Mittwoch, 8. Juni 2016

Versöhnung



Das war wieder eine lange Nacht bis endlich die Ergebnisse aus Kalifornien vorlagen und der Bernie-Geront in Santa Monica auf die Bühne gewankt kam.

Der mit Abstand bevölkerungsreichste Staat der USA bringt 550 Delegierte in die demokratische Convention ein.
Hillary Clinton hatte schon vorher eine Mehrheit, aber Bernie Sanders wollte offensichtlich wenigstens eine Mehrheit der „pledged delegates“ anstreben, so daß Clinton auf ihre superdelegates angewiesen wäre, um ihn zu schlagen.
Dafür hätte er mindestens 70% der Stimmen in Kalifornien holen müssen.
Stattdessen verlor er deutlich.
Clinton liegt etwa bei 56% und Sanders bei 43%.
Der mit Abstand zweitgrößte Staat von den sechs, die gestern abstimmten, ist New Jersey. Hier gewann Clinton mit 63% zu 38% und sicherte sich damit 88 der 142 Delegierten.
Sie holte allein in Kalifornien eine halbe Million Stimmen mehr als Sanders; insgesamt bekam sie bei den gesamten demokratischen Primaries über drei Millionen mehr absolute Stimmen als er.
Sofern Sanders also Demokratie akzeptiert, muß er einsehen verloren zu haben.
Aber unter dem Jubel seiner Anhänger kündigte er an, nicht aufzugeben. „The struggle continues“ sprach er und will auch noch den allerletzten Wahltermin nächste Woche in Washington DC wahrnehmen.
Der Mann möchte also weiterhin Trump helfen.

Der GOP-Kandidat hatte nach der heftigen innerparteilichen Kritik ob seiner rassistischen Ausfälle ganz offensichtlich die Hosen voll. Dem Großmaul war selbiges gestopft.
Also war die loose cannon diesmal gleich zu Hause geblieben, las seine Rede vom Teleprompter ab und ließ keine Fragen zu.

Nichts Neues also bei Sanders und Trump.

Wir erlebten aber eine zur presumptive presidential nominee aufgestiegene Hillary Clinton, die damit schon Geschichte schrieb, weil sie die erste Kandidatin einer großen Partei in der gesamten Geschichte der USA ist.


Nachdem 44 Männer als US-Präsidenten amtierten, könnte Nr. 45 tatsächlich eine Frau werden.
Könnte.
Man verwende tunlichst eine Konjunktiv-Formulierung, denn Trump und die GOP haben es vermocht eine tiefe Sehnsucht nach den 50er Jahren zu schüren, als es noch nicht diese widerliche „Diversity“ gab. Als Schwarze und Latinos nichts zu melden hatten, Frauen die Klappe hielten, als Schwule in den Knast kamen und außenpolitische Aufmüpfigkeit mit Bombardierungen gelöst wurden.
Nichts anderes bedeutet Trumps Slogan „make America great again“ – zurück in die Vergangenheit, als wir Weißen allein bestimmten.
Diese teebeuteligen Hassfanatiker sind so unerträglich, daß ich als US-Wähler für jeden demokratischen Kandidaten stimmen würde.

Daß mir Hillary Clinton schon seit Jahren auf die Nerven geht, ich ihre Lautstärke, den stets weit aufgerissenen Lach-Mund und das ständige augenrollende Nicken kaum noch ertrage, ist also irrelevant.
Sie bekommt sowieso meine Stimme. Das war über Jahre mein amerikanisches Wahlmantra.

In den letzten Wochen haben sich aber zwei Dinge verändert.

Da ist einerseits die inzwischen nur noch theoretische innerparteiliche Alternative Sanders. Viele Jahre bin sich Abonnent seines Youtube-Kanals und freute mich oft an seinen Reden im Senat.
Seine linke sozialpolitische Agenda ist mir lieber als die Clinton-Linie.
Aber Sanders scheint mir doch intellektuell sehr verengt zu sein. Von Außenpolitik hat er keinen Schimmer, er interessiert sich auch offenbar gar nicht dafür.
Sanders sagt kein Wort zur Flüchtlingskrise im Nahen Osten. Das Elend in der Welt ist ihm egal. Ihm fiele es nicht ein dafür zu plädieren syrische Flüchtlinge aufzunehmen.
Clintons Agenda ist viel weiter gefasst. Sie ist erheblich besser informiert und sieht das Gesamtbild.
Außerdem zeigte sie 2008 wie man sich selbst zurücknimmt, um der Sache willen.
Sanders befindet sich immer stärker auf einem neroesken Egotrip.
Tatsächlich würde ich also bei einer Wahl zwischen Bernie und Hillary inzwischen für sie stimmen, weil ich sie für das Amt als erheblich besser geeignet erachte.

Da ist andererseits mal wieder eine neue Hillary, die zeigt wie lernfähig sie ist.
Lernfähigkeit halte ich für ein Zeichen von Intelligenz. Sie hat die Zustimmung zu Sanders analysiert und daraus die Konsequenz gezogen sich deutlich sozialer zu positionieren.
Anders als der ausschließlich sozial tickende Sanders denkt Hillary auch gesellschaftspolitisch, setzt sich schon sehr lange für Minderheiten ein; erwähnt diese bei allen Reden.
Damit bin ich schon beim entscheidenden Punkt.
Innerhalb einer Woche habe ich nun zwei große Reden Clintons gehört.
Letzte Woche in San Diego die zur Außenpolitik, in der sie Trump vernichtete und gestern ihre Kandidatenrede zum Abschluss der Primaries.

Beide, aber insbesondere die gestern waren brillant.
Ich bin ernsthaft beeindruck was für einen Ton sie fand und wie sie das Motto „Brücken bauen“ dem Trumpschen „Mauern erreichten“ entgegensetzte.
„Stronger Together“ lautete ihr Leitmotiv und so setzte sie eine klar diametral Trump entgegengesetzte Botschaft ab: Keine Ausgrenzung, sondern Inklusion, nicht gegen das Ausland, sondern mit den Partnern zusammen.


Beeindruckend wie Clinton die Versöhnung sucht, auch diejenigen mitnehmen will, die sie nicht wählen und sich wieder demonstrativ freundlich Bernie Sanders zuwendete.
Hier zeigte sich auch der größte Unterschied zur Sanders-Veranstaltung.

Während Hillarys Unterstützer bei ihrem Sanders-Lob applaudierte, buhte es Sanders heftig entgegen, als er Clinton erwähnte.
Seine Anhänger sind offensichtlich Fanatiker, die lieber untergehen und Trump Präsident werden lassen.

Wir haben jetzt immerhin klare Alternativen.

Hillary Clinton, oder Trump:

Schockierend dagegen ist das, was Trump über Amerika verrät. Ihm gelingt es, aus jedem Jahrzehnt die negativsten Eigenschaften mitzuschleppen und zu vermengen, von der Gier und Rücksichtslosigkeit der Achtziger bis zur permanenten Selbstdarstellung auf den Social-Media-Bühnen der Nullerjahre bis hin zu der zunehmend salonfähigen Ausländerfeindlichkeit der Zehnerjahre. In diesen Tagen wirft er einem US-Richter mexikanischer Herkunft vor, befangen zu sein, bloß weil er mexikanische Wurzeln hat. Vor einem Jahr mag man gedacht haben, offener Rassismus durch einen Spitzenpolitiker sei undenkbar in diesem toleranten Einwanderungsland, das noch immer die treibende Kraft der Globalisierung ist.
Aber der Blick in den Spiegel hat etwas anderes verraten. Die einst so stolze Republikanische Partei ist durchsetzt von Ressentiments - gegen Illegale, gegen Muslime, gegen angebliche Schmarotzer. Die älteren weißen Wähler befürchten, dass sie die Kontrolle verlieren, dass sie zu wenig abbekommen, während die anderen, die Fremden, zu viel kriegen. [….]

Hoffen wir, daß Clinton die USA vor de, GOP-Wahnsinn rettet.