Sonntag, 24. Juni 2018

Migrantophobe Impulse


Daran werden CSU und auch die meisten anderen Deutschen nicht so gern erinnert:
Nach 1945 nahm Westdeutschland 12-14 Millionen Heimatvertriebene auf.
Die Partei für die Neuankömmlinge war die CSU, deren Vertreter auch 70 Jahre später noch zu den Veranstaltungen der Vertriebenenverbände pilgern.
Die Länder, aus denen sie damals kamen – Ungarn, Polen, Rumänien – sind seit knapp 30 Jahren frei und (quasi) demokratisch.
Aber kein Söder oder Seehofer fordert Rückführungen dieser Menschen dahin wo sie hergekommen sind.
Migrantophoben Impulsen von Orban, Kurz, Söder und Trump liegt nämlich ein dumpfer Rassismus zu Grunde.
Der amerikanische Präsident hatte es klar ausgedrückt:

'Why do we want these people from all these shithole countries here? We should have more people from places like Norway."

Die Millionen Migranten von 1945/1946 hatten eine konvenierende Hautfarbe.
Nicht so dunkel, wie die Typen aus Eritrea.

Es gibt einen zweiten wesentlichen Unterschied zwischen 1945 und 2015:
Vor 70 Jahren waren die Deutschen weitgehend verarmt, hatten nichts zu verlieren. Das junge Ehepaar Loki und Helmut Schmidt dachte bekanntlich zukünftig würden die Deutschen in Erdhöhlen auf primitivstem Ackerbau-Niveau hausen.

Heute sind die Deutschen steinreich und leben in einer extremen Überflussgesellschaft.
Das weiß jeder, der schon mal eine Haushaltsauflösung veranstalten musste und versuchte gebrauchte Möbel/Mäntel/Küchenutensilien/Waschmaschinen zu verkaufen.
Noch nicht mal geschenkt will das jemand haben, weil alle alles in rauen Mengen haben und ständig neu kaufen.
Wer sehr viel hat, hat auch viel zu verlieren und sorgt sich um seinen zusammengerafften Wohlstand.

Länder mit sehr viel ärmerer Bevölkerung verhalten sich großzügiger gegenüber Flüchtlingen. Der schwer kriegsgebeutelte Libanon beherbergt bei rund 5 Millionen Libanesen eine Million Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien, sowie dauerhaft eine halbe Million Palästinenser.

Die Flüchtlingsrouten vom Nahen Osten durch Südosteuropa zeigen ein ähnliches Bild: Je reicher die Länder, desto massiver die Abwehr.
Im verglichen mit Bayern bettelarmen Bosnien ist die Solidarität mit den Flüchtlingen groß.

[….] Man sieht das in der Lagerhalle der Hilfsorganisation Pomozi, die auch das Geld gibt für die Suppenspeisung am Bahnhof. Pomozi heißt übersetzt "helft", und diesem Imperativ sind viele nachgekommen. Bis zum Wellblechdach stapelt sich in Kisten und Plastiksäcken all das, was die oft armen Bosnier für die noch Bedürftigeren abgegeben haben: Schlafsäcke und Decken, Kleidung und Spielzeug, Taschenlampen und auch mehrere Krückenpaare.
"Das ist anders hier als in den meisten Ländern", sagt Adnan Tatarević, der Präsident von Pomozi. "Es gibt bei uns keinen Druck von der Polizei auf die Flüchtlinge, viele Menschen helfen, weil sie in derselben Situation waren, nur unsere Regierung ist eine Katastrophe", meint er. Hilfsgelder, die aus der EU kämen, würden in den korrupten Strukturen versickern. Aber die EU gebe sowieso nur Geld, damit die Flüchtlinge in Bosnien blieben und nicht weiterzögen. "Das wird ein humanitäres Desaster", warnt er, "wir sind zu klein, um viele Flüchtlinge aufzunehmen". [….]

Ein anderer Unterschied zu der Situation vor 70 Jahren, ist der, daß Deutschland heute dringend Arbeitskräfte benötigt und schon bisher ökonomisch sehr von Migranten profitiert.
Viele Branchen sind schon jetzt nicht überlebensfähig ohne ausländische Mitarbeiter.
Das betrifft immer noch die wenig attraktiven Berufe in Restaurantküchen, im Reinigungswesen oder den Bauern, die auch dieses Jahr wieder Zehntausende Tonnen Erdbeeren und Spargel auf dem Feld verrotten lassen mussten, weil sie nicht genügend Erntehelfer auftreiben konnten, sondern nahezu alle Handwerksbranchen und die medizinisch-sozialen Berufe.
Sehr willkommen sind gerade die überdurchschnittlich gebildeten Syrer auch deswegen, weil die Deutschen offensichtlich zu blöd für MINT-Fächer sind.

Söderseehoferdobrindts Plan bedeutet im Moment sich maximal aufzuplustern und Merkel zu schaden. Sie handeln ausschließlich destruktiv; wie ihr Vorbild Donald Trump, der auch danach trachtet alle Strukturen zu zerstören und dabei gerne maximal menschenfeindlich vorgeht.

[….] Alle zurückschicken, sofort, ohne Anhörung
US-Präsident Trump hat seine Forderungen nach Abschiebung illegal eingereister Personen noch einmal verschärft. Sie sollten umgehend zurückgeschickt werden - ohne Gerichtsverfahren und Richter. [….]

So auch die CSU, die amoralisch agiert, etwas praktisch absolut Undurchführbares fordert und das auch noch in einer Situation, in der das angebliche Problem gar nicht mehr besteht.
Die deutliche Mehrheit der Deutschen ist für einen radikalen migrantophoben Kurst, weil AfD, CSU, Talkshows und Hassblogger in den sozialen Medien einen „Flüchtlingsansturm“ vorgaukeln.
In Wahrheit hat Merkel alle Flüchtlingsrouten schließen lassen, setzt auf Abwehr und man freut sich an den Tausenden Hilfesuchenden, die jedes Jahr auf der Flucht nach Europa elendig krepieren und es nicht lebend schaffen.

Im Jahr 2018 kamen von Januar bis Juni insgesamt 18.000 Migranten in Griechenland an.
Vor drei Jahren waren es 20.000 pro Woche!

Die Grenzschließungen, von denen der Bundesinnenminister ständig spricht, sind eine einzige Farce, um die Rechtsradikalen zu triggern.
Die verstoßen gegen das Schengenabkommen, weil im Moment eben keine außergewöhnliche Notlage herrscht.
Die deutschen Binnengrenzen sind 3.800 km lang. Kontrollpunkte gibt es nur an der bayerisch-österreichischen Grenze und zwar genau drei  - Pocking, Freilassing und Kiefersfelden – auf einer Länge von 815 Kilometern.
Im Bayerischen Breitenberg, nördlich von Pocking nahe dem Dreiländereck mit Tschechien, kamen vor drei Jahren fast 20.000 Flüchtlinge innerhalb eines Monats zu Fuß aus Österreich.
Heute so gut wie keiner mehr.
Die CSU betreibt reine Symbolpolitik, die keinerlei reale Entsprechung hat.
Außer der bayerischen Landtagswahl und der puren tiefsitzenden Bosheit der Protagonisten gibt es keinen Grund ausgerechnet jetzt so einen Druck aufzubauen. In Wahrheit herrscht an der bayerisch-Österreichischen Grenze „a himmlische Ruah“, wie ein ansässiger Bauer dem SPIEGEL erzählt. Fast 4.000 Kilometer grüne Grenze um Deutschland sind nicht abzuriegeln.

[….] Kein Bundesinnenminister kann die hermetisch abriegeln, um Flüchtlinge zurückzuweisen. Nicht mal, wenn er aus der kraftstrotzenden CSU kommt. Doch auf das "Wir schaffen das" soll unbedingt ein "Wir tun was" folgen. Die Frage ist nur: was? Und wie sinnvoll ist es?
Der vergangene Dienstag war wieder so ein Tag, an dem die Politik ihren unbedingten Willen zum Handeln dokumentieren wollte. Bundespolizeipräsident Dieter Romann schickte auf Weisung von Innenminister Horst Seehofer (CSU) eine Anordnung an alle Direktionen. "Ab sofort", heißt es in dem zweiseitigen Schreiben, erfolgen an allen Binnengrenzen "Zurückweisungen von Personen, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot" bestehe. Harte Kante also an den Grenzen. Endlich soll durchgesetzt werden, wovon die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wohl ausging, dass es längst geschehe: Wer nicht ins Land darf, kommt auch nicht rein.
Es dauerte ein paar Stunden, bis sich die Maßnahme als Placebo entpuppte. Denn die neue Linie gilt einzig für die deutsch-österreichische Grenze. Nur hier sind bislang vorübergehende Kontrollen erlaubt. An den anderen Übergängen nach Deutschland herrscht weiter freie Fahrt.
Derzeit gibt es in Bayern einige wenige Stellen mit einem Grenzregime, das auf Beobachter streng wirkt. [….]

Da sind die CSU-Herren ganz bei Trump, sie echauffieren sich über ein Problem, das sie selbst herbeilügen.