Donnerstag, 3. Dezember 2020

Auf den letzten Metern doch noch überdreht?

Hubert Wetzel, einer der USA-Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung ist ein besonnener Mann, der sich nun fünf Jahre mit Donald Trump beschäftigte.

Es geht ihm wie allen Politik-Nerds: Immer wieder wähnt man sich an dem Punkt, an dem einen Trump nicht mehr schocken kann, weil man ihm ohnehin jede Untat zutraut, aber dann schafft es der debile Rassist erneut schlimmer zu sein, als das Allerschlimmste, das man sich vorstellen konnte.

Die neuesten Umdrehungen sind das systematische Geldeintreiben für präsidiale Begnadigungen und die Absicht Don Jr., Eric, Ivanka, Jared, Giuliani und sich selbst von allen Verbrechen freizusprechen.

[…..] Wenn Donald Trump also jetzt darüber nachdenkt, seine Kinder, einige enge Vertraute und - wenn er schon dabei ist - auch sich selbst zu begnadigen, damit ihm später keine Straftaten aus der Amtszeit zum Verhängnis werden, dann wäre das vermutlich legal. Legitim oder richtig wäre es trotzdem nicht.   Im Gegenteil: Trump würde dadurch den Gnadenakt pervertieren. Eine pauschale, prophylaktische Begnadigung für sich und seinen Hofstaat wäre eine Verhöhnung der Verfassung. Es wäre ein Zeichen, dass Trump glaubt, über dem Gesetz zu stehen, und ein Präzedenzfall für nachfolgende Präsidenten, dass diese es mit dem Recht nicht allzu genau nehmen müssen. Es wäre korrupt, egoistisch, ohne Rücksicht auf den Schaden, den er dem Land zufügt. Anders gesagt: Es wäre typisch Trump. [….]

(Hubert Wetzel SZ, 02.12.2020)

Es gibt US-amerikanische Journalisten, die so ein „Presidential Pardon“ für sich selbst für unwahrscheinlich halten, weil die Trumps damit zugäben schuldig zu sein und Donald seine „legacy“ damit belaste.

Wie würden dann zukünftige Generationen auf die Trump-Präsidentschaft zurückblicken?

Aber ich denke, diese Journalisten abstrahieren immer noch nicht genug und gehen fälschlicherweise davon aus, Trump wäre ein normaler Mensch mit rudimentärem Anstandsgefühl.

Das ist er aber selbstverständlich nicht, sondern ein durch und durch krimineller Lügner, der stolz sein wird sich über das Gesetz hinweg gesetzt zu haben.

Trump und seine Gang behaupten schließlich immer noch, sie hätten die Pandemie gut gemanaged.

[…..] The United States set three grim records on Wednesday, recording the highest number of daily deaths, new infections and hospitalizations since the pandemic began.   The U.S. reported 2,777 coronavirus-related deaths on Wednesday alone, according to an NBC News tally. The country registered nearly 205,000 new cases of Covid-19 on the same day, a figure that comes just a month after the U.S. single-day record topped 100,000 cases for the first time.   Meanwhile, more people than ever are hospitalized. The Covid Tracking Project reported that 100,000 people were hospitalized across the country. […..]

(NBC, 02.12.2020)

Trumps neroesker Kurs, der so toxisch für das Land ist, macht inzwischen den Sendern so viel Angst, daß sie seine gestrige 46-Minütige Hass-Rede noch nicht mal mehr in kleinsten Ausschnitten zeigten.

Kurioserweise wird Trumps Wahnsinn nun doch noch gefährlich für die GOP.

Die gesamte Partei hatte sich das Rückgrat entfernen und die Testikel abschneiden lassen, um zu Trumps Verbrechen, Verfassungsbruch und Demokratieverachtung tumb zu akzeptieren.

Sie sind lange nicht mehr „Republicans“ oder „Repukelicans“, sondern ReTrumplicans.

Sie fürchteten nämlich Trumps Macht über 74 Millionen Wähler.

Keiner wollte sich den Zorn der rasenden Hassfanatiker und Gewalttäter unter Trumps Fans zuziehen, während noch zwei US-Senatorenposten in Georgia zu vergeben sind.

Allerdings ging Trumps vollkommen planlos phantasierende Ex-Anwältin Powell nun soweit den Wählern in Georgia zu erklären, sie sollten gar nicht wählen, weil das System „rigged“ wäre. Stattdessen sollten sie lieber protestieren gegen den Gouverneur und dessen Stellvertreter, die beide stramm rechte Republikaner und Trump-Fans sind. Gouverneur Kemp bekommt nun Morddrohungen von seiner eigenen Basis. Es geht Republikaner gegen Republikaner.

Warum sollten die stramm konservativen Basis-Republikaner also noch zur Senatoren-Wahl gehen, wenn ihr Cult-leader pausenlos erklärt, beim Auszählen werde ohnehin zu Gunsten der Demokraten gelogen und  betrogen?

Das sorgt nun doch sogar Top-GOPer.

[…..] Wer immer unter den Republikanern anmerkt, es gebe keine Beweise für Wahlbetrug, oder gar Joe Bidens Wahlsieg anerkennt, zieht Trumps Zorn auf sich. Das Gros der Partei verhält sich daher weiterhin ruhig und sieht untätig zu, während der Präsident das Land mit seinen haltlosen Behauptungen überzieht. Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im Senat und damit einer der mächtigsten Männer der USA, hat sich immerhin vorsichtig aus der Deckung gewagt. Er sprach in dieser Woche von einer "neuen Regierung", die im kommenden Jahr die Amtsgeschäfte übernehmen werde. Das war zwar nicht die stärkste Form der Anerkennung der Wahl, aber es war einstweilen deutlich genug. Wenn Leute wie McConnell und Barr von Trump abrücken, haben dessen Bemühungen keine Aussicht auf Erfolg. […..]

(Christian Zaschke, 03.12.20)

Möglicherweise kostet der Trumpismus auf den letzten Metern also doch noch die republikanischen Senatsmehrheit und der Weg zum Durchregieren wäre frei für Biden und Harris.