Freitag, 2. Dezember 2016

Entfernungen



Akif Pirinçci, 57, Bonner, rechtsextrem und so sagenhaft unsympathisch, daß neben ihm sogar Erika Steinbach ganz freundlich wirkt.
Er erkannte schon vor einem Jahr, daß es gar keine Syrischen Flüchtlinge in Deutschland geben könne.
Das wäre gar nicht möglich, da Syrien 7.000 km entfernt sei. Soweit könne man gar nicht flüchten, daher handele es sich um eine Invasion.


Selbstverständlich ist alles erlogen, das der braune Pegida-Mann von sich gibt.
Noch nicht mal die Entfernungsangabe stimmt; Syrien ist rund 3.500 km von Deutschland entfernt. Von München bis Aleppo sind es 3.000 km.
Nach 7.000 km ist man schon längst in Nepal.

Die gefühlten Entfernungen entsprechen offenbar nicht so ganz den geographischen Parametern.
Nehmen wir den Ukraine-Bürgerkrieg, der in der allgemeinen Vorstellung irgendwo weit im Osten, bei Putin, an der sibirischen Grenze stattfindet.
In Wahrheit beträgt die Entfernung zwischen Berlin und Kiew gerade mal 1.300 km. Das ist nur ein bißchen mehr, als man mit dem Auto einmal durch Deutschland von Süd nach Nord fährt. (Rosenheim -> Flensburg = 1.000 km über die A7).
Wir sind womöglich gewöhnt uns die Entfernung zu Urlaubszielen in 1.000 km-Einheiten vorzustellen:

1.000 km bis nach Österreich.
2.000 km bis nach Mallorca.
3.000 km zur Algarve.
6.000 km nach New York.

Wieso behauptet der anti-intellektuelle Akif Syrien wäre 1.000 km weiter weg als Amerika?
Der gebürtige Istanbuler (Entfernung nach Bonn: 2.500 km) will damit offenbar seiner enormen geistigen und kulturellen Distanz zu den verzweifelten Menschen in den Bürgerkriegsgebieten des Daesh ausdrücken.

Fünf Jahre lang hat man in Deutschland das hunderttausendfache elende Sterben in Syrien überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.
Das war eben so weit weg, daß man sich bequem im Fernsehsessel gruseln konnte, ohne sich wirklich Sorgen zu machen. Syrien ist schließlich weit genug entfernt.

Erst als die Verzweifelten, die vor den Massakern Reißaus nahmen, über die bayerische Grenze kamen, nahm man wahr, daß dieses Syrien doch nicht irgendwo zwischen Borneo und Papua Neu Guinea (Entfernung nach Frankfurt am Main 13.500 km) liegt, sondern durchaus zu überwinden ist.

Der Deutsche arrangiert sich gern mit dem Elend in der Welt. Er lebt komfortable auf Kosten der „der dritten Welt“, solange die Armen dort blieben, wo sie sind.
Aber wehe, das Elend klopft bei uns an. Dann schwillt Frauke Petry auf dreifaches Volumen an und Horst Seehofers öffentliche Äußerungen werden so kackbraun wie der Inhalt des CSU-Fraktionsklos, nachdem es eine Woche Linsensuppe satt gab.

Bürgerkriege, an denen Deutschland so gut verdient, sind irgendwie angenehmer für den Urnenpöbel, wenn die außerhalb der logistischen Erreichbarkeit liegen.

Im Jemen haben wir so etwas. Das Land im südlichen Teil der Arabischen Halbinsel ist mit einer Entfernung von 6.000 km so weit von Deutschland entfernt wie die USA.

Die Jemeniten werden gerade von den Saudis massakriert.

Während also Merkel und Gabriel völlig skrupellos vorgehen und den Wunsch der EU ignorieren – während sie es natürlich empörend finden, wenn andere Länder in der Flüchtlingsfrage die Wünsche der EU ignorieren – gibt es in anderen Hauptstädten durchaus noch ein Gewissen.

Das niederländische Parlament hat ein Ende des Exports von Waffen an Saudi-Arabien beschlossen. Laut Reuters handelt es sich um einen Protest gegen die ständigen Menschenrechtsverletzungen des Königshauses.
Der Gesetzesentwurf sieht auch ein striktes Ausfuhrverbot für Dual-Use-Güter vor, also Produkte, die potentiell für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden könnten, bei denen es sich aber nicht um klassische Waffen- oder Rüstungsgüter handelt.

Was macht Saudi-Arabien mit seinem gewaltigen Waffenarsenal?
Einerseits nutzt es deutsche Panzer, um neben an in Bahrain die Demokratie niederzuschlagen.

Der größte Einsatz ist aber der Angriffskrieg gegen schiitische Gruppen im Nachbarland Jemen.
Militärisch läuft es dort bemerkenswert schlecht.

Jemen-Krieg: Saudi-Arabiens militärisches Debakel
[….] Seit einem Jahr ist Krieg im Jemen: zwischen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition zur Unterstützung des vertriebenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi und den Huthi-Rebellen. Der Ton der Vereinten Nationen wird immer schärfer. Die saudische Luftwaffe habe im Jemen "ein Gemetzel" angerichtet, sagte jüngst der Hohe Kommissar für Menschenrechte, Seid Raad al-Hussein. Für knapp zwei Drittel der zivilen Opfer und zivilen Zerstörungen sei die Kriegskoalition der Golfstaaten verantwortlich.
Allein bei dem Beschuss eines dicht belebten Marktes in der westlichen Provinz Hajja Anfang letzter Woche kamen 119 Menschen ums Leben, darunter 24 Kinder. "Trotz ständiger internationaler Proteste wiederholen sich solche Vorfälle mit absolut inakzeptabler Regelmäßigkeit", sagte al-Hussein und drohte, diese Kriegsverbrechen durch eine internationale Kommission untersuchen zu lassen. [….] Ein Jahr lang zerbomben modernste Kampfjets von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nun schon das arme Land Jemen an der Südspitze der Arabischen Halbinsel – ein Krieg, der ein humanitäres, militärisches und strategisches Desaster angerichtet hat. [….] Allein in der Hauptstadt Sanaa wurden 250.000 Menschen ausgebombt. Denn die saudische Luftaufklärung ist schwach und ungenau, die Kampfpiloten unerfahren und skrupellos. Aus Angst vor Abwehrraketen fliegen sie extrem hoch, so dass sie ihre militärischen Ziele meist verfehlen und stattdessen Krankenhäuser und Schulen, Moscheen und Flughäfen, Fabriken und Marktplätze sowie Hochzeitsgesellschaften und Privathäuser in die Luft jagen. [….]

Blöd an den Kriegen sind für das Riader Königshaus weniger der internationale Ansehensverlust oder gar die Myriaden Toten und Verletzten.

Insgesamt versuchen sich nach UNHCR-Angaben rund 2,4 Millionen Flüchtlinge innerhalb der Landesgrenzen vor den Kriegswirren in Sicherheit zu bringen. Über 8000 Menschen sind durch den Krieg bereits gestorben.

Störend ist aber, daß es so verdammt teuer ist. (……..)

Aber wie sollten sie nach Europa fliehen, wenn sie dafür quer durch das riesige Land des Erzfeindes müssten? Der einzige Seeweg führt durch das Rote Meer und damit 2.200 km an der Saudi-Arabischen Küste entlang und endet dann im Suez-Nadelöhr.
 Das gewaltige Saudi-Arabien, mit seiner Fläche von 2.149.690 km² (zum Vergleich: Deutschland = 357.376 km²) liegt wie ein gewaltiger Pfropfen im Weg aller Jeminiten, die sich nach Europa wünschen.

Deutschland müßte also, um die sterbende Jeminiten zu retten aktiv werden und diese Menschen mit dem Flugzeug abholen.

Auf so eine Idee kommt natürlich keiner in dem zu 100% aus Christen bestehenden deutschen Bundeskabinett.

Aber ordentlich Öl ins Feuer zu gießen, um das Leid der Bevölkerung zu vervielfachen, indem deutsche Rüstungsexportfirmen profitieren, das kriegen wir hin.

Der geheim tagende Bundessicherheitsrat hat die Ausfuhr von Artilleriezündern nach Saudi-Arabien genehmigt.
Dabei schreiben die Exportgrundsätze der Bundesrepublik vor, keine Rüstungsgüter an Länder zu liefern, die "in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt" sind.
Die saudische Luftwaffe bombardiert ihren Nachbarstaat Jemen, in dem seit Jahren Bürgerkrieg herrscht. Die Bundesrepublik beruft sich auf Verträge mit Frankreich.
Der heikelste Punkt auf der Liste ist Nummer 7. "Artilleriemultifunktionszünder" steht dort, Anzahl: 41 644, Endempfängerland: Saudi-Arabien. Zu finden sind die Angaben in der neuesten Übersicht zu Rüstungsexporten, die kürzlich der geheim tagende Bundessicherheitsrat genehmigt hat. Als die Süddeutsche Zeitung diese Woche darüber berichtete, regte sich umgehend Kritik. "Wenn die Bundesregierung sich an die eigenen Regeln und Gesetze halten würde, wäre jede Genehmigung für Saudi-Arabien sofort zurückzunehmen", urteilt die Grünen-Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger. Denn das Land befindet sich im Krieg. Und in den Exportgrundsätzen der Bundesregierung heißt es: "Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind." […..]

Saudi-Arabien und der Jemen sind eben extrem weit weg. Gefühlte 100.000 km mindestens.
Wen interessiert das Leid der Jeminiten?

[….] Der Jemen leidet still, der Jemen stirbt still

Tausende Menschen sterben im Jemen durch Kämpfe, an Hunger und Durst. Am härtesten trifft es die Kinder. Doch der Westen guckt weg: Weil niemand flüchtet - und eine der Kriegsparteien in Deutschland Waffen kauft.
[….] Seit mehr als 20 Monaten führt eine Militärkoalition mit Saudi-Arabien an der Spitze Krieg im Jemen. Ihr Ziel ist es, die Huthi-Rebellen, die 2014 die Hauptstadt Sanaa und große Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht hatten, von der Macht zu vertreiben und Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi wieder einzusetzen. [….] Saudi-Arabien ist einer der wichtigsten Importeure von Rüstungsgütern aus Deutschland. Bei seiner letzten Sitzung genehmigte der Bundessicherheitsrat die Lieferung von mehr als 40.000 Artilleriezündern für das Königreich. Und Saudi-Arabien setzt Artillerie gegen die Huthi-Milizen im Norden Jemens ein. [….]
Europa kann es sich leisten, das Leiden zu ignorieren
Innerhalb des Landes sind rund 2,2 Millionen Menschen vor den Kämpfen geflohen, mehr als 10.000 Menschen wurden nach Angaben der Vereinten Nationen getötet. Doch das sind nur die unmittelbaren Opfer des Krieges. Schon vor Beginn der Militäroffensive war Jemen das Armenhaus der Arabischen Welt, in den vergangenen Monaten hat sich die Situation noch einmal dramatisch verschärft: 21 Millionen Jemeniten benötigen Nahrungsmittel, Wasser und medizinische Hilfe, weil sie wegen des Krieges nicht selbst ihr Auskommen sichern können.
Es ist ein stilles Sterben. [….] Europa leistet es sich, das Leiden zu ignorieren - weil kaum ein Jemenit es schafft, aus dem Land zu fliehen. [….] Besonders hart trifft es die Kinder: 1,5 Millionen Mädchen und Jungen im Jemen sind akut unterernährt. [….]