Letzte
Auffahrt Adlershof.
Wahlkampf. Für
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist das TV-Duell die wohl letzte Chance auf
eine Wende. Also bereitet er sich akribisch vor. [….]
Schulz treibt die
Begegnung schon seit Wochen um. Der Kandidat hatte sein Tea, bereits früh
angewiesen, den Showdown in Adlershof penibel vorzubereiten. Er will Merkel
persönlich stellen.. Anders als sonst werde sie dort schwer ausweichen können,
hofft man in seinem Umfeld.
[…]
(DER
SPIEGEL No 35, 26.08.2017, s.23)
03.09.2017
Oldschool bin ich sowieso, aber nachdem mein Lieblings-Anbieter O2 wieder einmal seit inzwischen nun 48 Stunden alle meine Telefone und das Internet abgestellt hat und ich über mein Notfall-Karten-Handy immerhin in der Störungshotline erfuhr, daß ich außerhalb der Geschäftszeiten anriefe und doch lieber mal unter www.o2... nachgucken solle, sah ich mir Merkel und Schulz herkömmlich über Free-TV (ARD) beim Bügeln an. Unbeeinflusst von irgendwelchen Spin-Doktoren, Hintergrund-Informationen und parteilichen Tweets und Facebook-Einträgen.
Oldschool bin ich sowieso, aber nachdem mein Lieblings-Anbieter O2 wieder einmal seit inzwischen nun 48 Stunden alle meine Telefone und das Internet abgestellt hat und ich über mein Notfall-Karten-Handy immerhin in der Störungshotline erfuhr, daß ich außerhalb der Geschäftszeiten anriefe und doch lieber mal unter www.o2... nachgucken solle, sah ich mir Merkel und Schulz herkömmlich über Free-TV (ARD) beim Bügeln an. Unbeeinflusst von irgendwelchen Spin-Doktoren, Hintergrund-Informationen und parteilichen Tweets und Facebook-Einträgen.
Die Ausgangslage
war klar: Frau Merkel wird gemütlich im Schlafwagen und ohne irgendwelche
inhaltliche Festlegungen in ihre vierte Amtszeit fahren, weil sie Amts-,
Vertrauens- und Sympathieboni besitzt und Herr Schulz nicht recht erklären
kann, wieso man lieber ihn wählen solle.
Das
Format mit den immer gleichen Moderatoren war so dröge und starr, daß auch hier
keinerlei Hilfe für Schulz zu erwarten war.
Wenn er
eine Chance haben wollte, mußte er Knalleffekte bringen, die Zuschauer positiv
überraschen und die Kanzlerin in die Bredouille bringen.
Da seit
Monaten alle SPD-Hoffnungen auf genau diesem einen Spitzenduell lagen, nahm ich
sicher an, im Willy Brandt-Haus werde man sich akribisch vorbereiten und genau
das planen.
Ich war
fast sicher, daß Schulz uns überraschen würde. Dutzende von PR-Experten,
Werbeprofis und Parteistrategen würden sich ja wohl irgendetwas einfallen
lassen, das Merkel echt in Schwierigkeiten brächte.
Und dann
ging es los; die vier Moderatoren natürlich der erwartete Totalausfall. Mit
allen ist Merkel seit Jahrzehnten bekannt; keiner hat sie jemals überrascht.
Sie
stellten genau die Fragen, die René Pfister und Klaus Brinkbäumer vor zwei
Tagen für ihr großes Merkel-Interview im aktuellen SPIEGEL (Nr36, 02.09.2017,
s. 18ff.) ebenfalls verwendeten, so daß Merkel auch genau die Antworten geben
konnte, die ich wörtlich tags zuvor im SPIEGEL gelesen hatte.
Der
einzige Unterschied war, daß im SPIEGEL-Gespräch durchaus mal nachgefragt wurde
und Merkel (erfolglos) ein bißchen pressiert wurde, während Illner,
Maischberger, Klöppel und Strunz nie nachhakten.
Für mich
persönlich war es immerhin noch eine kleine Überraschung zu sehen wie wenig der
rechte Ex-SPRINGER „Journalist“ Strunz in der Lage ist seine AfD-freundlichen
Ansichten zu verbergen; daß er gar nicht erst so tut, als ob er neutral wäre.
In jeder
Hinsicht also weiterhin Idealbedingungen für Merkel, die Wolkige.
Einzig
und allein Schulz hätte den Trott durchbrechen können, dem Duell seinen Stempel
aufdrücken sollen.
Für mich
völlig unverständlich war er aber fahrig und schwach. Rang nach (den
einstudierten) Worten und wenn sie ihm nach einigem Stocken und Zaudern
einfielen, verpuffte die Wirkung völlig, weil sie zu schwach waren. So kreißte
er nach großen Windungen ein Zitat eine schiitischen Philosophen hervor, um die
absolut zu erwartenden Frage nach der Rolle des Islams in Deutschland zu
kontern.
Nachtrag
05.09.17:
"Jenseits von richtig oder falsch gibt es einen Ort. Dort treffen wir uns."
"Jenseits von richtig oder falsch gibt es einen Ort. Dort treffen wir uns."
(Dschalal
ad-Din al-Rumi; persischer Mystiker im 13. Jahrhundert)
Da ich
während ich dies schreibe immer noch offline bin, kann ich es nicht zitieren;
aber es war so banal, daß alle peinlich pikiert in die Runde starrten und der
arme Schulz statt mit einem Zitat zu punkten, doppelte Abzüge bekam, weil er
nachschieben mußte wie toll und bedeutend er diesen Spruch fand.
Wenn man
eine Pointe setzt und sie anschließend erklären muß, war das eine miese Pointe.
Eine andere
offensichtlich vorher zurechtgezimmerte Schulz-Replik war der Verweis auf
Merkels „mit mir wird es keine Maut geben“ von 2013. Schulz wartete
händeringend darauf, daß Merkel irgendetwas ausschließen würde und als das
bezüglich der Rente mit 70 endlich
kam, warf er aber nicht scheinbar spontan „so wie sie auch die Maut
ausgeschlossen haben“ ein, sondern kreißte wieder erst umständlich, indem er
mehrfach betonte wie Merkel sich festgelegt habe, daß er das in diesem Fall
begrüße. Und so ruinierte er wieder seine Pointe, als er viel zu spät das „wie
bei der Maut?“ auf seine Satzgebäude setzte.
Die
Kanzlerin war auf diesen Spruch selbstverständlich vorbereitet, wand sich mit
dem Argument heraus, deutsche Autofahrer würden aber nicht mehrbelastet. Wenn Deutsche im Ausland Maut zahlten, wäre
es nur gerecht, wenn Ausländer in Deutschland Maut zahlten.
Frech
nahm sich das populistisch-nationalistische CSU-Argument auf und schob den
Schwarzen Peter zurück zu Schulz, der als Bundeskanzler die eben beschlossene
Maut sofort wieder abschaffen wolle.
Typischer
Merkellismus. A posteriori übernimmt sie einfach ein Pro-Maut-Argument als
ihres, welches für sie vorher als Argument gegen die Anti-Ausländer-Maut
diente.
Schulz,
jetzt total im Maut-Modus, verzettelte sich daraufhin beim angeblich
unmoralischen Zustandekommen des Maut-Gesetzes.
Nur die
Stimme Thüringens – mit dem bösen, bösen LINKEN MP – hätte im Bundesrat die
Antiausländermaut ermöglicht, während das Saarland - mit „Merkels CDU-MP“ – dagegen gestimmt
hätte.
Völlig
absurd. Denn erstens regiert in beiden Ländern die SPD mit und zweitens spricht
es doch eher für Kramp-Karrenbauer, wenn sie gegen ein Gesetz stimmt, welches
Schulz so schlecht findet, das er es als Bundeskanzler sofort stoppen will.
Tatsächlich
hätte Schulz an diesem Punkt die Kanzlerin sehr in die Enge treiben können.
Dazu verwies er aber nur müde auf den CDU-Finanzminister Schäuble, der sich
sorge, ob sich der Aufwand für die Maut lohne.
Als
guter Wahlkämpfer hätte er aber Kampfvokabeln wie „Bürokratiemonster“ auspacken
müssen und den TV-Zuschauer mit konkreten Zahlen schocken müssen, wie aufwändig
und teuer das Eintreiben der Maut ist.
Das
rechtliche Kernargument, mit dem der CSU-Nationalismus enttarnt wird, nämlich,
daß in anderen Europäischen Ländern, die Maut erheben ALLE Maut bezahlen und
nicht etwa die eigenen Bürger ausgenommen werden, vergaß Schulz völlig; ebenso
wie den europäischen Gedanken, der ihm doch angeblich so wichtig ist. Daher
hatte ja auch das Saarland gegen die Antiausländermaut gestimmt, weil die
grenznahen Bundesländer extrem vom „kleinen Grenzverkehr“ profitieren.
So war
es bei allen Themenkomplexen; die starken sachlichen Argumente gegen die
Merkel-Linie fielen Schulz partout nicht ein.
So ging
er ihr bei der Schonung der Auto-Konzerne voll auf den Leim, indem er ihr
eifrig zustimmte es ginge um die 800.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie.
Mit
keinem Wort erwähnte er, daß es im Bereich der erneuerbaren Energien inzwischen
mehr Arbeitsplätze gibt, als bei VW, BMW und Co.
Mit
keinem Wort erwähnte er, daß man mit dem Bau von emissionsarmen, wenig Benzin
verbrauchenden und legal deklarierten Autos mindestens genauso viele Arbeitsplätze benötigt.
Mit
keinem Wort erwähnt er die Kehrseite des Dieselskandals, nämlich die
Hunderttausenden Kinder und Erwachsenen, die durch die enormen städtischen
Stockoxidbelastungen an Asthma, Neurodermitis und anderen Krankheiten leiden.
Die Gesundheit der Kinder war ihm kein Wort wert; es ging nur um den
Wiederverkaufswert der Dieselautos.
Mit
keinem Wort erwähnte er wie gewaltig Deutschland inzwischen durch Merkels-Auto-Pampern
technologisch hinter Japan, Frankreich, Italien und den USA zurückhängt.
Mit
keinem Wort erwähnte er, daß mit Groß Britannien sogar das Mutterland des
Kapitalismus einen Ausstiegstermin aus dem Verbrennungsmotor genannt hat.
Und die
unglaubliche Steilvorlage, endlich auch den größten politischen Versager seit
Jahrzehnten, nämlich Alexander Dobrindt einzugehen, erkannte Schulz erst recht
nicht.
(Haha
Breibandausbau, flächendeckendes schnelles Internet mit Internetminister
Dobrindt. Ich sitze hier mal wieder seit Tagen offline rum und kann niemand
erreichen, der sich darum kümmern würde.)
Der
SPD-Mann hängte sich einfach an die Merkel-Argumentation, stimmte ihr zu und
unterschied sich nur um Nuancen.
Ganz
ähnlich verlief es beim Hauptthema Flüchtlinge.
Auch
hier vertrat Schulz die reine Merkel-Linie, wollte sie aber in Details
übertreffen. Mehrfach gab er sich als
harter Hund, wenn es darum ging „Gefährder“ abzuschieben.
Merkel
konnte sich da als die abwägende Analytikerin geben, die schon weiter denkt;
nicht nur Grenzen sichern will, sondern auch strategisch genial damit begonnen
habe die Fluchtursachen zu bekämpfen. Schließlich verließe keiner gern sein
Heimatland und wolle vermutlich auch zurückkehren, sobald es da sicher wäre.
Schulz
versprach ein modernes Einwanderungsrecht wie in den USA, Kanada oder
Australien.
Dann
könnten migrationswillige Menschen schon in ihren Heimatländern Anträge stellen
und müßten nicht über Jahre tatenlos in Deutschlands Notunterkünften auf
BAMF-Entscheidungen warten.
Entscheidungen,
die dank Merkels CDU-Innenministers viel zu lange brauchen.
Natürlich
ließ er sich die Gelegenheit entgehen bei der Erwähnung de Maizières dessen
indiskutable xenophobe Politik und seine ständigen Lügen zu thematisieren.
Merkels
dreiste Behauptung sie arbeite an der Beseitigung der Fluchtursachen, nahm
Schulz nur zustimmend hin.
Was für
eine verpasste Gelegenheit. Auch hier hätte er sie knallhart stellen müssen und
eine Liste runterrattern können, inwiefern Merkel sogar stetig dafür sorgt die
Fluchtursachen zu verstärken: Deutsche Waffenexportrekorde, europäisches
Leerfischen der afrikanischen Küstengewässer, Entziehen der Existenzgrundlage
von Millionen afrikanischen Landwirten durch Überschwemmung von
hochsubventionierten EU-Agrarprodukten (Stichwort „Hühnerklein“), Spekulation
mit Lebensmittelpreisen, Nichteinhalten der deutschen Entwicklungshilfezusagen,
Stärkung von afrikanischen Terrorregimen.
Es hätte
so viele Argumente gegen Merkel gegeben, so viele Möglichkeiten sie ins
Schwitzen zu bringen.
Leider
fiel Schulz nichts davon ein.
Es fiel
ihm auch nicht ein, wieso er eigentlich Kanzler werden will und mit welchen
Parteien er sich dazu wählen lassen will.
Ich bin
Sozialdemokrat. Für mich ist ein sogenanntes Spitzenduell nicht
ausschlaggebend.
Hätte
ich das deutsche Wahlrecht, würde ich niemals für die CDU stimmen, niemals
für Merkel. Meine Stimme hätte Schulz, weil er allemal das kleinere Übel ist,
weil die CSU aus der Regierung fliegen muß, weil ich von der Leyen, Schäuble
und de Maizière nicht mehr sehen will, weil ich wirklich glaube, daß eine
andere Bundesregierung vieles besser machen könnte.
Schulz
ist auch nicht allein die SPD.
Aber um
die 40% der deutschen Wähler sind angeblich noch unschlüssig was sie überhaupt
wollen und wie sie Merkel finden. (Es ist mir ein Rätsel.)
Solche
Leute muss man bei dem großen TV-Duell argumentativ packen, wenn man schon
ähnlich Charisma-befreit ist, wie die Amtsinhaberin.
Meiner
Ansicht nach hat Martin Schulz dabei heute völlig versagt.
Sicher
könnte er womöglich dennoch ein guter Kanzler sein. Aber um überhaupt Kanzler
zu werden, muß man auch entertainen können. Daran fehlt es.
Nachtrag:
Hatte ich schon gesagt wie sehr ich O2 verachte?
Hatte ich schon gesagt wie sehr ich O2 verachte?
Am Freitag, innerhalb eines
Zehnstunden-Zeitfensters, acht Tage nachdem ich einen kompletten Systemausfall
erlitt, soll ein Techniker zu mir kommen.
Dafür wurde ich gezwungen einen weiteren O2-Vertrag
abzuschließen, um wenigstens einen Internetstick zu bekommen, der nun, nach
fünf Tagen offline, funktioniert.
Videogucken,
Bilder einfügen, Downloads – all das wird erst mal schwierig. Aber ich kann, so
Darwin will, ein bißchen Text in den Blog eingeben…
Alles
Offline-Tammox, basierend auf Print-Zeitungs-Infos und TV.