Was für ein sagenhaft destruktiver und verkommener Charakter der völkische Populist und Verschwörungstheoretiker Oskar Lafontaine geworden ist, wird erst klar, wenn man sich ansieht, welche Fallhöhe er bewältigte.
1970-1975 Landtagsabgeordneter im Saarland
1976-1985 Oberbürgermeister Saarbrücken
1985-1998 Ministerpräsident, dreimal hintereinander mit absoluter SPD-Mehrheit gewählt.
1990 Kanzlerkandidat
1995 mit fulminanter Rede SPD-Bundesparteivorsitzender
1998 Bundesfinanzminister
Er war eloquent, intelligent und einer der ganz Großen in der deutschen Politik. 1999 beleidigt alles hinzuwerfen, war ein Schock, aber dramatisch wurde sein charakterlicher Verfall erst ein Jahr später, als er sich fürstlich von der rechtspopulistischen BILD bezahlen ließ, um systematisch seine ehemalige Partei SPD kaputt zu machen. Lafontaine tritt nicht nur einmal nach, sondern lebt seine Niedertracht über Jahre aus, um seinen ehemaligen Freunden maximal zu schaden.
2005 wechselte er zur WASG, wurde Bundestagsfraktionsvorsitzender und anschließend Parteivorsitzender der LINKEN, bevor sich das Muster wiederholte und er begann gegen seine Partei zu arbeiten.
Wieder konnte er sich nicht mit einem Bruch, einem Austritt abfinden, sondern stieß mit dämonischer Lust an der Zerstörung seine Partei in den Abgrund, indem er unmittelbar vor der Saarländischen Landtagswahl mit einem Knall die Partei verließ und die Saarländer aufforderte, keinesfalls die verkommene Linke zu wählen. Dabei war der böse kleine Mann sehr erfolgreich.
Nach 12,8% (2017), 16,1% (2012) und 21,3% (2009) stürzte die Linke bei der heutigen Wahl im Saarland auf 2,6% in die Bedeutungslosigkeit.
[….] Landtagswahl: Linke fliegt aus Landtag – und verflucht Lafontaine: „Das war eine Schweinerei“ [….]
(Saarbrücker Zeitung, 27.03.2022)
Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow ist verständlicherweise deprimiert, es sei „wirklich bitter und ein Desaster“ und folgerte richtig: „Und es ist wie es ist: Man wählt keine zerstrittenen Parteien.“ Allzu viel Mitleid kann ich nicht aufbringen, nachdem ich seit Jahren vor dem destruktiven völkisch-braunen Paar Wagenknecht-Lafontaine warne und die LINKE schon bei der Bundestagswahl 2021 nur 4,9% erreichte, weil eine Partei mit Wagenknecht nun einmal für echte Linke nicht wählbar ist. Allein, die Parteiführung wollte es nicht hören, eierte rum, trug den Putin-freundlichen und AfD-affinen Kurs des Saarländer Ehepaars mit. Nun also die nächste riesige Klatsche. Wer nicht hören will, muss fühlen.
Der Rest des Abends ist schnell erzählt. Es ist eine seit Jahrzehnten manifestierte Besonderheit des kleinsten Flächenlandes, daß alle kleinen Parteien zutiefst korrupt, zerstritten und nicht regierungsfähig sind.
Die Jamaika-Koalition von 2009 musste Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer 2012 vorzeitig beenden, weil die FDP in einen hysterischen Kindergartenmodus verfallen war.
Mit dem konservativen CDU-Freund Hubert Ulrich, 2002 bis 2017 Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Saarland, hielt sich die Partei 15 Jahre lang einen dreisten Mauschler als Chef. 1999 hatte er mit Behördenrabatt mehrere Limousinen gekauft, sie privat weiter vertickt und den Gewinn eingesackt. 2009 galt es, sich zwischen Jamaika und RRG zu entscheiden. Beim Landesparteitag am 11. Oktober 2009 stimmt Ulrich gegen ein Rot-Rot-Grünes Bündnis und für die FDP-CDU-Variante, nachdem er eine private 47.500 €-Spende vom FDP-Kreisvorsitzenden Hartmut Ostermann angenommen hatte.
Die Grünen behielten Ulrich weitere acht Jahre als Parteichef und endeten 2021 derartig im Chaos, daß sie nicht zur Bundestagswahl antreten durften.
[….] Vorangegangen war eine Posse des Grünen-Granden Hubert Ulrich, der zur Bundestagswahl sein politisches Comeback starten wollte. Zuvor hatte der Landesverband beim Parteitag in Saarbrücken die Spitzenkandidatin Tina Schöpfer demontiert und in drei Wahlgängen als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl durchfallen lassen. Der Spitzenplatz sollte nach dem strengen Quorum einer Frau zufallen, Ulrich griff dennoch zu und wurde per einstweiliger Anordnung am Wahlantritt gehindert. Wie groß der grüne Scherbenhaufen ist, den das neu formierte „grüne Bündnis Saar“ mit weitgehend unbekannten Kandidat:innen nun zusammenfegen muss, zeigen die Schlagzeilen, den die Grünen bis kurz vor der Wahl produzierten. Der Ex-Vorsitzende Ulrich warnte vor der Wahl seiner Partei. Der 64-Jährige bezeichnete diese öffentlich als nicht koalitionsfähig. [….] Und als Tiefschlag kam hinzu, dass auch der langjährige Grünen-Landeschef Ralph Rouget seinen Parteiaustritt und die Abgabe aller Ämter und Mandate bekanntgab. [….]
Heute bei der Landtagswahl in Saarbrücken erhielt die FDP 4,8% und die Grünen landeten bei 4,995%. Nur die ebenfalls hoffnungslos zerstrittene AfD schaffte es mit 5,7% knapp in den Landtag.
Damit gingen fast 23% der Stimmen an Parteien, die unter der 5%-Hürde blieben.
Das heißt umgekehrt, daß SPD-Chefin Anke Rehlinger, die 14 Prozentpunkte gewann und bei 43,5% landete, eine deutliche Sitzmehrheit von 29 Mandaten haben wird – die absolute Mehrheit liegt bei 26.
Die Diskuswerferin, Kugelstoßerin, Mutter, Katholikin, Anwältin, SPD-Bundesvizevorsitzende, mehrfache Landesministerin und Stellvertreterin war de facto die einzige Wahl. Das Chaos bei den Kleinen und die unterirdische Performance des Hobbypopulisten Tobias Hans, der als Wurmfortsatz von Markus Söder jeden Corona-Hakenschlag aus Bayern kopierte, ließen viele Saarländer die SPD ankreuzen. Hans gab mehr als 12 Prozentpunkte ab und schlug mit 28,5% beim schlechtesten CDU-Ergebnis seit über 60 Jahren auf.Ob eine Landtagswahl aus rein landespolitischen Gründen entschieden wird, oder ob die Parteien im Bund eine große Rolle spielen, beurteilen Sieger und Verlierer naturgemäß unterschiedlich. Vom Sieg wollen alle etwas abhaben, vom Verlierer distanziert man sich. Eine Mitschuld der Bundespartei an einer Landesniederlage gibt man zwar nie gern zu, aber das Maß an fehlender Solidarität des Vorsitzenden Friedrich Merz ist durchaus bemerkenswert. Der Mann ist sich selbst der nächste. Obwohl er sicherlich weniger zu hat, als der Bundeskanzler oder Vizekanzler, erschien er noch nicht einmal zur CDU-Wahlkampf-Schlußkundgebung, während Scholz, Habeck und Baerbock ihre Leute an der Saar auch persönlich unterstützten.
Merz hatte zuletzt vermehrt bewiesen, wie unseriös und gefährlich er agiert. Zuvor war er mehr mit seiner erstaunlichen generellen Unkenntnis aufgefallen.
Heute erinnert er hingegen mal wieder an seine eigentliche Kernkompetenz: Wahlen verlieren! Als Sozi freut es mich natürlich zu sehen, wie Merz in dieser Hinsicht auch bei seiner ersten Landtagswahl als CDU-Chef brilliert.
Anders als Armin Laschet, der sich immerhin bemühte, aber krachend verlor, weil er dämlicher als Olaf Scholz ist, beläßt es Merz nicht bei inhaltlicher Unklarheit – zwei Drittel der Wähler können nicht sagen, wofür die CDU steht – sondern gibt sich dabei auch noch maximal unsympathisch, indem er alle in der Partei wissen lässt, daß er sie eiskalt am ausgestreckten Arm verhungern lassen wird, bevor er einen persönlichen Einsatz riskiert.
Merz macht nicht nur einen Bogen um das Saarland, sondern hält sich heute auch aus Berlin fern. Seine Partei führen oder gar trösten will er demonstrativ nicht. Merz denkt nur an Merz.
[….] So still war es im Konrad-Adenauer-Haus an einem Wahlabend wohl selten, selbst an den schlechten Tagen nicht. Es war schlichtweg leer. Der Parteichef Friedrich Merz verweilte in seiner Heimat - keine Interviews zur Saarland-Wahl. Nicht mal eine handvoll Mitglieder aus Präsidium und Bundesvorstand waren anwesend. Eine Niederlage mit Ansage wollten oder sollten heute nur zwei erklären, der neue Generalsekretär Mario Czaja und der neue stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Jung. [….] Dieses Wahldebakel kommt dem frisch gewählten CDU-Chef ungelegen. Merz war zuletzt nicht mal mehr ins Saarland gereist, um noch einmal mit Verve für den Ministerpräsidenten zu werben. [….] Im Adenauer-Haus suchte man schnell Distanz, so schnell wie selten vor einer Landtagswahl. Der Schuldige stand öffentlich schon fest, bevor er überhaupt verlieren konnte. [….] Die Bundes-CDU hat sich um das "schwarze Schaf" zuletzt auch nicht sonderlich bemüht. Dass es irgendwie nicht rund läuft, war schon bei der Bundesvorstandsklausur in Saarbrücken zu spüren. [….] Am Ende war es eine Parteiveranstaltung mit Reden von Hans und Merz, wo nicht einmal mehr der Wahlkampfmotor, die Junge Union, Lust hatte zu klatschen. Die eigens angefertigten Handschilder mit der Aufschrift "Hans wählen" blieben auf den Stühlen liegen. Ein Sinnbild für einen vermurksten Wahlkampf. [….]
(Tagesschau, 27.03.2022)
Für Olaf Scholz, den einzigen aktiven SPD-Politiker, der sogar zweimal ein besseres Landtagswahlergebnis als Rehlinger holte, sind das gute Nachrichten.
Der Bundestagswahlgewinner, bricht mit dem Trend, daß die Kanzlerpartei die nächste Landtagswahl verliert. Er kann sich in einer Multi-Megakrise auf die Geschlossenheit seiner SPD verlassen. Saskia Esken ist zwar wie üblich überflüssig, aber das Duo aus dem rechten Seeheimer Parteichef Klingbeil und die linken ehemaligen Juso-Mann Kühnert als Generalsekretär funktioniert perfekt.
Das ist umso deutlicher, als der entsprechende Partei-interne Spagat aus dem rechten Vorsitzenden Merz und dem für CDU-Verhältnisse „eher linken“ Generalsekretär Mario Czaja gar nicht funktioniert.
Czaja hatte den größten anzunehmenden Anfängerfehler begangen, indem er schon vor zwei Wochen aus den Gremiensitzungen durchsickern ließ, Tobias Hans habe keine Chance bei der Landtagswahl und daher werde man Schadensbegrenzung betreiben, um sich auch noch die Bundespartei zu beschädigen. Die Bundespartei gab die Wahl also schon öffentlich verloren, als sich Hans noch abmühte.
Das ist erstens unprofessionell, zweitens unsympathisch, drittens der Sargnagel für den Landeswahlkampf und viertens ein deutliches Signal an zukünftige Landeswahlkämpfer: Der Bundesfriedrich wird euch gnadenlos in den Rücken fallen, wenn ihr ihm nicht nützt. Für Zwietracht innerhalb der CDU ist der Grundstein gelegt.
Die CDU ist nun wieder eine rein männliche Kartoffel-Partei; insofern passt ihr unsolidarischer Bundeschef aus dem letzten Jahrtausend gut dazu.
Zukunftsfähig ist sie natürlich nicht.
[…] Am Samstag hat Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz den Vorsitz an Christian Baldauf abgegeben. Damit führen in sämtlichen Bundesländern nun Männer die Union. Ihre verbliebenen Ministerpräsidenten heißen Daniel, Hendrik, Markus, Michael, Reiner sowie Volker (der bald an einen Boris abgibt), die Nachnamen deuten auf einen deutschen Hintergrund seit Urzeiten hin. Wenn sich daran nichts ändert, ist dies ein weiterer Faktor, der es der Union künftig sehr schwer machen wird. […]
(Detlef Esslinger, 28.03.2022)
Die SPD hingegen ist divers. Unter ihren acht Ministerpräsidenten sind vier Frauen.