Freitag, 30. Januar 2015

Je suis Charlie



Daß mal eben mitten in der Hauptstadt Frankreichs ein Dutzend Karikaturisten abgeknallt wurden, weil sich irgendwelche Religioten in ihren Gefühlen beleidigt fühlten, war schon ein Schocker.

Die kurz darauf auftauchende und millionenfach verbreitete „Je suis Charlie“-Graphik mit weißer Schrift auf schwarzen Grund was meines Erachtens ein Geniestreich. Zutiefst eindrücklich, trauernd und gleichzeitig ein mutiges Statement.
Zudem ist sie unverwechselbar. Ein Spruch aus drei einfachen Worten, der aber sehr konkret ist und sich auf einen spezifischen Anlass bezieht.
Der Ruf schwoll schnell zu einer solchen Phonstärke an, daß jeder mitmachen wollte.
Sarkozy und Netanjahu drängelten sich gar mit körperlicher Gewalt in die erste Reihe vor den Kameras, obwohl sie gar nicht eingeladen waren.
Jeder sollte auch Charlie Hebdo sein, um seine Solidarität auszudrücken und  um einfach dazu zu gehören. Bischöfe und Peginesen. Rechte und Linke, Kluge und Dumme, - alle wollten auch Charlie sein.
Charlie Hebdo war eine schöne Metapher, um den Islamisten eins auszuwischen, sich zusammen zu rotten und hip zu sein.
Es dauerte ein paar Tage, bis einigen dämmerte was dieser ominöses französische Karl eigentlich für ein Typ war:

Frech, konfessionsfrei, unangepasst, respektlos und auch noch zu allem Übel irgendwie links.

Ach Du Schreck.
Nein, bei denen wollte man ja eigentlich doch nicht als Sympathisant gelten.
Und so begann auch schnell die Absetzbewegung von Je suis Charlie.

Einer der ersten, die klar gegen Meinungsfreiheit und religiöse Meinungsdiktatur einsetzte, war der Papst. Er fand, religiotische Reflexe wären wichtiger als demokratische Werte. Wer seine Mutter beleidige, bekäme auch was auf’s Maul von ihm.
Franzels Unverschämtheit war eine Initialzündung.
Sofort begann man sich überall von den getöteten 12 abzusetzen, die eben noch geehrt wurden. Haben die es eigentlich verdient geehrt zu werden?
Religioten aller Länder schlugen zurück, schoben den Getöteten eine Mitschuld in die Schuhe und sprachen somit die Täter ein Stück weit von der Verantwortung frei. Man findet riesige Mengen an Christen, die auch im 21. Jahrhundert Gewalt rechtfertig.

Es folgen einige dialektische Meisterwerke der Widerlichkeit.

[…]  Wenn sich die Karikaturisten also gegen die Al-Qaida-Fanatiker durch Lächerlichmachung des Begründers des Islam abgrenzen wollen, gleichen sie nicht jenen Demagogen, welche die Entstehung solcher Kampfgruppen dem Islam als solchem zur Last legen?
[…]  Wie im Nationalsozialismus und Kommunismus, in den Ideologien sowohl des Rassen- und Klassenhasses als auch in jener der Kultur- und Religionsfeindlichkeit ist der bourgeoise Westen das Ziel der Angriffe. Frankreich ist ein besonderes Beispiel der gegenwärtigen westlichen Kultur: Die Schüler dürfen nicht muslimisches Tuch, christliches Kreuz und jüdische Kippa tragen; das Vorhandensein christlicher Symbole in der Öffentlichkeit wird bis zu einer Selbstkastration eingeschränkt, damit „die Muslime nicht entrüstet würden“. Aber eine die Muslime entrüstende Zeitschrift wird als heiliges Symbol der französischen Kultur angesehen. Ist nicht das Prinzip der „Laizität“ allmählich zu einer intoleranten Religion des Atheismus geworden?
 (Tomáš Halík, Professor und Hochschulpfarrer an der Karlsuniversität Prag, 17.01.15 in der FAZ)

[…]  Eine spezielle Mitverantwortung hat im Pariser Fall insbesondere die Satire. Sicher ist ,Meinungsfreiheit' ein hohes Gut. Doch es korrespondiert im Grundgesetz mit dem ‚Persönlichkeitsrecht‘, wobei ‚üble Nachrede‘ strafbar ist, wenn ‚Diffamierung im Vordergrund steht‘. Auch ist laut Grundgesetz Paragraf 166 die "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften, (…), ‚die geeignet ist den öffentlichen Frieden zu stören, (…) strafbar". Also hier irrt Tucholsky. Satire darf nicht alles! Satire darf nicht mit militanter Religionsfeindlichkeit ohne Grenzen beleidigen. Offenbar waren seit Jahren manche Karikaturen Öl ins Feuer der sozial frustrierten und islamistisch fanatisierten Attentäter von Paris. Oder um mit einem anderen Bild zu sprechen: Wer wilde Stiere mit einem roten Tuch reizt, ist der nicht lebensmüde? […] 

[…]  Mich macht es sehr traurig zu sehen, wie verführbar der heutige Mensch ist und wie leicht er sich zu spontanen unüberlegten Reaktionen hinreissen lässt. In der Zeit der sozialen Netzwerke schiessen Massenphänomene regelrecht aus dem Boden. Viele Zeitgenossen übernehmen gedankenlos irgendwelche Statements und Slogans und verbreiten sie, ohne zu überlegen, was sie damit auslösen und mit wem sie sich damit identifizieren.  Ein aktuelles Beispiel ist die tausendfache Übernahme des Slogans "Ich bin Charlie". […]   Ohne sich bewusst zu werden, identifizieren sie sich damit aber mit Personen, die Gott, auch den Gott der Bibel, seit Jahren in den Sumpf ziehen und absolut keine Achtung vor dem Heiligen in irgendwelcher Form haben, auch nicht vor Jesus Christus.
Nach eigener Aussage hassen die Charlie Hebdo-Leiter jegliche Autoritäten. Mit dem Ausspruch "Ich bin Charlie" identifizieren sie sich mit dem Geist der Rebellion gegen Gott und alle Autoritäten. […]  Ich bin nicht Charlie und will es auch mit Gottes Hilfe nie werden."
(Hanspeter Nüesch, Präsident von Campus für Christus Schweiz, idea, 29.01.15)

[…]  Der  Paderborner  Landtagsabgeordnete  Daniel  Sieveke  (CDU)  hält  die  Entwicklung  der  aktuellen  öffentlichen Diskussion rund um Pegida, Islam sowie Religions- und Pressefreiheit in Deutschland für gefährlich.  […]  Wenn  Satiriker und Karikaturisten, im Namen der Pressefreiheit, einerseits Mohammed, andererseits Jesus und andere Religionen verunglimpfen und damit die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzen dürften, während sich  gleichzeitig „alle Welt“ unter dem Slogan „Je suis Charlie!“ mit eben solchen Meinungsäußerungen solidarisiere,  dann sei das keine gute demokratische, abwägende Grundhaltung.
 „Es sind Menschen, die ermordet wurden, das ist schon Erschütterung unserer Grundwerte genug!“, so Sieveke,  der eine pauschale Solidaritätsbekundung auch mit allen Veröffentlichungen von „Charlie Hebdo“ nicht mittragen  möchte: „Ich bin nicht Charlie! Ich bin Demokrat, Christ, Paderborner, Deutscher, Europäer, Ehemann, Sohn und  Vater, aber ich erkläre mich nicht solidarisch mit zügellosen und verantwortungslosen Meinungsäußerungen, die  religiöse Gefühle auf allen Seiten verletzen.“ Stattdessen sollten sowohl religiöse Führer, als auch Politiker viel  mehr auf die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger Rücksicht nehmen, die zunehmend „schlichtweg  Angst“ hätten, so der Paderborner CDU-Vorsitzende weiter. „Nehmen wir doch einmal an, in Dresden wäre es  zu einem Anschlag gekommen, was gottlob nicht geschehen ist: Wären wir dann auf einmal alle Pegida? Wohl  kaum!“ […] 

[…]  Das Volk, „der große Lümmel“ (Heinrich Heine), muss erzogen werden. Merke: Gefahr geht immer von rechts aus. Und wenn sie mal vom Islamisten ausgeht, dann stecken trotzdem Rechte mit drin. Diese einfache Wandteller-Gewissheit wandert querbeet durchs politische Geschäft und durch das der Kolumnisten.  Da war die Neujahrsbotschaft der Kanzlerin, tatsächlich ganz besorgte Mutti, allerdings auch eine entsetzlich bevormundende, sie gängelte, was einen schalen Geschmack hinterließ. Geht nicht demonstrieren, sagte sie: „Diese Leute haben Vorurteile, bisweilen auch Hass in ihren Herzen.“
Mit einer gewissen Konsequenz wächst seitdem der Strom der Pegida-Demonstranten, jener leicht drolligen Vaterlandssucher und Globalisierungs-Verlorenen und –Ratlosen, und sicher, Kleinbürger, aber das ist kein Verbrechen.
Immerhin, sie sind nicht alleine: 60 Prozent der Deutschen so eine jüngste Untersuchung, möchten, dass „unsere Identität, unsere Werte du Eigenschaften wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.“ Auf 14 Prozent kommen die, die das nicht wollen, unter denen ganz sicher auch die Antifa-Radikalen, die „Nie wieder Deutschland“ brüllen.
[…]  Die Anschläge von Paris dürften nun endlich den Beweis geliefert haben, dass Pegida recht hatte mit ihren Ängsten. Dennoch lassen sie weiterhin stoisch die anschwelenden Beschimpfungen über sich ergehen. Wenn Pegida nicht den Mut und den Verstand verliert, könnte es eine wichtige demokratische Widerstandsbewegung sein, eine wirkliche Apo.
[…]  Nach den Morden von Paris hätte ich mir Massenproteste von Moslems in unseren Straßen gewünscht, einen großen Aufschrei[…] 

Matussek ist wohl am tiefsten gesunken, indem er Pegida im Zusammenhang mit den Charlie Hebdo-Morden RECHT GIBT. Dabei agitiert Pegida gerade gegen diejenigen, die OPFER von IS und Al Kaida sind und vor den Islamisten im Irak und Syrien flüchten.
Was für eine perfide und perverse Lüge Matusseks!

[…]  Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hat sich gegen eine zu starke Solidarisierung mit der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo ausgesprochen. Er schätze deren Inhalte nicht, sagte er am Mittwoch in Berlin.
Beford-Strohm fühle mit den Opfern der Anschläge in Frankreich. Dennoch gelte für ihn: „Ich bin nicht Charlie“. Vieles, was die Zeitung abdrucke, zeuge nicht von Qualität. Das sagte der Ratsvorsitzende am Mittwoch beim „Treffpunkt Gendarmenmarkt“, einer Veranstaltungsreihe seiner Kirche. Obwohl für ihn religiöse Gefühle schützenswert seien, wandte er sich gegen eine Verschärfung des sogenannten Blasphemieverbots in Deutschland als „Schnellreaktion“ auf die Attentate in Paris. Für ihn sei klar, „dass Gott nicht beleidigt werden kann“. […]  Bedford-Strohm rief Christen außerdem dazu auf, Gespräche mit Religionskritikern zu suchen.

Und schließlich der Tiefpunkt, die peinlich-feige Absage des Kölner Karnevals an den Charlie-Hebdo-Wagen.


Der Charlie-Hebdo-Wagen, der beim Kölner Rosenmontagsumzug mitrollen sollte, bleibt in der Garage. Über die Entwürfe für den politischen Festwagen war publikumswirksam bei Facebook abgestimmt worden. Das Festkomitee des Kölner Karnevals hat sich jetzt aber gegen den Wagen entschieden.
[…]     "In der offiziellen Pressemitteilung heißt es: 'Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht.' Einige Kölner hätten sich gemeldet und Sorgen geäußert." […]