Die Ergebnisse der Sonntagsfrage der Demoskopen sind immer schwerer erträglich.
Damit meine ich in erster Linie natürlich die AfD-Rekord-Zahlen.
Aber noch schlimmer ist es, zu betrachten, wie sich das populistische Gift, das genauso von CDU und FDP und CSU verteilt wird, sich auf die Ansichten des Urnenpöbels bei Sachfragen auswirkt. Große Mehrheiten sehen in erneuerbaren Energien eine Gefahr für die Wirtschaft, halten die Klimaschutzmaßnahmen für stark übertrieben, wollen ihre Verbrenner weiter fahren, ihre Öl-Heizungen in ungedämmten Häusern behalten, die Grenzen zu machen, das Asylrecht schleifen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk austrocknen, glauben an nicht an Demokratie. Also selbst wenn durch ein Wunder politisches Ideal-Personal auftauchte und damit SPD und Grüne wieder Mehrheiten erreichten; bzw Schwarze und Braune geschrumpft würden, wäre es nahezu unmöglich die richtige Politik zu betreiben, weil weite Teile des Volks zu verblödet sind, um mitzumachen.
Der Brexit bleibt abschreckendes Beispiel. Man musste schon extrem unterbelichtet, indolent oder beides sein, um nicht vorher zu sehen, daß ein Verlassen der EU für Großbritannien nur im Desaster enden kann.
Dennoch stimmten die Insulaner dafür und sitzen jetzt, wie zu erwarten, in der Scheiße.
[….] "Es geht uns schlechter wegen des Brexit." Schnell und satzzeichenfrei zählt er auf, was alles nicht funktioniert im Land, seit Boris Johnson eine knappe Mehrheit zum Verlassen der EU verleitet hat. "Mit Lügen", wie Khan sagt. Dass die Regierung auch sieben Jahre später noch immer nicht bereit ist, über die Probleme mit dem Brexit zu reden, bringt ihn regelrecht in Rage. "Wir haben eine Omertà", sagt Khan - eine Schweigepflicht wie bei der Mafia, wo bedingungslose Loyalität und Verschwiegenheit geschworen werden müssen. [….]
(SZ über Sadiq Khan, Bürgermeister von London, 04.07.2023)
Die Menschen in Europa, in den USA, in Ossilanden, in der Türkei wählen rechte Parteien, unter deren Herrschaft sich die Lebensverhältnisse eindeutig verschlechtern. Statt ihren Fehler zu begreifen, werden sie (beispielsweise die 74 Millionen Trump-Wähler von 2020) immer radikaler und erfinden immer abstruserer Sündenböcke für die selbst eingebrockte Misere.
Da ich die Hoffnung auf Besserung der politischen Verhältnisse im nach rechts außen driftenden Deutschland langsam aufgebe, muss ich mich zwangsläufig damit beschäftigen auszuwandern. Nur wohin?
Klammert man die nicht demokratischen, politisch instabilen, klimatisch gefährlichen, sowie die Nationen, die einen leider nicht reinlassen (Kanada, Neuseeland) aus, bleibt leider gar nicht so viel übrig.
Ich mag die großen europäischen Kulturnationen sehr gern, aber in Italien regieren bereits die Faschisten, in Frankreich steht Le Pen ante portas.
Spanien galt lange Zeit als resistent gegenüber Rechtsradikalen, aber nun etabliert sich auch dort die faschistische „VOX“ und außerdem hat es keinen Sinn, in ein Land zu ziehen, das jetzt schon Sommertemperaturen von 50°C bietet.
Auf der Flucht vor Hitze und Dürre bietet sich da eigentlich nur noch Migration in den reichen europäischen Norden an.
Grundsätzlich hege ich viele Sympathien für das liberale Skandinavien. Aber.
Das Leben dort oben ist extrem teuer. Wen bereits die Teuerung in Deutschland stört, der wird sich in Skandinavien erst recht umgucken.
[….] Innerhalb der EU war das Preisniveau in Irland mit einem Abstand von +46,4 % zum Durchschnitt aller 27 Mitgliedstaaten am höchsten, gefolgt von Dänemark (+44,5 %), Luxemburg (+36,8 %), Finnland (+26,5 %) und Schweden (+24,1 %). [….] Bei den europäischen Staaten außerhalb der EU mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Schweiz (+74,3 %), in Island (+59,0 %) und in Norwegen (+42,9 %) noch tiefer in die Tasche greifen als in Irland. [….]
Dänemark hatte bereits rechtsradikale Regierungen. Die faschistische Dansk Folkeparti (DF) war von 2001-2011 an der Regierung beteiligt. Der Rechtsextremismus hat sich inzwischen in mehreren dänischen Parteien verfestigt. Das könnte für Ausländer also ungemütlich werden.
[….] Stolze sechs Wochen hat Dänemarks sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen zum Umsatteln gebraucht. Die 45-Jährige konnte am Mittwoch eine neue Mitte-Rechts-Koalition präsentieren, nachdem sie seit ihrem Antritt vor dreieinhalb Jahren mit Unterstützung des Mitte-Links-Lagers regiert hatte. Damit haben die Herbst-Wahlen in Dänemark und kurz vorher in Schweden den Norden kräftig nach rechts gerückt. Die Verschiebung in Kopenhagen fällt weniger dramatisch aus als in Stockholm. Dort hat sich die neue Minderheitsregierung unter dem Konservativen Ulf Kristersson von den „Schwedendemokraten“ als Mehrheitsbeschaffer abhängig gemacht: rechtsaußen mit braunen Wurzeln und Vorliebe für Viktor Orbán. [….]
Damit wären wir im Königreich Schweden. Auch dort sind Rechtsextreme bereits in der Regierung angelangt.
[….] Erstmals arbeitet eine Koalition mit den rechtsradikalen Schwedendemokraten zusammen: In Schweden einigen sich drei Parteien des rechten Lagers auf die Bildung einer Regierung. Der Konservative Ulf Kristersson hat sich in Schweden mit mehreren Parteien einschließlich der rechtspopulistischen Schwedendemokraten auf eine Regierungsgrundlage geeinigt. [….] Der konservativ-rechte Parteienblock um Kristerssons Moderate und die überaus starken Schwedendemokraten hatte bei der schwedischen Parlamentswahl am 11. September eine knappe Mehrheit von 176 der 349 Sitze erzielt. [….]
In Norwegen ist es Ex-Ministerin Sylvi Listhaug mit ihrer Fremskrittspartiet (FrP; Fortschrittspartei), die Schrecken verbreitet. Sie erreichte bei der Parlamentswahl von 2009 bereits 23% und ist gegenwärtig mit 21 Sitzen im Norwegischen Storting vertreten. Erna Solberg, norwegische Ministerpräsidentin (2013-2021) von der konservativen Partei Høyre, bildete Koalitionen mit der rechtsradikalen Fremskrittspartiet und holte FrP-Ministerin in ihr Kabinett.
[….] Norwegen hat vier Monate nach der Parlamentswahl eine neue bürgerlich-konservative Regierung. Drei Parteien – die konservative Høyre, die rechtspopulistische Frp und die liberale Venstre – bilden erneut eine Minderheitsregierung. Diese ist von der Unterstützung der christlichen KrF abhängig. [….]
Also bleibt noch Finnland, das aber wegen seiner 1340 km langen Grenze zu Putins Russland derzeit auch nicht gerade erste Wahl zum Auswandern ist.
Auch in Finnland sind Rechtsradikale stark und an der Regierung beteiligt.
Die Perussuomalaiset (PS, „Wahre Finnen“, „Die Finnen“) sind eine EU-feindliche Hetzpartei, die bei den diesjährigen Parlamentswahlen mit 20,1% zweitstärkste Kraft wurde und 46 Abgeordnete (von 200) im finnischen Parlament stellt.
Sie war schon 2015 bis 2017 am Mitte-rechts-Kabinett Sipilä beteiligt und trat am 20. Juni 2023 in die Regierung des konservativen Petteri Orpo ein.
Es läuft so mittel. Der Perussuomalaiset-Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila trat schon nach gut einer Woche zurück, weil er als Voll-Nazi enttarnt wurde.
[….] Das Gruselkabinett
Verbindungen in die Neonazi-Szene, Hitlerwitze, rassistische Anspielungen und Verschwörungsgelaber. Gerade mal zwei Wochen ist die finnische Regierung im Amt, aber schon jetzt ist klar: Es ist ein Abgrund.
Dienstagmittag trat Petteri Orpo vor die Presse, tapfer lächelnd, und sagte, die Regierungskoalition habe gerade eine "sehr gute, konstruktive, ehrliche und direkte Diskussion" geführt. Der finnische Premierminister räumte dann zwar schon ein, dass die vergangene Woche innenpolitisch ein Novum in der finnischen Geschichte gewesen sei, man habe aber in besagter Diskussion "all diese Dellen gut korrigieren können".
Dellen. Nun ja. Das Ganze gleicht schon eher einem politischen Frontalunfall, noch bevor die Fahrt richtig losgeht, die Regierung ist ja noch keine zwei Wochen im Amt und hat schon einen Misstrauensantrag, zwei Drohungen mit Koalitionsbruch, eine scharfe Intervention des Präsidenten und den Rücktritt eines Ministers hinter sich. Und draußen im Land tobt plötzlich ein Meinungskrieg, der viele an Amerika unter Trump denken lässt. [….] Die Regierungsmannschaft war aber kaum vorgestellt, da gab es schon ein Misstrauensvotum gegen den neuen Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila, nachdem diesem Verbindungen in die Neonazi-Szene, Hitlerwitze und rassistische Anspielungen nachgewiesen worden waren. Die Schwedische Volkspartei stimmte gegen ihn, Orpos konservative Nationale Sammlungspartei hielt ihm nahezu einstimmig die Treue. Junnila blieb im Amt, aber es kamen im Stundentakt neue haarsträubende Sprüche und Geschmacklosigkeiten von ihm zutage. Sauli Niinistö, der Präsident, der in Finnland eigentlich kaum zu tagespolitischen Dingen Stellung bezieht, sagte, es sei "gelinde gesagt sehr peinlich", was da gerade passiere. Als am nächsten Tag herauskam, dass Junnila "Klimaabtreibungen" für Afrikanerinnen mal als "großen Sprung für die Menschheit" angepriesen hatte und die Christdemokraten von "Ökofaschismus" sprachen, trat er zurück. [….]