Wer in
Hamburg lebt und viel Platz zum Leben haben will, muß entweder sehr reich sein
oder bereit sein sich in einen Randbezirk zu verziehen.
Dabei
kommen noch nicht mal alle Ränder in Frage. Wellingsbüttel, der zu den „Walddörfern“
zählende Stadtteil im Nordosten, verfügt über einige der teuersten Straßen und
spektakulärsten Villen Hamburgs. Ein ähnliches Bild am ganz anderen Ende;
Blankenese und die Elbchaussee ganz im Westen sind ebenfalls nur für sehr viel
besser Verdienende erschwinglich. Die im Zentrum gelegenen Stadtteile rund um
die Außenalster – Rotherbaum, Harvestehude und die Uhlenhorst – rufen inzwischen
Mieten von 16-17 Euro kalt pro Quadratmeter auf.
Wer dort
eine Wohnung kaufen möchte, bezahlt bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter. Mit Blick
auf die Außenalster können es auch bis zu 20.000 Euro pro Quadratmeter werden.
Erschwingliche
Wohnungen gibt es entweder in Stadtteilen, in die man nicht will oder außerhalb
Hamburgs.
Letzteres
wird insbesondere für die Hamburger eine Option, die ein bißchen spießiger
sind, älter werden, oder aber mehrere Kinder bekommen und jedem ein eigenes
Zimmer, sowie einen Garten bieten wollen.
Recht
günstig ist zum Beispiel das Schleswig-Holsteinische Pinneberg, welches im
Nordwesten an Hamburg grenzt.
Pinneberg
ist ordentlich sauber, grün, überschaubar und vor allem bezahlbar.
Ein
Nicht-Hamburger mag sich fragen, wieso nicht viel mehr Hamburger aus den
höllisch überteuerten Wohnungen im Zentrum nach Pinneberg ziehen und so auch
die dortigen Grundstückspreise steigen lassen.
Der
tiefere Grund dafür ist ein Irrationaler. Pinneberg gilt als Abgrund des
Spießertums. Schon in der Fahrschule lernt man, das KFZ-Kennzeichen „PI“ stehe
für „Provinzidiot“. Vor denen müsse man sich hüten, die könnten nicht fahren.
Das Wort
„Pinneberg“ möchte kein Hamburger auf seiner Visitenkarte stehen haben.
Vor zwei
Wochen hatte ich einmal in Pinneberg zu tun und stellte – NATÜRLICH – fest, wie
ungerecht dieses Stigma ist. Man lebt dort nur sehr deutsch und typisch
deutsch. Gepflegte Vorgärten, homogene Bevölkerungsstruktur, Gelsenkirchener
Barock.
Es ist
ein Zeichen von gelungener Integration, daß es die zweite oder dritte
Generation türkischer „Gastarbeiter“ aus den berüchtigten Stadtvierteln mit
sehr hohen Migrantenanteil – St. Pauli, St. Georg, Billstedt, Neuwiedenthal, Wilhelmsburg
– nach Pinneberg in die hübschen Häuser mit Vorgärten zieht.
Natürlich
bringen sie dann einen Teil ihrer Kultur, nämlich den Muslimischen Glauben mit
und brauchen irgendwann eine Moschee.
So eine
Moschee gibt es der Friedensstraße 11. Die vom DITIB betriebene Moschee ist die
einzige in Pinneberg.
Mit dem Namen ALLAH`s,
des Barmherzigen und Gnädigen bezeugen die Mitglieder der Islamischen
Religionsgemeinschaft DITIB Hamburg und Schleswig-Holstein e.V., dass es keinen
Gott gibt, außer dem einen Gott (ALLAH) und dass Muhammed ("Segen und
Frieden Allahs seien auf ihm" - s.a.v.) sein Diener und Gesandter ist.
Der Glaube an Gott und
seine Engel, seine durch den Engel Dschebrail offenbarten Schriften, die
Propheten welche die Offenbarungen verkündeten, der Tag der Rechenschaft und
die göttliche Vorhersehung bilden die Grundlagen ihres islamischen Glaubens. [….]
Es
könnte alles so schön sein; denn die große und bekannte
Centrummoschee Hamburgs mit ihren markanten
Fußball-Minaretten liegt mitten im schwulsten Viertel, St. Georg; besser
bekannt als St. Gayorg.
Dort
leben Hipster, DINKS und jede Menge Schwule inmitten von Häuserzeile, die von
Regenbogenfahnen geschmückt sind.
St.
Gayorg ist wirklich „divers“; sogar der der katholische Mariendom, Sitz des Hamburger
Erzbischofs Stefan Heße liegt mitten in St Gayorg, nur ein paar Häuser von der Zentrumsmoschee
entfernt und genau gegenüber einer Homo-Lederbar.
Vielleicht
haben sich die Pinneberger Türken ein etwas angemesseneres Umfeld für ihre
Moschee erhofft. Und dann das: Gegenüber eröffnete ein Puff.
Strenggläubige
Muslime mußten angeblich sogar schon entblößte Busen durch die Fenster ansehen!
Schock schwere Not.
[…..]
Seref Ciftci steht vor Pinnebergs
einziger Moschee. In einer ruhigen Gegend. Trotzdem zentral gelegen. Die
Adresse des Gotteshauses: Friedenstraße 11. Passt zum Anspruch Ciftcis, der
nicht müde wird, das Miteinander zu betonen. Und doch herrscht derzeit mächtig
Unfrieden in der türkisch-islamischen Gemeinde, deren Vorsteher er ist. Grund
sind Nachbarn. Unerwünschte Nachbarn. Das Gebäude gegenüber ist auf dem ersten
Blick ein ganz normales zweigeschossiges Wohnhaus, das früher zu einer
Autowerkstatt gehörte. Das Problem: Frauen bieten dort Sex gegen Bezahlung an.
Ciftci will das nicht
länger hinnehmen. Er berichtet von entblößten Brüsten am Fenster, hat sich
bereits bei Bürgermeisterin Urte Steinberg beklagt – und kündigt an, gegen das
Etablissement mobil zu machen. "Wenn es nicht anders geht, werden wir
Nachbarn ansprechen", sagt er. Kein Rotlicht vorm Gotteshaus, so der
Appell. Einer, der sich nicht auf seine Glaubensrichtung beschränke: "So
etwas kann ich mir auch vor einer christlichen Kirche nicht vorstellen",
sagt Ciftci. […..]
Willkommen
in der Realität, liebe Pinneberger Muslime.
Es freut
mich zu sehen, daß Ihr genauso spießig geworden seid, wie man es den anderen Pinnebergern
immer unterstellt.
Auch die
Ur-Pinneberger kämpfen gegen ein Bordell.
[….]
Die türkisch-islamische Gemeinde ist mit
ihrer Wut nicht allein. Auch an der Mühlenstraße, gegenüber einem zweiten in
der Straße beheimateten Bordell, herrscht Unruhe. Anwohner haben sich mit einem
Schreiben an Stadtverwaltung und Politik gewandt. Geht es nach dem Gesetzgeber,
gibt es bald klarere Verhältnisse. Künftig soll es eine Meldepflicht für
Prostituierte geben. […..]
In ihrer
Bigotterie sind eben alle Spießer gleich.
Wer kein
Bordell im Stadtviertel will, sollte aufhören diese Orte als Freier
aufzusuchen.
Würden
die Pinneberger Männer nicht so gern ins Bordell gehen, würden die sich dort
auch nicht rechnen.
Man
fragt sich wo die vielen Muslimischen Männer in St. Pauli (Migrantenanteil 36,3%) eigentlich
hingucken.
Der
ganze Stadtteil rund um die Reeperbahn ist schließlich ein einziger (und weltbekannter)
Rotlichtbezirk.
In
Hamburg-St. Georg ist heute eine riesige Party. Die ganze Woche ist in der
Innenstadt Party, weil LGBTIs und Wohlgesinnte zum CSD rufen.
Drei
Jahrzehnte Co-Existenz von türkischer Gemeinde und „Queer-Gemeinde“ in St Gayorg
haben dazu geführt, daß man sich gegenseitig kennengelernt hat.
Als Konsequenz
beteiligt sich der türkische Moschee-Verband gleich selbst am CSD.
Dieser Vorstoß sorgte
für Aufsehen: Hamburgs Türkische Gemeinde unterstützt erstmals den Christopher
Street Day (CSD), will so ein Zeichen für Schwule und Lesben setzen. […..]
„Wir haben aber auch
nicht den Anspruch, für alle türkischstämmigen Mitbürger sprechen zu können“,
sagt die Vorsitzende, Nebahat Güclü. Das tun andere – und von denen kommt nun
überraschender Zuspruch.
„Wir von der Schura
Hamburg unterstützen das Vorhaben der Türkischen Gemeinde, sich Diskriminierung
entgegenzustellen“, sagt der Vorsitzende Mustafa Yoldas zur MOPO. „Auch wir
Muslime müssen uns mit den gesellschaftlichen Realitäten auseinandersetzen.“
Man müsse akzeptieren,
dass es in dieser Gesellschaft eine breite Vielfalt an Partnerschaften und
Lebensformen außerhalb der klassischen Ehe zwischen Mann und Frau gebe.
„Wichtig ist, dass man sich respektiert.“
Offensichtlich
sind türkische Muslime in Deutschland genauso wie alle anderen Deutschen
unterteilt in Spießer und aufgeschlossenere Menschen.
Die
einen leben in Pinneberg und die anderen leben in St Georg zwischen lauter
Schwulen und feiern einfach mit.