Wenn es
stimmt, was der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe schreibt, ist Martin Schulz
bereits fest entschlossen in einer Groko selbst als Minister und Vizekanzler
mitzumischen.
Dafür
gibt es gute Argumente:
Da
Merkel in allen vorherigen Koalitionen ihre Juniorpartner verzwergte, muss
dieser alles tun, um ihr stark gegenüber zu treten. Der SPD-Parteichef kann der
CDU-Chefin aber nur auf Augenhöhe begegnen, wenn er ebenfalls ein wichtiges
Regierungsamt innehat und direkt in alle Kabinettsentscheidungen eingebunden
ist.
Dagegen
gibt es aber auch gute Argumente:
Schulz
selbst hatte im Wahlkampf mehrfach ausgeschlossen als Minister in ein Kabinett
Merkel einzutreten. Nachdem er am bereits am Abend des 24.09.17 eine Groko
ausschloss, wäre das bereits sein zweiter radikaler Wortbruch.
Ein noch
größeres Problem wäre aber die generelle politische Unfähigkeit des Würseleners
ohne jede Regierungserfahrung. Seine taktische Doofheit zeigt sich bereits in
der Tatsache, daß er sich ohne Not beim Thema Groko und Ministerjob festlegte.
Weiß er nicht wie sehr einem die Ausschließeritis am Ende schadet?
Außerdem
braucht die SPD Minister, die souverän agieren, möglichst brillieren und damit
auch mehr Wählerzuspruch generieren.
Schulz
bewies aber im Wahlkampf, beim Sondieren und verhandeln, daß er genau das eben
nicht kann.
Schulz
taktiert sich in Grund und Boden; zielsicher manövriert er sich in
NoWin-Situationen.
Journalisten
beklagen, daß sich die SPD nur erkennbar für den Familiennachzug einsetze; eine
ungeschickte Prioritätensetzung sei das, weil in dem Punkt die große Mehrheit
der Bevölkerung auf der harten CSU-Seite stünde und nur vergleichsweise wenige,
dazu noch nicht mal Wahlberechtigte betroffen wären.
[…]
SPD-Spitze auf dem Holzweg [….] Ausgerechnet beim Familiennachzug für
Flüchtlinge mit begrenztem Schutz legt sich die SPD mächtig ins Zeug. Dafür
sind aber nur 23% der Deutschen, 58% lehnen den Nachzug ab. Was ist dagegen mit
den 2,7 Millionen Menschen, denen der Mindestlohn vorenthalten wird? [….]
(Dierk
Rohwedder, Leitartikel Mopo, 30.01.18)
Diese
thematische Verquickung hätte Schulz nie zulassen dürfen. Es ist unredlich und
amoralisch Flüchtlinge gegen Niedrigverdiener auszuspielen. Ja, mehr Menschen
sind vom nicht bezahlten Mindestlohn betroffen, als Familiennachzügler.
Bei den
einen geht es aber um ein paar Euro mehr Lohn im Monat und bei den anderen um
Leben und Tod.
Ein
fähiger SPD-Chef würde sich gegen solche Vorwürfe wehren; erklären weshalb unabhängig voneinander beides erreicht werden muss.
Schulz
kommuniziert aber wieder einmal ungenügend und gibt dann ein vages Statement heraus,
welches der CSU-Interpretation diametral widerspricht.
"Hallo! Hier
schreibt wieder Martin. Die SPD hat sich mit einer guten Einigung beim
Familiennachzug durchgesetzt. Wir schaffen den Wiedereinstieg in den
Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge mit subsidärem Schutzstatus. Sie
werden nicht dauerhaft von Ehepartnern oder Kindern getrennt, wie CDU und vor
allem die CSU das gefordert haben. Wir haben jetzt eine Regelung 1000+. Denn
die SPD hat über die im Sondierungsergebnis hinaus
vereinbarten 1.000 Angehörigen pro Monat eine deutliche weitergehende
Härtefallregelung-wie vom SPD Bundesparteitag gefordert-durchgesetzt.“
(Martin Schulz, 30.01.18)
(Martin Schulz, 30.01.18)
„Egal was die SPD
jetzt sagt: Fakt ist, der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige bleibt
ausgesetzt und wird sogar komplett abgeschafft.
Wir wandeln ein
Kontingent von 1000 Personen pro Monat, das bisher als Resettlement aus Italien
und Griechenland vorgesehen war, in ein humanitäres Kontingent um.
Das heißt netto kein
Mehr an Zuwanderung. Die Härtefallregelung gibt es bereits jetzt schon und
betrifft nur ein paar Handvoll Personen.“
Mal
abgesehen davon wie widerlich das von der CSU im falschen Deutsch verfasste
xenophobe Statement am Jahrestag von Hitlers „Machtergreifung“ ist, muss man
sich doch über die Unfähigkeit der Koalitionäre wundern.
Wäre es
denn so unmöglich sich allgemein verständlich und klar auszudrücken?
[…..]
Geht doch. Den Eindruck konnte man am
Dienstag gewinnen, nachdem die Einigung von Union und SPD beim Thema
Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz bekannt geworden
war. Frühmorgens um sieben hatten sich Unionfraktionschef Volker Kauder (CDU),
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und die SPD-Fraktionsvorsitzende
Andrea Nahles mit einigen Innenpolitikern zusammengesetzt - fertig war der
Kompromiss.
Ein gutes Signal für
die sich dahin schleppenden Koalitionsverhandlungen, ein Zeichen dafür, dass
CDU, CSU und SPD auch an den kniffligsten Punkten Lösungen finden können. Der
Eindruck war allerdings im Laufe des Tages schon wieder dahin, als nämlich Vertreter
von Union und Sozialdemokraten ganz unterschiedliche Interpretationen der
Einigung verkündeten und sich teilweise fundamental widersprachen.
Ein Schritt vor, einer
zurück. […..]
[….]
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach
von einem "sachlichen und vernünftigen Kompromiss". Sie freue sich,
dass künftig pro Jahr mindestens 12.000 Angehörige von Flüchtlingen mit
eingeschränktem Schutzstatus nach Deutschland kommen könnten, sagte Nahles.
"Das ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Dafür hat die SPD auch lange
gerungen."
[….]
Vertreter von CDU und CSU sehen das
jedoch anders: "Mit der Neuregelung wird der Anspruch auf Familiennachzug
für subsidiär Geschützte endgültig abgeschafft", sagte
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. [….] Unionsfraktionschef Volker Kauder wertete die Einigung als
Verhandlungserfolg der Union. Damit finde eine Steuerung des Zuzugs für
subsidiär Geschützte statt, die sich an der Integrationsfähigkeit unseres
Landes bemesse, sagte der CDU-Politiker. "Damit hat sich das zwischen CDU
und CSU formulierte Regelwerk zur Migration durchgesetzt."
[….]
Juso-Chef Kevin Kühnert kritisierte die
Absprache scharf: "Die SPD geht beim Familiennachzug in Vorleistung und
bekommt von der Union dafür ungedeckte Schecks", sagte Kühnert dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es sei "vollkommen unklar, ob eine
ergänzende Härtefallregelung, die mehr als 1000 Menschen pro Monat den
Familiennachzug ermöglichen soll, wirklich kommt und wie diese Regelung
aussehen würde". [….]
Mit so
einer Eierei will Schulz für die Groko werben?
Und was
soll man eigentlich von seiner Arbeit als Minister erwarten, wenn er sich schon
bei den Koalitionsverhandlungen so übertölpeln lässt?
Während
die CSU auf ihren sozialen Medienseiten mit tausenden Basis-Vertretern
streitet, die wie kleine Bernd Höckes jeden einzelnen Nichtweißen und
Nichtchristen aus dem Land werfen wollen…
CSU auf Facebook, 30.01.2018 |
…… wendet
sich die katholisch engagierte CSU-Basis schaudernd von ihrer AfDophilen
Parteiführung ab.
Wie die CSU mit ihrem
Rechtskurs Stammwähler verprellt
[…..]
Mustergültig
sieht man hier, wieso man für und gegen die Groko sein kann.
Mit
dieser menschenfeindlichen CSU kann man moralisch betrachtet eigentlich gar
nicht koalieren.
Wenn man
es aber nicht tut, besetzten diese angebräunten Neokonservativen noch mehr
Ministerämter und die Heimatvertriebenen werden umso brutaler im Orban-Stil
angegangen.
Dann
gäbe es gar keine Härtefallregelung mehr.
Dafür
darf man aber als SPD-Mitglied erst recht nicht verantwortlich sein. Also lädt
man mit einem Nein zur Groko schwere moralische Schuld auf sich.
Und was
gilt nun tatsächlich laut des heute verhandelten Kompromisses?
Keiner weiß es.
Keiner weiß es.
[….]
Wir haben es hier ja mit einer doppelten
Nachzugsregelung zu tun. Zum einen soll es ein Kontingent für 1000 Personen pro
Monat geben, die nach humanitären Gründen ausgewählt werden. Zum anderen gibt
es eine zusätzliche Härtefallregelung. Völlig offen ist, nach welchen
humanitären Gründen man die 1000 Plätze vergibt und wer nicht die Möglichkeit
bekommt, nachzuziehen. Unklar ist auch, wie man auswählt, wer zuerst nach
Deutschland kommt. [….]
(Daniel Thym, 30.01.18, Professor für
Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz und
Direktor des dortigen Forschungszentrums Ausländer- & Asylrecht)
[….]
Tränen muss mancher unterdrücken, als
eine kurze Filmsequenz an der Wand erscheint. Da erzählt eine Syrerin, dass sie
es kaum mehr aushalte in Deutschland, dass sie zermürbt werde von der Sorge um
ihren Mann und die Kinder, die noch immer in Syrien leben und nicht zu ihr
dürfen. Eine verzweifelte Frau, für die es vermutlich keine Erlösung gibt, wenn
die kommende große Koalition ihren Plan umsetzt und den Familiennachzug weiter
untersagt. Irme Stetter-Karp zeigt diese Filmszene. Sie ist Vizepräsidentin des
Deutschen Caritasverbands und argumentiert weniger mit Paragrafen und
Statistiken: "Weil es um Menschen geht, nicht nur um Zahlen." Sie
kritisiert den Nachzugsstopp als "humanitär und integrationspolitisch
fatal", weil er den Menschen, die schon in Deutschland sind und ganz
offiziell Schutz genießen, die Energie raube, hier Fuß zu fassen, die Sprache
zu lernen, Arbeit zu finden. Drei, vier Jahre müssten viele auf ihre
Angehörigen warten, manche befürchten, für immer getrennt zu sein.
Stetter-Karp erinnert
daran, warum viele Minderjährige allein in Deutschland sind. Nicht immer, weil
sie von den Eltern auf die Flucht vorgeschickt würden, sondern auch, weil das
Geld für die Reise aller fehlt, weil ein Angehöriger zu krank ist für die
Flucht, weil manche auf dem Weg nach Europa sich verlieren. [….] Der ausgesetzte Familiennachzug droht einen großen Keil zu treiben
zwischen die Regierenden und die Fachleute und Helfer an der Basis, die die
Folgen der Berliner Beschlüsse täglich erleben. Ähnlich negative Auswirkungen
befürchten viele durch die "Anker"-Zentren, wie Union und SPD die
geplanten Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen abkürzen. Ein
paar Monate dort zu leben sei ja okay, heißt es. Was aber, wenn sich die
Entscheidung bis zur Rechtskraft eines Asylbescheids hinzieht, Monat um Monat?
Wenn die Flüchtlinge im "Anker" festsitzen, ein, zwei, drei Jahre,
und am Ende dann doch bleiben dürfen, weil sie vor Gericht gewinnen oder eine
Abschiebung unverantwortlich gefährlich wäre? "Dann bekommen sie psychisch
kaputte Menschen", prophezeit Günter Burkhardt, Chef von Pro Asyl […..]
Ich
befürchte, man kann als SPD-Mitglied nicht gegen eine Groko stimmen, in dem
Wissen, daß diesen armen Menschen dann CSU-pur droht, daß de Maizière, Spahn,
Dobrindt und Co dann gnadenlos Familien zerstören, die aus dem von deutschen
Waffen zerschossenen Syrien fliehen mussten.
Eine
interessante Frage wird es sein worüber wir SPD-Mitglieder genau abstimmen.
Wie man
hört soll es anders als 2013 nicht nur um ein „Ja“ oder „Nein“ zur Groko gehen.
Die Ressortverteilung soll auch bekannt gegeben werden.
Die für
mich interessanteste Frage, nämlich die nach dem Personal,
soll die Basis allerdings nicht mitentscheiden. Das möchte die SPD-Spitze gern
unter sich ausmauscheln.
Dabei
spielt es für mich eine entscheidende Rolle, ob ein potentiell AfD-affiner
Gabriel, der auch mal völkisch blinkt und sein OK für Waffenexporte und VDS
abgibt weiter Minister wird, ob Schulz ein Kernministerium bekommt, oder ob
eher Flüchtlings-freundliche und Pegida-feindliche engagierte Sozialdemokraten
wie Maas und Barley regieren.
[….] Die SPD-Taktik scheint verdruckst:
Einerseits sollen die Mitglieder über wichtige Inhalte abstimmen, andererseits
soll es erst hinterher um Namen gehen. [….] Mindestens zwei Fragen sind auch für die Basis wichtig: Geht Martin
Schulz ins Kabinett? Und was wird aus dem derzeit nach Umfragen populärsten
SPD-Politiker Sigmar Gabriel?
Es mag taktische
Erwägungen geben, niemanden zu verprellen und so womöglich Stimmen im
Mitgliederentscheid zu verlieren. Aber taktiert hat die SPD genug. Parteichef
Martin Schulz sollte das ganze Bild präsentieren, alle Fakten, alle Namen. Und
er sollte dazu stehen, was er für sich selbst plant. Spekulationen könnten
sonst mehr Schaden anrichten als die Wahrheit. […..]