Samstag, 9. September 2023

Natürlich gibt es hier auch Arschlöcher

Hamburg ist so etwas wie der Alptraum eines Sachsen: 56% der Jugendlichen Hanseaten haben einen Migrationshintergrund.

[….] Fast vier von zehn Hamburgerinnen und Hamburgern haben einen Migrationshintergrund. Wie das Statistikamt Nord am Montag mitteilte, lag dieser Wert Ende 2022 bei 39,3 Prozent. 2014 hatten demnach erst 31,5 Prozent der Hamburger Bevölkerung Wurzeln im Ausland, seitdem war der Wert zwar kontinuierlich gestiegen, aber nie so stark wie im vergangenen Jahr, als er um 1,9 Prozentpunkte zulegte. In Billbrook (87,5 Prozent), Veddel (76,1) und Billwerder (67,7) ist der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund besonders hoch, [….]   Besonders auffällig: In der Gruppe der unter 18-Jährigen in Hamburg haben bereits 56,1 Prozent einen Migrationshintergrund. In manchen Stadtteilen wie Billbrook (98,5 Prozent), Veddel (92,7), Harburg (84,9), Jenfeld (81,4), Billstedt (80,3), Steilshoop (78,1) und Dulsberg (75,3) gibt es kaum noch Kinder und Jugendliche ohne Migrationshintergrund.  [….]

(Hamburger Abendblatt, 04.09.2023)

Aus diesem für Dresdner Hirne enormen Multikultikuddelmuddel ergeben sich interessante Zahlen:
77.000 Euro Bruttosozialprodukt pro Kopf in Hamburg.

Sachsen, mit nur einem Zehntel des Hamburgischen Ausländeranteils - 5,3 Prozent der sächsischen Bevölkerung sind Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen – ist also dem AfD-Ideal von einer homogen biodeutschen Bevölkerung sehr nah, wie sie sich auch Hitler-Fan Hubsi Aiwanger so sehnlich wünscht, schafft mit 36.000 Euro BSP/Kopf nicht mal die halbe Wirtschaftskraft Hamburgs.

AfD-Affinität und NS-Freundlichkeit sind, ähnlich wie der Antisemitismus umgekehrt proportional zur Zahl der Ausländer, bzw Juden in der Nachbarschaft.

Je weniger Migranten es gibt, desto mehr werden sie gehasst und desto schlechter die wirtschaftliche Verfassung. Niemand will dort arbeiten und investieren.

Auch die Reaktion der sächsischen Wähler erfolgt umgekehrt proportional zur Vernunft.

Die Wahlabsicht der Sachsen am 31.08.2023 lautet: AfD 35%, CDU 29%, Linke 9%, SPD 7%, Grüne 6%, FDP 5%.

Das wird noch ein Spaß für den Putin-affinen Ministerpräsident Kretschmer, wenn er nach der Landtagswahl am 01.09.2024 mit solchen Zahlen, gemäß der CDU-Regeln, ohne AfD und ohne Linke regieren will.

Zum Vergleich, das wirtschaftlich doppelt so starke Hamburg mit zehnmal so hohem Ausländeranteil bei der letzten Landtagswahl:

(….) [….] Wie das Landeswahlamt weiter mitteilte, schaffte die AfD den Wiedereinzug in die Bürgerschaft mit 5,3 Prozent (2015: 6,1 Prozent). Stärkste Kraft wurde die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher mit 39,2 Prozent (45,6). Auf Platz zwei landeten die Grünen mit 24,2 Prozent (12,3). Auf die CDU entfielen 11,2 (15,9), auf die Linke 9,1 Prozent (8,5). […..]

(NDR, 24.02.20)

Durch das zusätzliche FDP-Mandat gibt es ein Ausgleichsmandat, so daß die neue Bürgerschaft 123 statt 121 Abgeordnete haben wird.

SPD und Grüne verfügen über 87 von 123 Sitzen. Das ist eine 70,7%-Mehrheit.

Sogar SPD und Linke hätten mit 67 Sitzen eine absolute Mehrheit von 54,5% der Mandate im Parlament. Den linken Durchmarsch zeigt eindrucksvoll die Addition von SPD, Grünen und Linken, die zusammen auf 100 von 123 Mandaten kommen. Das entspricht 81,3 % der Sitze. (….)

(Zahlen zum Genießen, 24.02.2020)

In Hamburg rotten sich keine Wutbürger-Horden zusammen, die „national befreite Zonen“ einrichten wollen. Flüchtlingsunterkünfte werden nicht mit Brandsätzen beworfen, sondern es wird mit breiter Hilfsbereitschaft reagiert.

In der Regel.

Natürlich gibt es auch in Hamburg einflussreiche Konservative, die in den Luxus-Stadtvierteln laut aufjaulen, wenn in ihrer Nachbarschaft eine Asylunterkunft errichtet wird. 2015 wurden peinliche Proteste in Blankenese und insbesondere in der Sophienterrassen von Hamburg-Harvestehude bundesweit bekannt.

Die um ihre Immobilienwerte fürchtenden Nachbarn kamen zwar nicht wie ihre Sächsischen Gesinnungsgenossen mit moderigen Zähnen und ungewaschenen Haaren „Haut Ab! Lügenpresse!“-grölend daher. Dafür aber mit teuren Anwälten.

(….) 2014 begannen einige Anwohner der Sophienterrasse, gelegen im allerfeinsten Stadtteil Harvestehude gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft zu stänkern.

Statt wie sonst üblich den Verfall der eigenen Grundstückspreise zu beklagen, wurden die Harvestehuder noch einen Schritt perfider und argumentierten scheinbar mit den armen Flüchtlingen mitfühlend, daß diese sich bei ihnen gar nicht ernähren könnten, weil alles viel zu teuer wäre.

Lieber sollten die Heimatvertriebenen in die randständigeren Stadtbezirke, wo es aufgrund der Armut auch mehr Lidls und Aldis gäbe.

Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen und der Hamburger Senat bekam große Probleme sich durchzusetzen, weil die Anwohner der Sophienterrasse die besten und teuersten Anwälte in Marsch setzten.

Die vermögenden Xenophoben scheiterten allerdings gerade wegen ihrer Macht und Professionalität. Der relativ neue SPD-Senat konnte schon aus Prinzip nicht nachgeben und zudem begannen sich eine Reihe Harvestehuder für ihre klagenden Freunde zu schämen. Wer will schon gern das Image als fremdenfeindlicher Schnösel mit seiner Adresse verbunden wissen?
In der Folge setzten sich viele Anwohner ganz besonders intensiv für die zukünftigen Flüchtlinge in der Unterkunft Sophienterrasse ein.

Nun, nachdem die Nachbarn die Neu-Harvesterhuder kennengelernt haben, ist es auf einmal doch vorstellbar, daß eine afghanische Familie durch das edle Pöseldorf-Center spaziert. Die Integration ist zur Erfolgsgeschichte geworden. Man hilft und versteht sich.

Der Verein Flüchtlingshilfe Harvestehude ist besonders aktiv und effektiv. 190 Flüchtlinge wohnen nun in dem Nobelstadtteil und alle sind zufrieden.

Pro Flüchtling gibt es zwei freiwillige Helfer.

[….] "Die Vorurteile nehmen automatisch ab"

Der Widerstand gegen ein Flüchtlingsheim im noblen Hamburg-Harvestehude war entschlossen. Eine Studie zeigt nun: Plötzlich sind die meisten Anwohner froh über die Nachbarn.

[….] Die Ansichten der Anwohner sind enorm positiv, die Zustimmung zu dem dortigen Flüchtlingsheim liegt bei mehr als 80 Prozent. Ein Viertel der Befragten findet es sogar gut, dass die Menschen hierherkommen, damit ihre Nachbarn mal mit der Realität konfrontiert werden. [….] Ein Großteil der Harvestehuder sieht schlichtweg die Verpflichtung, etwas für die Schutzsuchenden zu tun.[….]

(Prof Jürgen Friedrichs, 22.02.2017)

Eine Erfolgsgeschichte zweifellos, aber auch eine Geschichte mit erstaunlich wenig Strahlkraft. Das im äußersten Westen an der Elbe gelegene Blankenese produziert schon lange widerliche Schlagzeilen. Flüchtlinge? OK; irgendwie schon, aber bitte nicht in ihrem schönen reichen Blankenese, sondern beim armen Plebs in Billstedt und Jenfeld. Dabei gibt es in Blankenese ein geradezu ideales Stück Land, auf dem Flüchtlinge wirklich keinen Menschen stören könnten.

[….] Die Kampfzone haben sie inzwischen abgesperrt. "Gesichertes Objekt" steht an den Bauzäunen rund um den hügelig-kargen Sandplatz in Blankenese, als lagerten dort seltene Bodenschätze. Um Rohstoffe geht es am Björnsonweg im noblen Westen von Hamburg aber nicht. Es geht um Menschen. Albrecht Hauter, ein weißhaariger Herr in rotem Rentnerjäckchen, spaziert an diesem Herbsttag den Zaun entlang, er macht ein düsteres Gesicht. "Hier könnten längst Häuser stehen", raunt er, "dann könnten die Flüchtlinge bald einziehen, Kinder würden auf der Straße spielen." Doch außer Sand und Gestrüpp ist hinter der Absperrung nichts zu sehen, dank einiger gewiefter Nachbarn: Erst verhinderten sie im April den Bau der Unterkünfte mit einer Straßenblockade, dann zog ein Anwohner vor Gericht. Seitdem liegen die Juristen im Dauerstreit. In Blankenese verweigern wohlhabende Menschen Hilfsbedürftigen die Solidarität. [….]

(Peter Maxwill, 26.10.2016)

Die juristischen Auseinandersetzungen dauern an.

Viel Geld, Vorurteile und Juristen machen es möglich.  (….)

(Reiche Hamburger, 31.05.2017)

Als Hamburger ist man beschämt über die lauten Harvestehuder. Insbesondere die anderen Harvestehuder schämen sich für ihre xenophoben Nachbarn und machten es umso besser.

Nun steigen die Flüchtlingszahlen bekanntlich seit dem Februar 2022 wieder massiv an. Wer würde es den von Putin angegriffenen Ukrainern verdenken, daß sie ihre Frauen und Kinder in Sicherheit wissen möchten?

Die Hamburger Behörden stellt das aber vor große Probleme und es häufen sich die alarmistischen Berichte in der konservativen Presse.

Guckt man sich die Karte genauer an, stellt man fest: In Harvestehude sind nicht sehr viele Unterbringungsmöglichkeiten. Wieso eigentlich nicht? Es lief doch letztlich so gut in der Sophienterrasse. 

Noch leben dort, wohlbehütet, 167 Menschen. Aber 2024 wird die Unterkunft ganz geschlossen. Eine Nachwirkung der konservativen Anwalts-Proteste von 2015.

[….] Hamburg steht – was die Unterbringung von Flüchtlingen angeht – mit dem Rücken zur Wand: 44.089 Menschen leben in den städtischen Unterkünften, damit sind 96 Prozent der Kapazitäten voll, und zwar inklusive provisorischer Unterbringungen wie Hotels. Alles in allem hat die Stadt derzeit 45.889 Plätze zu vergeben – und der Zustrom reißt nicht ab. Und ausgerechnet jetzt muss die Stadt die Schließung einer gut funktionierenden Unterkunft vorbereiten: Die Sophienterrasse mit  Platz für 190 Menschen muss im September 2024 dichtmachen, das haben einige Anwohner im bestsituierten Harvestehude vor Jahren gerichtlich so erstritten. Die Kläger sorgten sich damals um den Wert ihrer Villen. Im Januar 2016 zogen die ersten Bewohner ein, ab September 2024 ist Harvestehude dann wieder flüchtlingsfrei, [….]  Neben der strengen zeitlichen Begrenzung ließen die Kläger sich noch einen speziellen Passus in den Nachbarschaftsvertrag schreiben: Sobald die Flüchtlinge ausgezogen sind, darf an dem Standort 50 Jahre lang keine „sonstige soziale oder gesundheitliche“ Nutzung erfolgen. Der Gebäudekomplex, in dem einst das Kreiswehrersatzamt residierte, ist Eigentum der Stadt – das sie nun aber trotz großer Not für nichts nutzen darf, was irgendwie sozial angehaucht ist. So ein Zugeständnis an die Villenbewohner ist in Hamburg einmalig, wie die Sozialbehörde auf MOPO-Anfrage bestätigt. [….] Hendrikje Blandow-Schlegel ist fassungslos über den 50-Jahre-Passus: „Wie kann man eine städtische Fläche für Jahrzehnte der sozialen Nutzung entziehen? Da kann keine Kita, kein Altenheim, keine Beratungsstelle entstehen. Nichts. Das ist unmoralisch und ein Skandal.“ Die Anwältin und Ex-SPDBürgerschaftsabgeordnete gehört zu der großen Mehrheit von Harvestehudern, die sich mit viel Engagement um die neuen Nachbarn gekümmert haben. [….]

(Hamburger Morgenpost, 01.09.2023)