Mittwoch, 18. April 2012

85 Jahr und kein bißchen weise…





Immer noch staune ich wie an sich vernünftige Menschen über Joseph Ratzinger sprechen.

Dieser Mann, gegen den lange Anklageschriften beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorliegen, weil weltweit an die 100.000 Kinder von Priestern mißbraucht wurden und er über 25 Jahre alles dafür tat die Täter zu schützen und die Opfer zu diffamieren.

Dieser Mann, der wer weiß wie viele Tote auf dem Gewissen hat, weil er seine Organisation predigen läßt, daß auch HIV-Positive keineswegs Kondome benutzen dürften.

Dieser Mann, der mit Rechtsradikalen und Holokaustleugnern sympathisiert.

Dieser Mann, der in beispielloser Brutalität Befreiungstheologen niedergemacht hat, weil sie sich für die Armen und sozial Schwächsten einsetzten, statt mit den faschistischen Diktaturen zu klüngeln, wie es der Vatikan verlangte.

Dieser Mann, der in ekelhafter Weise antijüdisch, frauenfeindlich, homophob, antimuslimisch und antiprotestantisch palavert.

Dieser Mann, der Millionen Mitglieder aus der Kirche treibt.


Dieser Mann, der bis heute zuläßt, daß kinderfickende Priester ihren Dienst verrichten.

Dieser Mann, dem es bis heute nicht einfällt ein Wort dazu zu sagen, daß Nonnen in Spanien, Kanada und anderswo Myriaden Kinder geraubt und verkauft haben.

Dieser Mann, der angesichts von Lynchmorden an Homosexuellen in Uganda und anderen Staaten, welche Schwule mit der Todesstrafe verfolgen seinen UN-Botschafter verkünden läßt:

"Staaten müssen weiterhin das Recht haben, strafrechtlich gegen homosexuelle Handlungen vorzugehen!"

Dieser Mann hatte vorgestern Geburtstag und der offizielle Religionsschreiberling der besten deutschen Tageszeitung, Matthias Drobinski von der SZ, nennt ihn „der Unverstandene.“ 
Der Mann, der wie kein anderer in der intriganten Schlangengrube Kurie Macht anhäufte und als Papst einen Prunk wie seit 100 Jahren nicht mehr entfaltet, sei in Wahrheit ganz bescheiden.

Es ist aber auch so, dass Joseph Ratzinger zeitlebens der Personenkult fremd war. Keines seiner Kirchenämter hat er angestrebt, auch nicht das des Papstes; er hat die ihm angetragenen Funktionen akzeptiert und ausgefüllt. […]
Es gibt ja viel Gutes zu sagen über Benedikt XVI., den deutschen Papst, der drei Tage nach seinem Geburtstag auch sieben Jahre im Amt ist: ein liebenswürdiger, heiterer, tief frommer Mensch, belesen und gebildet wie nur wenige Päpste vor ihm. Er steht für die abendländisch-europäische Tradition der katholischen Kirche - und dass die Kardinäle im April 2005 Joseph Ratzinger wählten, zeigt, wie wichtig ihnen diese Tradition war, dass sie noch nicht die Zeit gekommen sahen für einen Papst aus Afrika oder Lateinamerika. Benedikt hat seitdem den aufgeklärten, reichen Gesellschaften ins Gewissen geredet: Vergesst Gott nicht, macht euch nicht selbst zum Maßstab des Lebens. Vergesst nicht, dass der Glaube die Vernunft braucht und die Vernunft den Glauben. Und auch nicht, dass der Glaube Wahrheiten formulieren muss, will er sich nicht im Beliebigen auflösen.

Anders als Herr Drobinski glaubt, denke ich, der Papst wird ganz richtig verstanden.
Es ist kein Zufall, daß hoch aggressive Demagogen wie Mathias Matussek seine größten Fans sind.

Denn es stimmt nicht, daß der Papst sich nur Feinde schafft und Enttäuschte zurück läßt.
Ratzinger hat viele begeisterte Anhänger, die ihn voll und ganz unterstützen.
Dies sind nur keine freundlichen Menschen, sondern widerliche Hetzer und Hasser, wie die verfassungsfeindlichen Kreuznetler oder die Piusbrüder.

Luisa Brandl orakelte letzten Freitag dem Papst wären die Zügel längst entglitten, der arme Mann habe gar keine Kontrolle mehr und werde ferngesteuert.

 Eines ist sicher: Die legendäre Zurückhaltung der Kardinäle ist nun dahin. Die Nachfolge Benedikts ist kein Tabu mehr. Kurz vor seinem 85. Geburtstag am 16. April sieht sich Ratzinger den wildesten Spekulationen um seinen Gesundheitszustand ausgesetzt. Hinter den Vatikanmauern wird getuschelt, er habe Krebs und würde das Jahr nicht überleben. Andere verweisen auf seine Herz-Kreislauf-Beschwerden, seine Angst vor Reisen, die ihn anstrengen und die er deshalb auf ein halbes Duzend im Jahr begrenzt hat. In Mexiko sah man den Papst zum ersten Mal auf einen Stock gestützt aus dem Flugzeug steigen. Er müsse Medikamente einnehmen, heißt es, zur Vorbeugung von Thrombosen.
Benedikt hält das Zepter nicht mehr in der Hand.
Für Ratzinger hat ein "annus horibilis" begonnen. Kaum sind die Skandale um Pädophilie und Vertuschung der Missbrauchsdelikte verhallt, muss sich das Kirchenoberhaupt um seine interne Führungsposition sorgen. […]
Dass Benedikt das Zepter nicht mehr in der Hand hält, wird auch an der ungebremsten Kritik an seinem Staatssekretär Tarciso Bertone deutlich. Bertone sei inkompetent auf internationalem Parkett, wird in der Kurie gemäkelt. Er spreche keine Sprache außer Italienisch und habe sich in einem kleinen Kreis Vertrauter abgezirkelt. Ratzinger gebietet weder der Kritik Einhalt noch hat er den Mut, sich von dem Getreuen zu lösen. Er steht weiter unter dem Einfluss seines Staatssekretärs.

Ich halte das für großen Bullshit, denn keiner kennt die vernetzten Kurien-Strukturen so gut wie Joseph Ratzinger, der selbst schon über 30 Jahre in diesem engmaschigen Netz voller Fallstricke manövriert.

Der Papst kümmert sich aber um seine eigene Agenda. 
Der Mann ist im Denken sehr eingeschränkt und kann für die meisten Aspekte dieser modernen Welt einfach kein Interesse aufbringen.

Ihn interessieren Arme in Asien, Afrika und Südamerika nicht.
 Er kann mit fremden Kulturen und anderen Auslegungen des Christentums schlicht und ergreifend nichts anfangen. 
Er ist ein Bayer geblieben und weiß sich darüber hinaus im winzigen Mikrokosmos Vatikan zu bewegen.

Schon sein Vorgänger, der verglichen mit ihm geradezu sagenhaft aufgeschlossen war und ein überbordendes Interesse an Menschen in ihrer ganzen Buntheit hatte, interessierte sich für viele Aspekte des Papsttums nicht. 
Er reorganisierte nichts, straffte keine Strukturen, modernisierte die Kurie nicht.

Bei Ratzinger ist die Fokussierung auf seine Themen - altertümliche Liturgie, Abscheu vor Frauen und Fremden, Sympathie für Rechtsradikale - noch wesentlich ausgeprägter.


 Ratzinger ist im Grunde herzlos und beschäftigt sich nicht mit den „small people.“

Wer das erkennt und zufällig auf dieser Wellenlänge tickt, kann frohlocken.

 Für ultrakonservative Karriere-Kleriker erscheint Ratzinger außerordentlich aktiv und umtriebig. Typen wie Dominikus Schwaderlapp, Overbeck, Tebartz-van Elst und Woelki wurden rapid-befördert. 
Notorische Nazi-Vergleicher wie Kardinal Meisner bekamen ihre alte Messe und ihre judenfeindlichen Karfreitagsfürbitte zurück.

Und die Allerradikalsten, die hochgradig misogynen, antisemitischen und homophoben Piusbrüder mit ihrem holokaustleugnenden Bischof Williamson, die noch von Woytila exkommuniziert wurden, wissen wie Ratzinger tickt.

Sie verstehen ihn im Gegensatz zu Matthias Drobinski sehr gut.

 Sie haben Zugang zum angeblich so Entrückten und Entweltlichten.

Als eine "schmerzende Wunde im Leib der Kirche" hat Josef Ratzinger den Verlust der Einheit mit Zehntausenden von Anhängern und Hunderten von Priestern bezeichnet und seinen persönlichen Ehrgeiz seit langem daran gesetzt, das Schisma zu beenden.
Der deutsche Papst hielt auch nach dem weltweiten Skandal um den Holocaust-Leugner und Piusbischof Richard Williamson an seinem Vorhaben fest. […]
Unter liberalen und linken Katholiken würde es weltweit einen Aufschrei geben, wenn die Piusbrüder wieder offiziell zur römisch-katholischen Kirche gehörten, wenn ihre Bischöfe mit Roms Erlaubnis neue Priester weihten und sich die katholischen Messen im alten Ritus weiter verbreiteten. Aber das will der Papst durchstehen. […]    Das Geschenk an Benedikt XVI. ist ein freundlicher Brief der Bruderschaft, der schon Ostern hinter den Mauern des Vatikans eintraf. […]
Der deutsche Kardinal Josef Becker, der als Berater der Glaubenskongregation an den Verhandlungen mit der Piusbruderschaft mitwirkte, meinte kürzlich, es sei zwar schwer, beide Positionen miteinander zu verbinden, aber man müsse den jeweils anderen "auch versuchen zu verstehen".

Die Tiefbraunen haben schon Oberwasser.

Dieses Mal ist es ernst: Das Abkommen zwischen dem Vatikan und der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. ist unter Dach und Fach.
[…] Es ist eine Frage von Tagen, bis ein Dokument zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. unterzeichnet wird. Das erklärte der Vatikanist Jean-Marie Guénois gestern in der Online-Ausgabe der Pariser Tageszeitung ‘Le Figaro’.  /  Inoffiziell haben die Vertreter der beiden Seiten nach Angaben von Guénois in den letzten Wochen in der größten Diskretion gearbeitet, um „ein Abkommen zu erreichen.“  / Der Papst – der am kommenden Montag 85 Jahre alt wird – hat lange um dieses Abkommen gekämpft.  / Die Piusbruderschaft wird zur Personalprälatur / Nach Angaben von Guénois wird der Bruderschaft ein spezieller Status zugebilligt, der jenem des sich bereits im altliberalen Niedergang befindlichen Opus Dei entspricht.
 (Hakenkreuznet 14.04.12)

Man versteht sich.