Mittwoch, 27. Dezember 2023

Erlöst

Der unter paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie leidende Attentäter Dieter Kaufmann, war natürlich schuldunfähig, als er am 12. Oktober 1990 mit Papas Revolver auf Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und seinen Personenschützer Klaus-Dieter Michalsky, der sich schützend vor Schäuble warf, feuerte.

Man muss das so deutlich sagen, weil Schäuble, im Gegensatz zum im selben Jahr fast tödlich von Adelheit Streidl verletzten Oskar Lafontaine, durch die Querschnittslähmung immer als Attentatsüberlebender sichtbar war.

Natürlich wünscht man niemanden, auch keinen völkisch-rechten äußerst unangenehmen Ex-Bundesfinanzministern wie Schäuble und Lafontaine, einen solchen Anschlag. Schäuble selbst sprach darüber recht unverblümt bis kokettierend, indem er beispielsweise sagte „ich bin ein Krüppel“. Wie er das in Wahrheit psychisch „bewältigte“, weiß ich nicht.

Politisch half es ihm aber enorm, im Rollstuhl zu sitzen, weil er dadurch stets eine Mischung aus Mitleid und Bewunderung für seine Tapferkeit erfuhr, die ihn nahezu immun dagegen machte, für seine Lügen und schweren politischen Fehlleistungen verantwortlich gemacht zu werden. Das hielt 33 Jahre an und wurde auch heute, am Tag nach seinem Tod, von den Wichtigen pawlowsch abgespult.

[…..] Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) schreibt in einer Erklärung: "Ich trauere um einen Politiker, der unser Land in vielfältiger Weise geprägt hat." […..] Sie habe seine Disziplin bewundert, "auch sich selbst gegenüber, die er trotz und mit seiner Querschnittlähmung nach einem Attentat aufbrachte".   […..]

(SZ, 27.12.2023)

Ausgerechnet Schäuble, der so viel und so ausdauernd log, wie in der deutschen jüngeren Vergangenheit nur Ursula von der Leyen, wurde vom Volk hartnäckig für einen ehrlichen und integren Typen gehalten.

Wäre er nie verletzt worden und ein normaler Ex-CDU-Minister, hätte er in der Merkel-Ära nie mehr ein Amt bekommen und schon gar nicht das des Finanzministers. Ausgerechnet.

(….) Der gegenwärtig wieder beliebteste Politiker überhaupt heißt Wolfgang Schäuble. Der Mann also, der Jahrzehnte als rechte Hand Kohls agierte, den am 2. Juli 1990 abgeschlossenen Einigungsvertrag zur Auflösung der DDR verhandelte.

Der Vertrag, der durch die unsägliche Treuhand die ostdeutsche Wirtschaft zu 99% in den Besitz Westdeutscher brachte und auf sonderbare Weise dafür sorgte, daß der Stasi-Oberst und sagenumwobene DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski (1932-2015) im Gegensatz zu so vielen kleinen Lichtern nicht einen Tag ins Gefängnis mußte und stattdessen in Saus und Braus in einer Villa am Tegernsee seinen Lebensabend verbringen durfte.

Schäuble ist auch derjenige, der in sagenhafter Dreistigkeit die Öffentlichkeit und auch direkt vom Rednerpult aus das Parlament belog.

 

[1999] erklärte Wolfgang Schäuble vor dem Bundestag, er habe nie Geld von dem Waffenlobbyisten Karl-Heinz Schreiber bekommen. Nach langer und intensiver Arbeit im Untersuchungsausschuss kommt dann aber ans Licht, dass er vor dem Parlament gelogen hat und sehr wohl Geld angenommen hat.

Wolfgang Schäuble musste nach dieser Geschichte zurücktreten. Heute ist er wieder da - als Finanzminister aller Deutschen. Kann man so einem Mann eigentlich noch Geld anvertrauen?

[1999] gab Christian Ströbele den entscheidenden Anlaß, dass Wolfgang Schäuble als Bundesinnenminister zurücktreten mußte, weil er auf Christians Vorhalt hin öffentlich geleugnet hatte, von dem zwielichtigen Karl-Heinz Schreiber für die CDU eine Barspende im Koffer angenommen zu haben. Und diese Lüge holte ihn bei seiner Kür zum Finanzminister nun nochmals ein.

(Christian Ströbele online)        

 

Schäuble sitzt seit 43 Jahren ununterbrochen im Bundestag.

Er ist bei seinen Mitarbeitern extrem unbeliebt, weil er menschlich unanständig ist und gerne andere schlecht aussehen lässt, um selbst in besserem Licht zu erscheinen. Unvergessen wie Schäuble im Jahr 2010 mit offen zur Schau getragenem Sadismus seinen Sprecher Michael Offer so sehr demütigte, daß dieser anschließend zurücktreten mußte.

 

Schäubles Verhalten hatte für Empörung bei Politikerkollegen gesorgt. Die Opposition warf dem Minister einen schlechten Stil vor. "So, wie sich Minister Schäuble aufgeführt hat, geht man mit Schutzbefohlenen nicht um", sagte Carsten Schneider, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. "Es offenbart einen schlechten Stil, Mitarbeiter derart bloßzustellen." Der Finanzminister zeige damit, "wie frustriert er ist - und dies trotz guter Zahlen".

Auch Koalitionspolitiker echauffierten sich über das Verhalten Schäubles. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte über das öffentliche Auftreten Schäubles gesagt: "Der Mann steht unter Drogen."

(SPON 09.11.2010)

 

Immer wieder wird er bei Lügen ertappt, aber als Polit-Oldie beruft er sich im Zweifelsfall auf Gedächtnislücken. So ist der Deutschen liebster Politiker – bis heute zeigt er keinerlei Scham dabei die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen.

Das einzige, das Schäuble nicht tut, ist sein eigentlicher Job.

Die Aufgaben eines deutschen Finanzministers in einer GroKo mit gewaltigen Mehrheiten im Rücken, läßt er demonstrativ liegen. Auch hier sprudeln die Steuereinnahmen und der Schuldendeinst wird aufgrund der Nano-Zinsen unverdienterweise in den nächsten Jahren um 100 Milliarden Euro billiger als eingeplant.

Deutschlands Finanzschwierigkeiten liegen eher im System.

Die Milliarden kommen dort an, wo sie nicht verloren haben, fehlen bei den Bedürftigen und versickern in einem gewaltigen Steuergesetzgebungschaos.

Es gäbe keine bessere Gelegenheit diese Absurditäten endlich mal anzupacken.

Herr Schäuble hätte es dabei unendlich viel leichter als Kollege Varoufakis.

Seine Kassen sind voll und er hat eine überwältigende 80%-Parlamentsmehrheit im Rücken.

Dennoch tut Schäuble nichts, weil er offensichtlich zu faul oder zu feige ist.

Merkel und Schäuble machen sich beide vor den Lobbyisten in die Hose.

Da werden auch zu groteske Schwachsinnigkeiten nicht angefasst.

Schäuble ist ein fauler Arbeitsverweigerer, der einfachste Reformen zu Hause schon seit vielen Jahren aussitzt, während er aber umso rabiater von anderen – also zum Beispiel den Griechen – fordert endlich ihre Hausaufgaben zu machen.

Schon vor fünf Jahren (sic!) hatte ich eben diesen Sachverhalt kritisiert. Damals saß die Merkel-Westerwelle-Regierung auf einer großen Mehrheit, die sie lediglich dazu nutzte, das Mehrwertsteuerchaos noch zu vergrößern. Die nächsten fünf Jahre hat Schäuble aber kontinuierlich weiter durchgeschlafen. Dringend notwendige Reformen verschiebt der Minister oder sagt sie ganz ab.
Die Berechnung der Mehrwertsteuer, dieser Irrsinn im Quadrat, bleibt bestehen.


Offenbar fürchtet Schäuble, der zurzeit im Krankenhaus liegt, massive Widerstände gegen die Steuerpläne.
Der Regierung liegt ein Gutachten vor, wonach der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent allein für Lebensmittel gerechtfertigt sei. Die Vergünstigung beispielsweise für Schnittblumen, zahntechnische Leistungen oder Zeitungen seien dagegen steuerlich nicht zu begründen. Die Gutachter empfehlen, für diese Güter den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu berechnen. Der Finanzminister will dieser Empfehlung nicht folgen. In der Koalition wird Schäubles Weigerung mit Verwunderung aufgenommen, da sich der Finanzminister die Gelegenheit entgehen lasse, die Staatskasse zu füllen.
Die Regierung vertagte eine Entscheidung in dieser Frage immer wieder. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass eine Kommission den Katalog der ermäßigten Steuersätze überprüfen soll.
(Stuttgarter Zeitung 05.10.10)


Nun bleibt es bei dem Schilda-artigem Dickicht.
7% für Hotelübernachtungen, Windeln 19%, Rennpferde 7%, Apfelsaft 19 Prozent, aber Äpfel 7%. Aufgebrühter Kaffee 19 Prozent. Auf Kaffeebohnen, Haustauben, Bienen und Chicoree, Speisesalz (aber nicht in wäßriger Lösung!) gibt es 7 %.
Die schwarz-gelbe Steuersenkungskoalition hat in ihrem ersten Gesetz das Chaos noch vergrößert - wider alle Vernunft.
Inzwischen blickt keiner mehr durch und die Merkel-Regierung mit ihrer dicken Bundestagsmehrheit legt tatenlos die Hände in den Schoß.
Schäuble fällt aus und sagt Vereinfachungen ab.
  (….)

(Wen der Urnenpöbel liebt – Teil II, 29.12.2015)

Wie extrem Schäuble als Finanzminister zu Zeiten der vollen Kassen Deutschland schadete, indem er alle Reformen verweigerte, um seinem Schwarze-Null-Fetisch zu frönen, weiß man heute nur zu gut. Deutschland zerfällt, ist Europa-weit abgehängt, hockt auf einem nicht mehr einzuholenden Investitionsstau.

Schlimmer noch; Schäubles Schwäbische Hausfrau-Irrelehren wurden Teil des Mainstreams und sind inzwischen beim Urnenpöbel so beliebt, daß keine Regierung mehr das Richtige tun kann.

Schlimmer noch, Schäubles falsche, destruktive und gnadenlose Austeritätspolitik gegenüber Südeuropa, legte die Axt an den europäischen Gedanken. Maßgeblich von Schäuble beeinflusst, wurde Brüssel so unbeliebt, daß in allen 27 Mitgliedsstaaten antieuropäische Parteien stark wurden, die dem Brexit nacheifern.

(….) Schäuble drückt seine Austeritätspolitik durch, ohne daß es irgendwelche Belege dafür gäbe, daß es jemals in der Geschichte der Menschheit funktioniert hätte eine bankrotte Wirtschaft durch radikales Sparen und Abwürgen jedes Konjunkturimpulses mitten in der Krise wieder in Gang zu bringen.

Ich wiederhole es immer wieder:

Auch Deutschland steht heute so gut da, weil die Bundesregierung im Krisenjahr 2008 durch den SPD-Finanzminister Steinbrück genau das diametrale Gegenteil dessen tat, was man heute von Athen verlangt:

Es wurden massive Konjunkturprogramme aufgelegt, zig Milliarden Euro geliehen, um die stotternde Nachfrage wieder anzukurbeln. Merkel und Steinbrück fluteten die heimische Wirtschaft geradezu mit Geld – Beispiel Abwrackprämie.

Das was damals offensichtlich funktionierte, will man nun gerade NICHT für Griechenland, sondern setzt auf ein Rezept, das noch nie funktionierte, das Millionen in Armut treibt, Tausende Kinder hungern läßt. Ausgerechnet Merkel, die Frau mit dem vollen Hosenanzug, die ihren Wählern nicht die allergeringste Änderung zumuten mag, verlangt von den Griechen noch viel radikaler zu kürzen. Man stelle sich vor, was in Deutschland los wäre, wenn hier die Renten um 50% gekürzt würden und die Wähler daraufhin Obdach und Krankenversicherung verlören.

Ich wage sehr zu bezweifeln, daß sie bei der nächsten Wahl wieder CDU wählen würden, damit die noch grausamer spart. Und nun, Potzblitz, Überraschung, haben die griechischen Wähler gesagt: ES REICHT. Sie wollen endlich eine andere Politik. Eine Politik, die nicht fremdbestimmt ist und offensichtlich seit Jahren die Lage immer nur verschlimmert. (….)

(Der schöne Mann – Teil II, 16.02.2015)

Schäubles historisches Versagen kann gar nicht scharf genug verurteilt werden.

(….) In der Tat sitzt Griechenland deswegen mehr denn je in der Patsche, da es insbesondere von den Deutschen aufgezwungen jeden Cent an die ausländischen Gläubiger zahlen muß und für die eigene Wirtschaft keinerlei Impulse mehr setzen kann. […] […] Es gibt Solidarität in Europa.

Man könnte zusammenhalten und die Gemeinsamkeiten betonen.

Deutschland stört.

[…] […] Schäuble gibt den Imperator

[….] Griechenland knickt ein - und Deutschland sagt immer noch Nein. Mit der prompten Antwort auf den Athener Antrag übernimmt das Bundesfinanzministerium die Rolle des Bösewichts in der Euro-Gruppe. Es scheint, als sei ein Bruch der Währungsunion gewollt.

[….] […] Doch Schäuble hat den Niederländer, der bisher als sein Adlatus wahrgenommen wurde und ohnehin mit dem Job riskiert, als tragische Figur in die Geschichte Europas einzugehen, demontiert. Wenn Berlin den Athener Brief für indiskutabel hält, wozu sollen sich die Finanzminister noch treffen? [….]

(Arvid Kaiser, ManagerMagazin 19.02.2015)

 

Man versteht nicht, daß die deutsche Öffentlichkeit nicht versteht, daß die Griechen nicht verstehen, wieso diese gewaltigen Milliardensummen, die ihnen angeblich helfen sollen doch zu fast 80% direkt an den Finanzsektor abfließen – also unter anderem DEUTSCHEN BANKEN zu gewaltigen Gewinnen verhelfen.

 

Mindestens 77,12% der Programmmittel flossen direkt (über Bankenrekapitalisierung) oder indirekt (über Staatsanleihen) an den Finanzsektor.

(Fazit einer ausführlichen attac-Dokumentation 2013)

 

Schäuble schiebt das Geld nach wie vor den raffgierigen Banken, die die Krise verursacht haben, in den Rachen und beklagt sich, wenn sich die Griechen beklagen. […] Auch der lammfromme Sigmar Gabriel ärgert sich vernehmlich über das halsstarrige Agieren des Juristen Schäuble, der im Gegensatz zu dem renommierten Ökonomie-Professor Varoufakis über keinerlei Fachkenntnis in der Materie verfügt.

 

[…] Deutschland sagt „Nein“! Aber nicht alle sind damit einverstanden. Denn nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland abgelehnt hat, gibt es Kritik aus der eigenen Bundesregierung.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat verstimmt auf Schäubles Ablehnung reagiert. „Das schriftliche Angebot der griechischen Regierung zu Verhandlungen über die Fortsetzung des Reformprogramms ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, hieß es in Ministeriumskreisen. […]

(MoPo dpa 19.02.15)

 

Schäuble glaubt offensichtlich die Angelegenheit Europa als kleinkrämerischer Rechtsanwalt betrachten zu können, ohne gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu berücksichtigen und möchte zudem den rechtsnationalen Wählern in Deutschland Zucker geben.  (….)

(Schäbig, schäbiger, Schäuble, 19.02.2015)

Sein Rollstuhlbonus trug Schäuble aber nicht nur über seine zerstörerische, destruktive Finanzpolitik hinweg, sondern ließ Presse und Wähler auch fast vergessen, daß er in innenpolitischen und parteipolitischen Dingen mit sicherem Griff ins Klo stets auf das falsche Pferd setzte. Er wetterte gegen die Doppelstaatsbürgerschaft, da sie schizophren mache. Er pöbelte düster-national raunend gegen Christos Reichstagsverhüllung und – immerhin das rechne ich ihm positiv an – setzte quasi im Alleingang Armin Laschet als Kanzlerkandidat 2021 durch, womit er Olaf Scholz zum Regierungschef machte.

[….] Schäuble war ein großer Politiker, der große Fehler gemacht hat – es waren fünf, mindestens. Der erste große Fehler war sein Eintreten für eine Generalamnestie der Steuerbetrüger und der Schmiergeldempfänger im Flick-Skandal der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Er propagierte die Amnestie damals, um Schaden von Helmut Kohl abzuwenden. Er tat dies aus Loyalität. Sein zweiter Fehler war die Zögerlichkeit und die Unvollständigkeit seiner Erklärungen zu einer 100 000-Mark-Spende des Waffenhändlers Schreiber. […] Sein dritter Fehler war es, dass er Kohl zu lange vertraute. Er hat sich an die Loyalitätsdevise gehalten, dass man ein Amt nicht nutzt, um gegen den zu arbeiten, der einen ins Amt berufen hat. […] Als Innenminister hat Schäuble nicht nur „die nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus“ verlangt, bis hin zur Rettungsfolter und zum Abschuss von entführten Zivilflugzeugen durch die Bundeswehr. Das Bundesverfassungsgericht hat dann ein solches Abschuss-Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Er hat sich auch, und das war ein grober Fehler, in Überlegungen verirrt, ob man Terroristen nicht gezielt töten sollte. […]  

(Heribert Prantl, 27.12.2023)

Sicher, unmittelbar nach dem Tod eines wichtigen Mannes, darf man ihn etwas rosarot zeichnen. Aber wenn jemand persönlich so hinterhältig und politisch so destruktiv wie Schäuble war, sind die Lobhudeleien nicht angemessen.