bekennt“.

Das konnte Bischof Friedhelm Hofmann nicht tolerieren und feuerte den 37-Jährigen Sell auf der Stelle; untersagte ihm sogar noch einen Abschiedsgottesdienst zu feiern.

Einige Gemeindemitglieder trauern Sell so sehr hinterher, daß sie sich bis heute für ihren Ex-Pfarrer einsetzen.
Das bekam ihnen aber nicht gut; sie wurden so sehr ausgegrenzt, daß einem der Rädelsführer schon der maximalketzerische Gedanke kam, er könne mit 50 weiteren Sell-Fans geschlossen aus der RKK austreten und mit der eingesparten Kirchgensteuer locker das Gehalt Sells allein bezahlen. Über diesen ketzerischen Gedanken erschrak er aber selbst so sehr, daß er ihn sofort wieder verwarf.

WARUM ZUM TEUFEL MACHT IHR DAS DENN NICHT?? möchte man ihnen zurufen.

Aber der Gehorsam ist viel zu tief in die Gläubigen eingeimpft.

Wie lächerlich ist das eigentlich? Millionen Deutsche Katholiken lassen sich von drei Dutzend gebrechlichen, alten Männern in Kleidchen, die einem wackelköpfigen Geront im Vatikan folgen, in Schach halten?
Das sind Typen, die keine Armeen haben.

Wieso treffen sich die Hammelburger Männer nicht mal, nehmen ihre Mistgabeln mit, fahren nach Würzburg und setzen den ollen Bischof ab, der ihnen nicht passt?

Dasselbe gilt zumindest für die extrem unbeliebten Hassprediger Konrad Zdarsa, Müller, Meisner und Overbeck. OK, Müller ist zwei Meter hoch und kräftig - aber die Gläubigen sind dafür in Überzahl.

Was sollte der alte Ratzinger schon dagegen tun können?

Ein Schüller reicht ja schon aus, um ihm eine „Heidenangst“ zu machen.

Schüller hat ein hohes, untadeliges Ansehen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche in Österreich und das macht ihn so stark, wenn er fordert, dass die katholische Kirche sich den Fragen des Zölibats, der Zulassung Geschiedener zum Abendmahl, etc. stellen müsse.
Es wäre völlig verkehrt, Schüller nun als Feind der Kirche zu betrachten, er ist überzeugter Katholik, arbeitet weiterhin als Seelsorger nahe Wien und in der Universitätsseelsorge. […]
Als ich einmal einen österreichischen Kollegen fragte: „Warum wirft der Schönborn den Schüller nicht einfach hinaus?“, antwortete er: „Das wagt der Schönborn nicht. Das Ansehen Schüllers ist so hoch, dass ein Hinauswurf ein Schisma nach sich ziehen würde.“ 
Schisma heißt: Kirchenspaltung. Und davor hat der Vatikan anscheinend Angst. Es  ist die Furcht, dass die katholischen Basisinitiativen sich länderübergreifend in Europa verbinden und verbünden könnten. Küng und Drewermann konnte die katholische Kirche in Deutschland recht erfolgreich ins kirchenpolitische Abseits drängen, bei Schüller geht das nicht.

Zu viele Sorgen müssen sich die bischöfliche Gerontokratie Deutschlands aber nicht machen. 
Die Schäfchen werden immer ihr „Hua!“ blöken.
 Gehorsam liegt ihnen im Blut wie sogar die christliche Redakteurin Christiane Florin für die ZEIT rekapituliert.

Man könnte katholikentagskompatibel sagen: Der Mensch von heute ist brav und fügsam, solange er das Gefühl hat, freiwillig brav und fügsam zu sein. Er reagiert jedoch allergisch, sobald ihm eine Institution ausdrücklich Folgsamkeit abverlangt. Kein Podium auf dem Katholikentag trägt das Thema Gehorsam im Titel, aber die gesamte Kirchen-Reformdebatte umkreist die Frage: Wie viel Gehorsam verdient die Una Sancta?
Widerstand sei in der Natur des Menschen nicht vorgesehen, Gehorsam schon, fasste Stanley Milgram seinen berühmten Psycho-Versuch von 1961 zusammen. Zwei Drittel seiner Probanden waren bereit, einen Mann für falsche Antworten im Lerntest mit starken Stromstößen zu strafen, wenn eine Autoritätsperson dies anordnete. Das Experiment ist ungefähr so lange her wie das Zweite Vatikanische Konzil. Seitdem wurde allerlei liberalisiert, von der Sexualität bis zur Stromversorgung. Der Imperativ „Das tut man nicht“ spielt im Triebgeschehen des Einzelnen keine Rolle mehr. Liebe muss sich keinen Regeln unterwerfen, sie gehorcht keiner Konvention mehr. Die Sexualmoral der katholischen Kirche wird von Gläubigen als Folklore wahrgenommen, Folgsamkeit provoziert sie kaum noch.
Am Arbeitsplatz hingegen pariert jeder mehr, als ihm lieb ist, sei es aus Vernunft, Opportunismus oder Bequemlichkeit. Eine Wiederholung des Milgram-Experiments ergab vor einigen Jahren eine kaum gesenkte Gehorsamsrate unter den Probanden.

Ironie der Geschichte: 
Durch ihren Gehorsam schaden diejenigen, die besonders an der Kirche hängen sich und ihrer RKK am meisten.

Die Ratzinger-Organisation wird auf diese Weise weiter ausbluten und schrumpfen.
Radikal werden Kirchen geschlossen werden müssen, weil die Gläubigen die selbstdestruktive homophobe und reaktionäre Politik des Vatikans stoisch erdulden.

Jeder zehnte Priester gibt auf. Die katholische Kirche scheint hilflos im Umgang mit ihrem Scheitern
Braindrain nennen Volkswirtschaftler die Abwanderung kluger Leute. Unter Braindrain leidet auch die katholische Kirche, besonders der Klerikerstand. Jüngster Fall ist der von Andreas Tapken. Bis vor einem halben Jahr leitete er das Priesterseminar in Münster. Davor war er Psychologieprofessor an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Schon beim Studium in Rom galt er als bischofsfähig. Im Kreis der Seminarleiter war der 45-Jährige eine Führungsfigur und stand für Erneuerung. Er konnte öffentlich über Fragen wie das Verhältnis seiner Kirche zur Homosexualität sprechen, ohne dass alle gleich abschalteten. Inzwischen hat er um Entpflichtung von seinen priesterlichen Aufgaben gebeten.
Gründe für das Aus werden nicht genannt. Einige sagen, er wolle heiraten, andere bestreiten das. Offiziell gibt es keine Statistik über Laisierungsverfahren – so heißt das Instrument, mit dem der Vatikan Priester aus ihrem Amt entlässt. Es ähnelt der Eheannullierung und ist für Beteiligte oft unbefriedigend. Mindestens zehn Prozent eines Priesterjahrgangs, sagen Beobachter, halten nicht durch. Oft ist der Zölibat der Grund. Im vergangenen Juli gab Thomas Ochs auf, der Leiter des Freiburger Priesterseminars, um zu heiraten – auch er ein Hoffnungsträger. Joachim Kardinal Meisner und andere Bischöfe haben schon Priester aus ihrem engsten Umfeld an die Welt der Laien verloren. Was wird aus dem einstigen Führungsnachwuchs der Kirche?