Donnerstag, 19. Januar 2023

Männerproblem im Verteidigungsministerium  

Das wird langsam etwas albern, wie sich der SPIEGEL auf Olaf Scholz eingeschossen hat.

Der Kanzler traf mit Boris Pistorius eine gute Wahl und nun versucht die Hamburger Redaktion ganz offenbar, ihm aus der Tatsache, daß im Bundeskabinett nun ein Mann mehr ist, ein grundsätzliches Frauenproblem anzudichten.


Dabei vergleichen SPIEGEL und Ulle Schauws allerdings Äpfel mit Birnen, wie ich bereits erläuterte.

Wenn man will, kann man Personalentscheidungen immer kritisieren und Scholz niederzuschreiben, hat derzeit Konjunktur.

Es wirkt fast, als möchte sich der SPIEGEL dafür rächen, bei der Bundestagswahl 2021 so von Scholz vorgeführt worden zu sein, indem er Kanzler wurde, nachdem sich das Magazin zwei Jahre lang hämisch über seine Kanzlerambitionen lustig gemacht hatte, weil man sich an der Ericusspitze 1 vollkommen sicher war, Scholz werde niemals Kanzler.

Der Regierungschef wird nun mit einer „wie man es macht, macht man es verkehrt“-Kritikhaltung konfrontiert. Hätte er nach drei VerteidigungsministerINNEN wieder eine Frau für den Posten ausgewählt, würde ihm der SPIEGEL nun genau das vorhalten: Vier Frauen nacheinander, Scholz sollte nicht nach Geschlecht, sondern nach Qualifikation besetzen.

Bezeichnenderweise erwähnt das große Nachrichtenmagazin mit keinem Wort die Ergebnisse des eigenen Umfrage-Institutes Civey, nach denen homöopathische 3,4% der Befragten, es „sehr negativ“ sehen, daß Pistorius keine Frau ist.

Ja, der Bundeskanzler hat gewaltige Probleme zu lösen. Aber so sehr man auch versucht, es ihm anzuhängen: Das männliche Geschlecht des neuen Ministers ist kein Problem.

Phoenix versucht unterdessen von der Grünen Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger ein kritisches Wort zur fehlenden Feminität des Pistorius zu ergattern, scheitert aber auch kläglich. Brugger schätzt Pistorius und hält ihn für eine ausgezeichnete Wahl.

Außer der CDUCSU-Opposition wird niemand im Ernst behaupten, Scholz oder Lambrecht wären für das desaströse Nichtfunktionieren der Bundeswehr verantwortlich. Vor genau sieben Monaten berichtete ich von dem Begriff „Operation Läusekamm“ – die Bundeswehr ist so extrem unterversorgt, daß man für ein einsatzfähiges Großgerät mühsam erst einmal bundesweit alle Bestände durchkämmen muss, um es zusammenzusetzen.

(…..) Für eine funktionierende Bundeswehr sind 100% Ausrüstung das absolute Minimum, weil dann keinerlei Ersatz oder Reserve vorhanden sind. Der debakulierende de Maizière, immerhin Sohn des ehemaligen Bundeswehr-Generalinspekteurs, kam nun auf die völlig aberwitzige Idee, die Ausstattung grundsätzlich auf 70% zurückzufahren. Die grotesken Folgen sind inzwischen Gegenstand unzähliger Reportagen. Bevor ein Bundeswehr-LKW oder Panzer fährt, bevor ein Schiff in See sticht oder ein Hubschrauber in die Luft fliegt, muss nun erst einmal ein anderes Fahrzeug ausgeschlachtet, und damit lahmgelegt werden, weil es nie genügend Teile für alle gibt.

[….] 70 Prozent Ausstattung galt als genug. Bedingt abwehrbereit zu sein, das galt nun nicht als Beschreibung des Mangels, sondern als offizielle Zielvorgabe. „Das war ein Bruch mit dem bisherigen Organisationsprinzip, die Abkehr von der Vollausstattung“, sagt der Ex-Wehrbeauftragte Bartels. Deutsche Einheiten, die ins Manöver oder zu den Nato-Truppen ins Baltikum geschickt wurden, mussten sich Ausrüstung und Ersatzteile von überall zusammenleihen, oft wurden dafür andere Bundeswehr-Fahrzeuge ausgeschlachtet, die dann ihrerseits nicht mehr einsatzbereit waren. Der Militärhistoriker Sönke Neitzel nennt diese Entscheidung schlicht „Wahnsinn“.  Keine Einheit ist mehr aus eigener Kraft einsatzfähig. „Ein Panzerkommandant ohne Panzer ist wie ein Ponyhof ohne Ponys“, sagt Domröse. [….]

(SZ, 29.04.2022)

Üblicherweise hält man Jens Spahn oder Andreas Scheuer für die schlechtesten Bundesminister aller Zeiten. Aber Thomas de Maizière wird auch immer ein Top-Anwärter für die Eselskrone sein.

Die Bundeswehr konnte sich fortan nur noch mit der „Operation Läusekamm“ auf einen Einsatz vorbereiten. Da alle Geräte halb auseiandern gebaut waren und keine Ersatzteile zu kriegen sind, musste man erst bei anderen Einheiten auf Raubzug gehen.

[….] „Es gibt keine Brigade, die morgen verlegungsfähig wäre“, sagt Militärhistoriker Neitzel. Das gilt selbst für die angeblich hoch mobilen Einheiten, die für die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) der Nato abgestellt werden; diese Einheiten sollen eingesetzt werden, wenn etwa kleinere Nato-Staaten wie Polen oder die baltischen Länder plötzlich attackiert werden sollten. Für die zwischen 2018 und 2020 eingesetzte VJTF-Einheit der Bundeswehr musste das gesamte Heer nach Ausrüstungsgegenständen abgeklappert werden, was bei der Bundeswehr unter dem Begriff „Operation Läusekamm“ lief.[….] In einem Papier des Bundeswehrverbandes heißt es: Selbst die  aktuelle VJTF-Truppe sei nur „im Sinne einer Operation ,Läusekamm 2.0‘ erneut mit Gerät aus allen anderen Verbänden einsatzbereit“. Der Mangel sei enorm, sagt Wüstner, der Chef des Verbandes. Deutschland schaffe es noch nicht einmal, eine einzige Brigade aus sich heraus, also mit vollständigem Material ausgerüstet, einsatzfähig vorzuhalten. [….]

(SZ, 29.04.2022)

Wenn wir heute von „schweren Waffen“ sprechen, die der Ukraine geliefert werden sollen, meinen wir damit Artillerie mit ihren furchterregenden Panzerhaubitzen. 1990 bestand die Artillerie-Truppe aus 42.000 Soldaten in 81 voll ausgestatteten Artilleriebataillonen. Nach 16 Jahren CDU/CSU-Führung – Jung, de Maiziére, Guttenberg, von der Leyen, Kramp-Karrenbauer – gibt es nun noch 3.500 demotivierte Artilleristen in vier Bataillonen mit 121 Panzerhaubitzen. Fast die Hälfte davon ist aber so alt oder so ausgeschlachtet, daß sie nicht einsatzfähig ist.  Bei den anderen Waffengattungen sieht es eher noch schlechter aus. (…)

(Bundeswehr 2022, 19.06.2022)

Der SPIEGEL pflegt traditionell seine Animositäten, sucht sich meistens ein oder zwei Sozis, die er unbedingt aus dem Amt schreiben möchte.

Aber es bleibt dennoch ein seriöses Nachrichtenmagazin, das nicht die Unwahrheit schreibt.

Was im SZ-Magazin vor einem Jahr als „Läusekamm“ dargestellt wurde, findet sich auch in der aktuellen SPIEGEL-Titelgeschichte „Heerjemineh“.

Die Bundeswehr ist „aus dem Stand“ nicht einsatzfähig.

[….] Die drei deutschen Divisionen und die ihr unterstellten acht Brigaden seien als Großverbände »aus dem Stand« für die Landes- und Bündnisverteidigung »nicht einsetzbar«, und zwar keine von ihnen, schrieb [Alfons Mais, Inspekteur des Heeres] in einem vertraulichen Strategiepapier im Herbst. Mais vergleicht die Truppe gern mit der Feuerwehr, die bei Alarm sofort ausrücke. Die Streitkräfte seien dazu nicht in der Lage. Da müssten für den Löschwagen erst noch das Funkgerät, die Leiter und der Schlauch aus verschiedenen Kasernen in der ganzen Republik geholt werden. Und seit dem russischen Überfall ist die Aufgabenliste noch länger geworden.   [….]

(DER SPIEGEL 3/2023 13.01.2023)

Der SPIEGEL mag seine Abneigung gegen Scholz und Lambrecht pflegen, aber Konstantin von Hammerstein und Matthias Gebauer, die Autoren der aktuellen Titelgeschichte, sind nicht verrückt und deswegen nennen sie klar Ross und Reiter.

Die Bundeswehr ist kein Schrotthaufen, weil Lambrecht nicht effektiv genug war, oder weil sie von drei Frauen nacheinander geleitet wurde.

Es gibt aber Verantwortliche. Das sind in erster Linie zwei Männer. Einerseits der Deutschen liebste Politiker seit 40 Jahren: Karl-Theodor von und zu Googleberg und andererseits Merkels Lieblingsminister Thomas de Maizière.

Der CSU-Mann und der CDU-Mann brachen unter der Aufsicht des CDU-Kanzleramtes der Bundeswehr den Rücken. Dafür werden sie offenbar auch innerhalb der Bundeswehr immer noch gehasst wie die Pest. Von der Leyen und Kramp-Karrenbauer waren nur zu schwach uns zu unbedarft, umzusteuern. Kaputt gemacht haben den amoralischen Laden aber die beiden genannten CDUCSU-Herren.

[….] Wer sich auf die Suche nach den Verantwortlichen für die heutige Misere macht, landet schnell bei zwei Unionsvorgängern der SPD-Frau: Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière. Warum? Weil diese beiden Minister der Bundeswehr mit ihren Reformen das Rückgrat gebrochen hätten. Darüber sind sich jedenfalls die meisten altgedienten Offiziere einig, die das Drama damals miterlebten. [….] Als der CSU-Überflieger Guttenberg im Oktober 2009 Verteidigungsminister wurde, spielte die klassische Landes- und Bündnisverteidigung schon lange keine Rolle mehr. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schien von Russland keine Gefahr mehr auszugehen. [….]  Guttenberg bot bei einer Kabinettsklausur an, in den nächsten vier Jahren 8,3 Milliarden Euro aus dem Verteidigungshaushalt zu quetschen. Die Einsparvorgabe sei eine »einmalige Chance«, verkündete er freudestrahlend. Von diesem Schlag hat sich die Bundeswehr bis heute nicht erholt.

Der Minister setzte eine Reformkommission ein, die ein Schrumpfen der Bundeswehr auf 180.000 Mann und das Aussetzen der Wehrpflicht empfahl. Die zweite Empfehlung konnte er noch umsetzen, für die erste reichte die Zeit nicht mehr. [….]

De Maizière musste vollenden, was sein Vorgänger auf den Weg gebracht hatte. In der Bundeswehrführung glauben viele bis heute, dass seine Reform der Truppe den Rest gab. Der CDU-Mann reduzierte die Streitkräfte auf eine Art Baukasten, aus dem die Kontingente für die Auslandseinsätze jeweils neu aus verschiedenen Einheiten zusammengewürfelt wurden.  Formal blieben Divisionen, Brigaden und Bataillone zwar erhalten, aber sie waren nur noch mit einem Bruchteil des nötigen Materials ausgestattet, das wiederum wegen der fehlenden Haushaltsmittel immer mehr veraltete. Wer in den Einsatz zog, musste sich seine Ausrüstung aus der ganzen Truppe zusammenschnorren. [….] Doch dabei beließ es de Maizière nicht, der vorher als Innenminister gedient hatte. Sein altes Ressort war nach dem Röhrenprinzip aufgebaut. Die Polizeiabteilung zum Beispiel konnte dort problemlos neben den Kollegen von der Sportabteilung existieren, weil man inhaltlich so gut wie nichts miteinander zu tun hatte.  Nach diesem Vorbild baute der Minister nun sein neues Ministerium um. Mit fatalen Folgen. [….][….][….][….]

(DER SPIEGEL 3/2023 13.01.2023)

Hätte der CDUCSU-Fraktionschef etwas Anstand und Schamgefühl, würde er sich für das 16-jähirge Unions-Desaster schämen und nicht die SPD wegen der Bundeswehr-Misere bepöbeln. Aber solche Eigenschaften hat der Mann nicht.