Wie ich schon gestern darlegte, wird es bei der SPD
offensichtlich gar keine Veränderungen geben, weil alle strategischen Alternativen noch schlechter sind
und sich auch bei den personellen Alternativen zu Frau Nahles niemand anbietet.
Heute lese ich außer Schwesig noch die Namen Weil und
Dreyer.
Beide sind integre, freundliche Ministerpräsidenten. Aber
beide sind auch völlig Charisma-befreite Provinzpolitiker, die auf der
nationalen und erst recht auf der internationalen Bühne nichts verloren haben.
Ausgeschlossen, daß sie die SPD wiederbeleben könnten.
2,1 Millionen Stimmen ließ die SPD im Vergleich zur
Europawahl vom 25.05.2014 liegen (bei deutlich gestiegener Wahlbeteiligung);
die kommen nicht sofort zurück, wenn statt der proletigen Pfälzerin Nahles, die
pragmatischere Pfälzerin Dreyer der Partei vorsitzt.
SPD-Stimmen Europawahl.
07.06.2009: 5.472.566 = 20,8%
25.05.2014: 8.003.628 = 27,3%
26.05.2019: 5.914.953 = 15,8%
Es gibt keinen schnellen Ausweg aus der SPD-Superkrise.
Die Grünen zeigen aber, wie man Politik frischer verpacken
und sympathischer kommunizieren kann. Die Grünen, die immerhin entschieden und
enthusiastisch die Agenda-Politik mittrugen und durchsetzten und nun der
U30-Generation als moralisch makellos erscheinen.
Offenbar kann man also mit den richtigen Personen und
wirksamen Methoden das Image einer unhippen Verbotspartei, die mit Veggiday und
hohen Spritpreisen droht, grundsätzlich zum Positiven wandeln.
Den Grünen fällt dieser Wahrnehmungswandel leichter, weil
sie in der Opposition sind. Aber wieso fängt die SPD nicht endlich damit an a)
ihre Erfolge in der Groko zu kommunizieren und b) der Union den Schwarzen Peter
zu zuschieben?
Wieso lässt sich das Willy-Brandt-Haus ohne Gegenwehr für
alle Schweinereien in Haftung nehmen, die sich die CDU auf Kosten der „kleinen
Leute“ und der Umwelt leistet?
Weshalb lassen sich die Hobbystrategen des WBH mit dem
Slogan „raus aus der Groko“ so sehr ins Bockshorn jagen?
Das ist unnötig.
Man kann sehr einfach erklären, weshalb alle Alternativen zur Groko schlechter für das SPD-Klientel
sind und man kann grundsätzlich erklären, daß man als 20%-Partei eben nicht
100% der Regierungspolitik bestimmt.
Koalitionen sind vernünftig und bedeuten leider immer, daß
man ein paar Schweinereien der anderen mittragen muss, die man ablehnt.
Man kann das aber rechtfertigen, wenn man mehr bekommt, als
man gibt. Wenn also die politischen Gegner in der Koalition mehr Kröten
schlucken müssen als man selbst.
Das ist in den Merkel-Grokos leicht, da man nur
das Gejammere der CDU darüber, daß „reine SPD-Politik umgesetzt“ würde,
aufschreiben muss.
Insbesondere in der Groko Merkel II von 2013 bis 2017
stöhnten Unionsparlamentarier, da die SPD-Minister in Windeseile ihre Projekte
durchsetzten, während die CDU-Ressorts kaum wahrnehmbar waren. „Die
Sozialdemokratisierung der CDU“ wurde zum Kampfbegriff, der gegen Merkel
verwendet wurde.
Wieso schlachtete das WBH das nicht als ihren Erfolg aus?
In der gegenwärtigen Groko ist das relative Ungleichgewicht
sogar noch günstiger für die SPD, weil die Sozen die deutlich wichtigeren
Ressorts besetzen (die CDU hat sich immer noch nicht von dem Schock erholt das
mächtige Finanzressort gegen das schwache Wirtschaftsministerium getauscht zu
haben) und zudem auch die Unionsministerien personell extrem schwach sind.
Klöckner, Seehofer, von der Leyen, Karliczek und Altmaier
sind allesamt Totalausfälle. Spahn ist außerordentlich umtriebig, aber auch
ebenso unbeliebt. Das Netteste, das man über Kanzleramtsminister Braun sagen
kann, ist daß er vollkommen unbekannt ist.
Die sechs Sozen arbeiten devot ihre Projekte ab und hoffen
still und leise, man möge sie irgendwann dafür mögen.
Bis auf Frau Schulze haben sich alle SPD-Minister als
Stützen des Kabinetts gezeigt.
Das WBH muss nicht nur mit dem Pfund wuchern, sondern sollte
dringend damit anfangen angesichts der dramatischen demoskopischen Lage Klöckner,
Spahn, Seehofer, von der Leyen, Karliczek und Altmaier unter Feuer zu nehmen.
Es wäre ja schön, wenn geräuschlose, funktionierende
Regierungsarbeit honoriert würde. Das ist aber nicht so; daher muss der
SPD-General kontinuierlich auf CDU und CSU schießen, um auch dem letzten
potentiellen Wähler einzuhämmern, daß CDU/CSU und SPD eben nicht „irgendwie das
Gleiche“ sind, wie es Rezo so primitiv vereinfachend
darstellte.
Erinnert sich noch jemand wie während der
Schröder/Fischer-Regierung (1998-2005) wegen der Verpackungsverordnung und des
Trittinschen Dosenpfands gegen die SPD gehetzt wurde?
2004 waren 33,7% der Verpackungen Einweg und 66,3% Mehrweg.
2004 waren 33,7% der Verpackungen Einweg und 66,3% Mehrweg.
Dann kam Merkel.
2016 wurden in Deutschland 34 Plastikkaffeebecher pro Person
verbraucht. 2,8 Milliarden Wegwerfplastikbecher plus 1,3 Milliarden
zusätzlicher Kunststoffdeckel. Insgesamt 28.000 Tonnen
Plastikgetränkeverpackungen.
Unter CDU-Ägide drehte die Bundesrepublik das Rad zurück. Im
Lichte der Meeresvermüllung und Klimakatastrophe wurde Deutschland schlimmer
als je zuvor.
Das sind knackige Zahlen, für die man sich in Grund und
Boden schämen sollte.
Umweltministerin Schulze sollte nicht mit Starbucksfilialen
sprechen, sondern ein radikales Gesetz einbringen, während das WBH
ununterbrochen die Lobbyisten-hörigen Klöckner und Altmaier und attackiert und
jedem einzelnen Wähler klar macht, welche Folgen die CDU-Politik hat.
Ein weiteres Beispiel, das für das Megathema Klima besonders
relevant ist: Der Benzinverbrauch.
Schon vor dem Antritt der Schröder-Regierung gab es dazu auf
rotgrüner Seite drastische Vorschläge („Fünf Mark der Liter Benzin“);
Umweltminister Trittin machte gewaltigen Druck und setzte auf Betreiben Gerd
Schröders die ökologische Steuerreform durch, um hohen Energhieverbrauch zu
sanktionieren.
Genau der richtige Ansatz. Genauso hätten wir heute auch die
deutschen Klimaziele erreicht.
Soweit kam es aber nicht, weil die Deutschen schon nach
wenigen Monaten Rotgrün im Januar 1999 den Bundesrat wieder auf Schwarzgelb drehten
und Merkel jedes zustimmungspflichtige Gesetz blockierte. Wir reißen alle
Klimaziele, weil seit 2005 die CDU im Kanzleramt sitzt.
Man kann das sehr eindrucksvoll belegen – sogar auf Video,
so daß es auch Rezo verstehen müsste.
[…..] Das für die Union peinlichste
Social-Media-Video der vergangenen Woche ist nur 37 Sekunden lang. Es handelt
vom Thema Klimaschutz.
Es geht darin um die Frage, ob in Deutschland endlich eine CO2-Steuer
eingeführt wird. Der Umweltsachverständigenrat hat eine vorgeschlagen, damit
das Land seine Klimaschutzziele erreicht. Angela Merkel will keine. Sie wird
mit den Worten zitiert, sie sei zuversichtlich, dass die Automobilindustrie
demnächst das "Drei-Liter-Auto" auf den Markt bringen werde. Die Firmen
wüssten ja, "dass ansonsten härtere Maßnahmen auf sie zukämen".
Der Clip stammt aus der "Tagesschau" vom 2. April 1998. Jetzt
kursiert er auf Twitter, als Zeugnis eines historischen Irrwegs.
Merkel war damals Bundesumweltministerin. Drei-Liter-Auto kam exakt eins,
aber das wollte kaum jemand haben. Warum auch, der Sprit war ja weiterhin schön
billig. Bis heute hat sich folgerichtig eher das Modell Vorstadtpanzer
durchgesetzt auf Deutschlands Straßen. Als bereiteten sich all die Pendler
unbewusst schon mal auf eine postapokalyptische "Mad Max"-Zukunft
vor, aber bitte mit allen Annehmlichkeiten, die die Extraliste so hergibt.
Am 6. Mai 2019, gut 21 Jahre nach dem zitierten
"Tagesschau"-Bericht, twitterte Nico Lange, Vertrauter und
Chefstratege der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, zum Thema
#CO2Steuer: "Wir wollen nicht vorschnell zu einem scheinbar einfachen
Mittel greifen."
"Vorschnell". "Scheinbar". Langes Tweet ist nur
eines von zahllosen Beispielen, in denen Unionspolitiker jetzt, im Jahr 2019,
so tun, als sei das Thema Klimawandel gerade erst aufgetaucht. Als sei jetzt
erst mal in Ruhe zu überlegen, was da zu tun sei. […..]
Hallo Nahles und Klingbeil, Ihr Schlafmützen! Wieso ist das Video nicht im Europawahlkampf in
Endlosschleife gelaufen?
So von wegen #Rezo Video und kein #AmthorVideo und #NieMehrCDU.— clas hannes (@clas_hannes) 22.
Angela Merkel weiss schon am 2.4.98 warums keine #CO2Steuer braucht. pic.twitter.com/OdGny3LJvQ
Wieso wird nicht täglich auf die Quandtschen Großspenden an
die CDU verwiesen, die engsten Merkel-Mitarbeiter, die nun wie von Klaeden Autolobbyisten
sind?
Wieso prangert die SPD nicht jeden Tag Matthias Wissmann, CDU-Großzampano und Minister im Kabinett Kohl/Merkel, der jetzt Europas mächtigster Agitator gegen die Drosselung von klimaschädlichen Gasen ist?
Wieso prangert die SPD nicht jeden Tag Matthias Wissmann, CDU-Großzampano und Minister im Kabinett Kohl/Merkel, der jetzt Europas mächtigster Agitator gegen die Drosselung von klimaschädlichen Gasen ist?
(….) Gut möglich, daß sich die
international inzwischen technisch abgehängte deutsche Autoindustrie nicht mehr
erholt.
Möglich wurde das durch eine
beispiellose Verflechtung von Merkel-Regierung und PKW-Lobby.
Matthias Wissmann, CDU,
Bundesverkehrsminister 1993-1998 und Kabinettskollege Merkels wurde 2007
Präsident des Verbandes der Automobilindustrie.
Eckart van Klaeden, CDU, Merkels
Kanzleramts-Staatsminister von 2009-2013 wurde nachdem er zu Gunsten Daimlers
und BMWs in Brüssel gegen CO2-Abgaben intervenierte, sofort 2013 als
Daimler-Cheflobbyist eingestellt.
Thomas Steg, SPD-Berater,
2002-2009 Merkels Vizeregierungssprecher dient seit 2012 als VW-Cheflobbyist.
Martin Jäger, Staatssekretär bei
CDU-Vizeministerpräsident, CDU-Vizebundesvorsitzender und
Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl, wurde nach Stationen im Bundeskanzleramt
und Außenministerium von 2008 – 2013: Daimler AG/Mercedes Benz, Leiter „Global
External Affairs and Public Policy”, wechselte 2014 – 2016 Bundesministerium
der Finanzen, Leiter des Leitungsstabs und Sprecher Schäubles.
Michael Jansen, CDU, 2006-2009
Merkels Büroleiter im Konrad-Adenauer-Haus, fungiert seit 2015 als Chef der
Berliner VW-Vertretung.
Maximilian Schröberl, CSU,
1992-1998 Pressesprecher der Christsozialen amtiert seit 2006 als
BMW-Cheflobbyist.
Joachim Koschnicke, CDU,
2005-2011 Planungschef der CDU, arbeitete von 2013-2017 als
Politik-Vizepräsident bei Opel, wurde aber soeben von Merkel als
CDU-Wahlkampfmanager zurückgeholt. (…..)
Vom Willy-Brandt-Haus erwarte ich, daß solche Fakten dem Volk
eingehämmert werden. Die klimaschädliche Politik Deutschlands ist umso
erbärmlicher, weil wir vor 20 Jahren unter einer SPD-Kanzlerschaft schon mal
viel weiter waren.
Die Wähler – und da insbesondere die apathischen Nichtwähler
aus Rezos Generation – haben aber dafür gesorgt, daß die CDU ins Kanzleramt
kam.