Freitag, 4. März 2016

Das politische Ende



John Edwards scheiterte fürchterlich.
Das war vor acht Jahren. Als der Frommste der demokratischen Präsidentschaftskandidaten wollte er wie der fromme Erdnussfarmer Carter die Christen hinter sich vereinen. Edwards, Südstaatler, Prediger und klar gegen Samesex-marriage positioniert hätte 2008 zum US-Präsidenten gewählt werden können.
Aber mitten im Wahlkampf vögelte er fremd. Es flog natürlich auf, weil ein Potus-Kandidat immer total durchleuchtet wird und so flog Edwards aus dem Rennen.

 Es gibt eine Sache, die den Allgemein-Amerikaner so brennend interessiert wie nichts anderes:
Wo steckt ein Politiker seinen Penis hinein?
Natürlich sind dabei die Penisse am interessantesten, die den religiösesten Typen gehören.
[…]
Wer könnte das besser wissen, als Senator John Edwards, der beide Seiten der Medaille kennt: Er vertrat Bill Clinton 1999 als Anwalt vor dem Untersuchungsausschuß beim Impeachmentverfahren.
Edwards kandidierte 2004 und 2008 selbst für das Präsidentenamt, war 2004 als Vizepräsident unter Kerry nominiert.
Edwards betrog aber auch seine Frau mit der 43-jährigen Video-Produzentin Rielle Hunter - wie er jetzt tränenreich und zerknirscht einräumen mußte.
Zu allem Übel ist Elizabeth Edwards wegen ihres mutigen Kampfs gegen ihren Krebs in den USA auch noch sehr beliebt. Das Paar hat drei Kinder, ein weiterer Sohn kam im Alter von 16 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.
Damit ist die politische Katastrophe für ihn nur noch größer. Selbst seine engsten Weggefährten beben nun vor Wut über ihn.
Heuchler allüberall - aber man fragt sich schon wie man DERARTIG DUMM sein kann?
Abgesehen davon, daß Edwards selbst nun natürlich politisch tot ist, hätte er womöglich damit auch noch den blöden GOPsen die Präsidentschaft auf dem Silberteller serviert, wenn er selbst Kandidat geworden wäre, oder von Obama als Vize nominiert worden wäre.
Und DAS finde sogar ich unverzeihlich.

Um das klar zu stellen: Meiner Ansicht nach sind die sexuellen Vorlieben und Abwechslungen eines Menschen völlig irrelevant für seine Eignung als Toppolitiker.

Ein amerikanischer Politiker, der nicht weiß, daß meine Ansicht eine absolute Minderheitenposition ist, der darüber hinaus glaubt er könne mitten im Fokus der amerikanischen und Weltöffentlichkeit Vögelei mit anderen Menschen geheim halten, ist dumm. Es ist aber nicht nur dumm, sondern gefährlich. Denn mit so einem Verhalten kann man (in den USA) die ganze Partei in den Abgrund reißen und dem politischen Gegner den Sieg schenken.

Das ist eben keine Frage der Moral, sondern eine Frage der elementaren politischen Klugheit.

Dieser Tage liest man viele Artikel über die Wirkung und Verbreitung von Crystal Meth. Außerdem wird erklärt wieso Politiker anfällig für Drogen sind.

Der Berliner Kurier listet unter dem Titel Politiker und die Sucht Kokser, Sniffer, Trinker in Nadelstreifen auf welche Protagonisten außer Volker Beck schon mit Drogenskandalen auffielen.

Das ist alles ehrenhafte Pressearbeit, das ist alles interessant, geht aber meines Erachtens nach am Thema Volker Beck und das Crystal Meth vorbei.

Wie kaum ein anderer Beruf ist der des Politikers von Macht, Aufmerksamkeit, Öffentlichkeit und Stress gekennzeichnet. Ich halte es für völlig natürlich, daß unter diesen Bedingungen Promiskuität und Drogen viel verbreiteter als beispielsweise bei Förstern ist.

Glücklicherweise sind Deutsche oder auch Franzosen weiter als Amerikaner und erachten eheliche Treue kaum noch als Kriterium für die Wahl eines Politikers.

Bei Drogen sind wir allerdings nicht weiter als Amerikaner. Ich glaube zwar durchaus, daß auch in Deutschland trotz der weitgehenden Illegalität eine Majorität der Bürger alle Augen inklusive Hühneraugen zukneifen würden, wenn es um etwas Gras ginge, aber das ist bei Substanzen mit einem derart verheerenden Image wie Crystal Meth anders.

Beck ist ein Blödmann, wenn ihm nicht klar ist welches Risiko er eben nicht nur für sich, sondern für die ganze Partei eingeht.
Er ist einer der prominentesten Grünen überhaupt, er wird in Berlin überall erkannt und er ist jemand, den alle Rechten ohnehin auf dem Kieker haben, weil er a) nie ein Geheimnis daraus machte schwul zu sein und b) seit vielen Jahren (berechtigt oder nicht) diese Kindersex-Befürworter-Gerüchte aus grauer grüner Vorzeit an sich kleben hat.
Wenn nun dieser Super-Promi Beck, den es seit Jahrzehnten in die Talkshows, auf die Bühnen und in Zeitungen drängt, eine gute Woche vor für seine Partei extrem wichtigen Wahlen in drei Bundesländern mitten in der deutschen Hauptstadt persönlich zu einem Meth-Dealer spaziert, um sich dort Stoff zu kaufen, ist das sagenhaft dumm.
Es ist, genau wie bei Edwards damals sehr dumm und gefährlich.
So ein Risiko kann sich keine Partei leisten und Beck verliert daher völlig zu Recht seine Parteiposten; sollte sogar sein Bundestagsmandat zurückgeben.

Beck steht doch seit 20 Jahren unter Dauerattacke der rechten Medien.
Er muß doch wissen wie eine Zeitung wie die BILD reagiert, wenn er beim Crystal-Meth-Kauf erwischt wird.


Unter einem Hitler-Vergleich tut es SPRINGER nicht.
Und das ist, ganz wie für die Zeitung von Angela Merkels bester Freundin Friede Springer zu erwarten, noch keineswegs alles.
Die BILD legt sofort nach und sieht generell die Berliner Schwulen im Sumpf der „Hitler-Droge“. Man kennt ja die Homoperversen – tun den ganzen lieben langen Tag nichts anderes als Rudelbumsen im Drogenrausch.

Deutschland diskutierte und auch wir fragten uns, ob die Bild mit dieser Überschrift den Boden des schlechten Geschmacks erreicht hatte. Spätestens ab heute wissen wir: Nein. Es geht noch tiefer. Viel tiefer. Frei nach dem Motto „Bad publicity is good publicity" zaubert die Bild ein richtiges Sahnestück aus dem redaktionellen Hut: Hitler-Droge flutet die Schwulenszene. Darin wird dem Leser zunächst klar zu machen versucht, dass Chemsex-Partys der heißeste Scheiß in der hauptstädtischen Schwulenszene sind.

Was für ein Novum DER Hitler-Drogen-Trend wirklich ist, zeigt allein schon unser Artikel aus dem Jahr 2014 mit dem Titel: „Crystal Meth ist schon längst in Berlins schwuler Clubszene angekommen".
Der vermeintlich Aufhänger ist also Bullshit, für Bild aber nötig, um im weiteren Verlauf des Textes die schmierige Nummer abzuziehen, die sie sich vorgenommen hat. Schon gestern hat sie höchst suggestiv mit einer Reductio ad Hitlerum den Ruf von Volker Beck zu diffamieren versucht.

1. Adolf Hitler ist schlecht
2. Adolf Hitler nahm Pervitin/Crystal Meth
3. Volker Beck nahm Crystal Meth
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4. Es folgt: Volker Beck ist schlecht

Im jüngsten Artikel geht die Bild noch einen Schritt weiter; sowohl was die Diffamierung des grünen Politikers anbetrifft als auch die Sub­ti­li­tät, mit der sie es anstellt. Nachdem also Crystal Meth erstmal zum neuesten Trend in der Schwulenszene erklärt wurde, geht die Redaktion dazu über, die verdorbenen Praktiken auf den ominösen „Chem Partys" dem treuen Bild-Publikum zu beschreiben. Die Infos hierfür hat man sich vom szene-erprobten Stadtmagazin Zitty eingeholt: [….]


Ich wundere mich, daß die vielen Verteidiger Becks, die es durchaus auch in den Redaktionen gibt, auf der mangelnden Beweislage, der Doppelmoral, der juristisch kaum greifbaren kleinen Menge von 0,6 g herumkauen, wenn sie Becks Abgang bedauern.

Volker Beck lebt. Das sollte man nicht vergessen. Denn wenn man derzeit auf seine Facebook-Seite geht, liest es sich mitunter ganz anders. Da sind die Leute "traurig und betroffen", sie schreiben: "Danke für alles", "ein trauriger Tag", "du wirst sehr fehlen" und "der Respekt für deine Leistungen wird bleiben". Eine frühere grüne Bundestagsabgeordnete wird von der "Süddeutschen Zeitung" mit den Worten zitiert, man "verliere" einen der "Allerbesten". So viel anders würden die das alle nicht formulieren, wenn Beck einen tödlichen Skiunfall gehabt hätte - aber nein, er hatte eine andere Art von Unfall, wenn man so will.

Stokowski hat Recht, schreibt aber am Thema vorbei.

Natürlich sind 0,6 g eine winzige Menge und natürlich ist es doppelmoralisch Meth so viel mehr als alle anderen Drogen zu verteufeln.
Trotzdem bleibt Beck ein Blödmann, weil er den Shitstorm hätte ahnen müssen und trotzdem riskierte Winfried Kretschmann im viel konservativeren Baden Württemberg die Wahl zu versauen. Shame on you, Beck!

Hinzu kommt noch, daß Beck selbst ein Moralist ist, also oft moralisch argumentiert.
 Da ist wie beim frommen Edwards und der ehelichen Untreue die Fallhöhe größer.

Nun ist der Moralist Volker Beck mit einer nennenswerten Menge eines offenbar harten Rauschgifts erwischt worden. Der Konsum solcher Drogen steht aus guten Gründen unter Strafe; Crystal Meth ist kein Feierabend-Joint. Zwar darf Beck juristisch deswegen nicht härter angefasst werden als der durchschnittliche Crystal-Junkie. Aber dennoch wiegt bei ihm so eine Verfehlung schwerer als bei anderen - aus moralischen Gründen.
Es darf nicht sein, dass sich Crystal-Kids herausreden wollen mit dem Satz: "Die in Berlin machen das doch auch." Als relativ prominenter Politiker, zumal als Politiker mit einem meilenhohen moralischen Anspruch, wird Beck nicht so sehr als fehlbarer Mensch wahrgenommen, sondern er ist auch ein Symbol für die Grünen und die Politik. Beck ist dies bewusst, er hat all seine politischen Ämter niedergelegt. […..] Der politische Typus des linken Moralisten stößt bei Rechten auf Verachtung ("Gutmenschen" ist noch die freundlichste Schubladisierung), bei Konservativen mit Manieren auf arrogante Nachsichtigkeit und bei solchen, die sich selbst als Liberale bezeichnen, auf Ablehnung. Die FDP versucht ihren Wiederaufstieg auch als Anti-Moralisten-Partei.

Ich glaube nicht, daß Beck sich von diesem Rückschlag politisch erholen wird.
Schon einmal rutschte er verdammt tief ab, als die Pädophilen-Vorwürfe aufkamen. Nun auch noch das Zeug aus „Breaking Bad“, das BILD und die Rechten auf Facebook fleißig mit wüsten schwulen Sexorgien in Verbindung bringen.

Die „Pädogeschichte“ halte ich für nicht genügend belegt und zu lange her, um Beck als Politiker zu diskreditieren und das Meth sollte seine Privatsache sein.
Aber so ist die reale politische Welt nun einmal nicht. Das muß man wissen als Berufspolitiker und soll sich nicht wundern, wenn man sich damit selbst aus dem Rennen nimmt.

Auch wenn für mich die eine Sache nicht bewiesen und die andere zumindest moralisch irrelevant ist, weine ich Beck keine Träne nach.

Ich lehne ihn als Politiker aus drei Gründen ab:

1.
Becks ausgesprochene Religiösität. Er ist, bzw war, religionspolitischer Sprecher seiner Fraktion, setzte sich immer für Privilegien der Kirchen ein und gab dem Papst Ratzinger im Bundestag Standing Ovations. Beck applaudierte also dem Mann, der als Bischof selbst bekannte Pädophile in neue Gemeinden schickte, der als Inquisitor dafür sorgte, daß weltweit kinderfickende Priester nicht den Behörden gemeldet wurden und der als Papst demonstrativ den größen Kinderficker-Aufklärungsverhinderer Bischof Müller zum Chef der Glaubenskongregation erhob.
Diesem Ratzinger, der sich zudem immer wieder schwer homophob äußerte und Holocaustleugner rehabilitierte, applaudiert man nicht stehend im Bundestag, Herr Beck.

2.
Meiner Ansicht nach darf jeder seinen Penis ab- oder beschneiden, ihn tätowieren, piercen, operieren wie er will – vorausgesetzt man ist über 18! Kindern darf man nur am Penis rumschneiden, wenn es aus medizinischen Gründen notwendig sein sollte.
Man darf nicht an Penissen rumschneiden, um wie einst Herr Kellogg damit die vermeidlich unmoralische Masturbation zu verhindern, man darf nicht bei den jährlich rund 40.000 in Deutschland geborenen Babys mit unklarem Geschlecht den Penis amputieren, um sie zu Mädchen zu machen, weil eine überkommene Moral ein eindeutiges Geschlecht verlangt und schon gar nicht darf man aus religiösen Gründen Vorhäute von Kindern und Säuglingen abschneiden.
Herr Beck gehört zu den intensivsten Verteidigern der Säuglingsbeschneidung, argumentiert dafür irrerweise im Bundestag, indem er aus der mörderischen Genesis vorträgt und lügt darüber hinaus auch noch in perfider Weise über die Gefährlichkeit solcher Eingriffe.

„In den USA, wo die Beschneidung übliche Praxis ist, sterben mehr Jungen an der Zirkumzision als am plötzlichen Kindstod. Ganz zu schweigen von den 1.000 schwer verletzten Jungen, die jedes Jahr in den USA ihre ganze Eichel verlieren. Beschneidung ist richtig gefährlich – auch dann, wenn sie angeblich kunstgerecht durchgeführt wird.“
(Christian Bahls)

„Bei der Abwägung muss auch die Bedeutung des Eingriffs bewertet werden. Er ist in der Tat irreversibel, aber doch vergleichsweise gering – eine gesundheitliche Schädigung ist nicht die Folge..“
(Bundestagsrede von Volker Beck, 19.07.2012)

Beschnittene Männer berichten in Psychotherapien darüber, dass sie unter dem Gefühl leiden, es sei ihnen ohne ihr Einverständnis etwas weggenommen worden. In der Tat hat die Vorhaut wichtige erotische Funktionen: Sie erleichtert die Penetration und erhält die sexuelle Erregbarkeit. […] Die Entfernung der Vorhaut von Säuglingen ist buchstäblich einschneidender als die von Erwachsenen oder älteren Kindern. Da Vorhaut und Eichel bei fast allen Neugeborenen noch fest verwachsen sind, ähnlich wie Fingernägel mit dem Nagelbett, müssen diese beiden Strukturen zunächst einmal auseinandergerissen werden. Danach wird - je nach Methode - die Vorhaut längs abgeklemmt und eingeschnitten, mit einem Beschneidungsinstrument rundum für mehrere Minuten gequetscht und schließlich mit einem Skalpell amputiert. Die gesamte Operation dauert bis zu zwanzig Minuten. Obwohl in medizinischen Studien bewiesen wurde, dass die Neugeborenen extreme Schmerzen erleiden, ist eine adäquate Betäubung auch heute noch eher die Ausnahme als die Regel.
(Prof. Wolfgang Schmidbauer)

Becks Feldzug gegen intakte Kinderpenisse ist zudem doppelt verwerflich, weil sie der UN-Kinderrechtskonvention widerspricht und gerade als Politiker, der Pädophilie-Legalisierungs-Vorwürfe an sich kleben hat, sollte sich nicht auch noch über die physischen Unversehrtheit von kleinen Jungs hinwegsetzen.

3.
Beck greift in der persönlichen Auseinandersetzung zu perfiden Methoden.
Ich habe das selbst erlebt, als er mich auf Facebook auf widerlichste Art angriff.
So ein Verhalten mir gegenüber würde ich nicht zum generellen Kriterium gegen einen Politiker machen, aber in dem Fall ging Beck anschließend vor die Presse und an das Rednerpult des Bundestags um in unerträglicher Larmoyanz zu beklagen wie gemein alle zu ihm im Netz wären, obwohl er derjenige war, der so austeilte, daß ich fassungslos um einen Shitstorm gegen ihn bitten mußte.

Becks übliche Gegner wie Erika Steinbach, AfD und sonstige stramm Konservative sind auch meine Gegner.
Daß ich rein zufällig wie Beck auch für eine extrem liberale Drogenpolitik und für völlige rechtliche Gleichheit homosexueller Menschen eintrete, kann nicht meine Ablehnung seiner anderen Positionen wider das Kindeswohl und für die Kirche kompensieren.

Beck ist weg? Gut so.