Meine deutsche Oma war eine sehr
elegante Frau; eine Dame, nach der man sich umsah.
In den 1930er Jahren fuhr
sie ein Cabrio und zwar richtig flott. Hinten ließ sich eine kleine Notsitzbank
ausklappen, auf der meine Tante und mein Onkel Platz nahmen.
Als Adolf Hitler ihr das
Auto als „kriegsnotwendig“ konfiszierte, hieß es Bahn fahren, bzw zu Fuß gehen.
Wieder.
Schon im ersten Weltkrieg,
als meine Oma wirklich eine der ganz wenigen autofahrenden Frauen war, hatte
man ihr das Auto weggenommen.
Meine Oma war eine jener
Frauen, die bis ins hohe Alter Auto fuhren. Noch im 19. Jahrhundert geboren,
hatte sie nie die Notwendigkeit erkannt das Autofahren aufzugeben.
Als Kind
liebte ich es mit ihr umher zu fahren. Sie besaß bis in die 1980er Jahre einen olivgrünen
VW-Käfer, den ich äußert schick fand.
Wie so viele Frauen ihrer Generation war
meine Oma sehr sparsam; wenn ich mit ihr einkaufen fuhr kaufte sie immer nur
kleinste Mengen. Aber ihr eigenes Auto wollte sie unbedingt behalten.
Allerdings bedauerte
ich ein wenig, daß der Käfer kein Cabrio
war. Ich wäre auch gerne offen gefahren.
Sie hatte mir oft erzählt, daß sie früher ein Cabrio gefahren war, das dann aber „im Krieg“ verloren ging.
Sie hatte mir oft erzählt, daß sie früher ein Cabrio gefahren war, das dann aber „im Krieg“ verloren ging.
Als Kind bekam ich den
Ersten und Zweiten Weltkrieg durcheinander. Was wann stattfand, konnte ich
nicht genau auseinander halten.
Wir waren aber eine der Familien, in der über
die Vergangenheit gesprochen wurde.
Vielleicht wurde das
dadurch erleichtert, daß der deutsche Teil meiner Familie zufällig nicht zu
denen gehörte, die Schuld auf sich geladen hatten.
Heldenhafte
Widerstandskämpfer waren sie nicht, aber mein Opa wurde denunziert, weil er
sich mehrfach für das Wohl russischer Kriegsgefangenen eingesetzt hatte,
sie mit besonderer Achtung behandelte und dafür sorgte, daß sie genug zu essen
hatten. Meine Oma wurde zur Gestapo geladen, weil sie demonstrativ weiter in jüdischen Geschäften einkaufte, als das längst geächtet war.
Der amerikanische Teil
meiner Familie stand logischerweise ohnehin auf der Seite der Hitlergegner.
Es war also leichter für
meine Großeltern über „den Krieg“ zu sprechen.
Ich wunderte mich nur, daß
meine Oma so gelassen ob ihrer konfiszierten Autos blieb.
Als Kind fand ich das
nämlich ungerecht und war der Meinung sie sollte das Cabrio wiederbekommen, so
daß wir damit zusammen fahren könnten.
Erwachsene sind schon
eigenartig, dachte ich.
Wieso stört es sie denn
gar nicht, daß der schöne Wagen weg war?
Als Kind versteht man
natürlich zeitliche Abstände nicht.
Im
Garten meiner Oma gab es einen unterirdischen Bunker. Ziemlich verfallen
und muffig. Er sah aus wie eine Erdhöhle, die Tür bestand aus verwitterten,
morschem Holz und war verschlossen. Leider, denn so etwas entwickelt natürlich
magische Anziehungskraft auf kleine Kinder. Innen gab es eigentlich nichts zu sehen, aber er
hatte gemauerte Wände, bot also durchaus Stabilität. Mehr als der Keller im Haus.
Ich wußte aus Erzählungen
welche Teile des Hauses durch Splitterbomben zerstört worden waren, daß meine
Tante gelegentlich bei Fliegeralarmen zu faul war hinunter in den Bunker zu
gehen und einfach in ihrem Bett liegen blieb.
Auch das verstand ich nicht. Der
Bunker war doch super – ich wäre dort gerne reingegangen.
Wie es sich auf die Psyche
auswirkt, wenn man über Jahre andauernd in den Bunker rasen mußte, bedachte ich
natürlich noch nicht. Auf mich wirkte das alles eher wie ein Abenteuer.
Früher war was los in dem
Garten.
Richtig doof am Krieg war
nur, daß das schöne Cabrio meiner Oma, ihr ganzer Stolz, weggenommen wurde.
Erst nach dem Tod meiner
Oma ging mir so richtig auf, daß ihr das Auto relativ unwichtig war –
verglichen mit dem Umstand, daß sie ihren ersten Sohn als Säugling im ersten
Weltkrieg verloren hatte, weil sie keine Medikamente für ihn bekommen konnte
und daß auch ihr zweiter Sohn 1944 im zweiten Weltkrieg blieb.
Aber meine beiden Onkel
kannte ich natürlich nicht und konnte mir nicht so recht vorstellen, was das
für Leute waren.
Ein Cabrio war da viel konkreter.
Und da meine Oma mich
liebte, verschonte sie ihren kleinen Enkel eben doch mit ihrem Kummer über ihre
verstorbenen Söhne.
Ich glaube, ich mußte erst
erwachsen werden, um mir zu vergegenwärtigen wie beschissen es für die Generation
meiner Oma gewesen sein muß Kinder zu verlieren.
Ein Schicksal, das
perverserweise vollkommen üblich war.
17-18 Millionen Menschen wurden im ersten
Weltkrieg gekillt, gute 60 Millionen Tote produzierte der zweite Weltkrieg. Wer
wie meine Großeltern Ende des 19. Jahrhunderts geboren worden ist, hatte eine
richtig üble Zeit vor sich.
Lange Zeit habe ich gedacht,
so ein sinnloses gegenseitiges Abschlachten wäre zumindest in der EU nicht mehr
möglich.
Würden nicht französische und deutsche Soldaten massenhaft
desertieren, wenn Angie und Hollande sich gegenseitig den Krieg erklärten?
Das würde doch heutzutage
keine Armee mehr mitmachen.
Ganz so sicher bin ich mir
inzwischen allerdings nicht mehr, wenn ich betrachte wie sehr eine finanzielle
Krise überall in der EU europafeindliche Stimmungen produziert, wie ein ganzen
Land, nämlich Ungarn der rechtsextremen Politik anheimfällt, wie bereitwillig
die Wähler überall tumb agitierenden Xenophoben ihre Stimmen geben, wie schnell
Merkel zur meistgehassten Frau Europas avancieren konnte und wie wenig die Deutschen die Stimmungen in Südeuropa zur Kenntnis nehmen.
Und wie locker immer wieder
zu Kriegseinsätzen gedrängt wird.
Mali, Libyen, bald Syrien und übermorgen der
Iran?
Was ist mit dem Sudan?
Was ist mit dem Sudan?
Die vielen Waffen, die in
immer größerer Zahl produzier und exportiert werden.
Die angebliche
Notwendigkeit für die Bundeswehr sich Kampfdrohnen zu verschaffen.
Wenn Deutschland in den
nächsten Jahren in eine massive Rezession schlittern sollte, was angesichts der
völligen Untätigkeit der Bundesregierung durchaus möglich ist, möchte ich nicht
wissen wie radikalisiert hier die Stimmung werden könnte.
Was wäre hier los, wenn
50% oder 60% der jungen Leute ohne Job auf der Straße ständen und dann
irgendwelche rechten Schreihälse gegen die anderen EU-Länder Stimmung machten?
Was dann wohl wieder alles
als „kriegsnotwendig“ erachtet wird?
Auch 70 Jahren nach dem
Ende des WK-II herrscht noch sehr bizarres Gedankengut in einigen Politköppen.
Osakas Bürgermeister Toru
Hashimoto steckt noch mitten in der Gedankenwelt aus „Kriegsnotwendigkeiten.“
Ähnlich wie die angebliche
so ehrenhafte deutsche Wehrmacht, hatte die kaiserlich-japanische Armee überall
Bordelle eingerichtet, in denen die Frauen der überfallenen Länder
zwangsprostituiert wurden.
Rund 200.000 Frauen hauptsächlich aus China und
Korea wurden als Sexsklavinnen der Japaner gehalten und wurden jahrelang von
japanischen Soldaten vergewaltigt.
Nicht unbedingt ein Ausweis kultureller
Überlegenheit und menschlichen Anstandes, aber „notwendig“ – soweit Toru
Hashimoto.
China zeigte sich darüber schockiert. Die in Japan euphemistisch "Trostfrauen" genannten Zwangsprostituierten aus Korea, China und anderen Ländern hätten der Wahrung der Disziplin im Militär gedient, sagte der nationalistische Bürgermeister der Millionenstadt Osaka, Toru Hashimoto, laut Medienberichten. "Wenn man Soldaten, die unter Bedingungen, bei denen Kugeln herumfliegen wie Regen und Wind, ihr Leben riskierten, ausruhen lassen will, war ein System der Trostfrauen notwendig. Das ist jedem klar", sagte der im Volk beliebte Hashimoto demzufolge am Vortag zu Reportern in Osaka.[…] China übte scharfe Kritik an den Äußerungen Hashimotos, der zusammen mit dem nationalistischen Ex-Gouverneur von Tokio, Shintaro Ishihara, eine konservative Partei anführt. Die Zwangsprostitution sei ein schweres Verbrechen gewesen, erklärte das Außenministerium in Peking und mahnte, Japans Zukunft hänge vom Umgang mit seiner Vergangenheit ab.
[…] Sex zum Abbau von Stress für Soldaten hält der Bürgermeister von Osaka für notwendig. Kürzlich schlug er laut Medien sogar einem US-Kommandeur im südjapanischen Okinawa, wo es wiederholt zu Vergewaltigungen durch US-Soldaten gekommen war, vor, die US-Soldaten sollten von Japans legaler Sex-Industrie reichlich Gebrauch machen.
Wat mut, dat mut.