Was ist das nur für ein Schwachsinn mit der „Belastungsgrenze“,
die erreicht wäre?
Daß AfD und NPD nun ein, zwei oder drei Prozentpunkte in Umfragen zulegen, versetzt
Politiker von SPD, CDU und CSU gleich derartig in Panik, daß sie einfach die
platten xenophoben Parolen nachplappern.
Gabriel jammerte gar im schönsten Pegida-Sprech:
„Man muß sich vor allem darum kümmern, daß die deutsche
Gesellschaft nicht vernachlässigt wird.“
Weil wir ein Prozent des Haushaltes für Vertriebene
ausgeben? Eine Investition, die Deutschland langfristig sehr nutzen wird?
Am Wochenende hat sich auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion für
einen "Aufnahmestopp" ausgesprochen und erklärt, es gebe
"Grenzen der Aufnahmekapazität". Führende Medien publizieren
Beiträge, in denen ein prominenter Historiker besorgt fragt, ob "wirklich
keine Analphabeten", sondern nur nützliche "Ärzte und
Ingenieure" in die Bundesrepublik kämen, oder in denen ein Schriftsteller
vor einer "Flutung des Landes mit Fremden" warnt. Derartige
Äußerungen werden von Demonstranten, die gegen Flüchtlinge protestieren, mit
Genugtuung rezipiert.
Strobl, Seehofer und Söder überbieten sich mit Medien
gegenseitig, um ihr „Verständnis“ für die „besorgen Bürger“ auszudrücken.
Verständnis? Wofür?
Verständnis aufbringen für die Ängste und Sorgen der Bürger in Deutschland.
Keine Talkshow mehr ohne diesen Satz, keine Diskussion am Stammtisch und keine
Debatte im Bundestag. Verständnis VON oder Verständnis FÜR? Es ist der kleine
semantische Unterschied, der den Analysten vom Aktivisten unterscheidet. Den,
der Stimmungen deutet von dem, der Stimmung macht. Ja, auch ich verstehe, dass es
Ängste vor Flüchtlingen gibt und woher diese Ängste kommen. Nur, mit Verlaub,
ich habe kein Verständnis dafür.
Ich habe kein Verständnis dafür, dass Menschen Angst haben vor einer
"Islamisierung des Abendlandes", wo der Anteil der Muslime im
europäischen „Abendland“ gerade mal 4 % ausmacht, und auch dann nur auf 5 %
anwachsen würde, wenn sämtliche syrischen Flüchtlinge auf einmal nach Europa
kämen.
Ich habe kein Verständnis dafür, dass Menschen in diesem Land davor Angst
haben, dass 2, 3 oder 5 Millionen Flüchtlinge uns unserer Lebensgrundlage
berauben. In einem Land, das gerade Milliarden Überschüsse erwirtschaftet und
dabei von der Armut der Länder profitiert, aus denen viele Flüchtlinge zu uns
kommen.
Ich habe kein Verständnis dafür, dass besorgte Bürger Angst davor haben,
dass unsere Verfassungswerte in Gefahr geraten, wo doch die Gleichen, die das
befürchten, sofort dazu bereit sind, Artikel 1 des Grundgesetzes zu opfern,
wenn es um eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen in diesem Land geht.
Nein, ich habe keinerlei Verständnis für diese Ängste – und schon gar nicht
dafür, dass Politiker Verständnis für solche Ängste heucheln und dabei nichts
anderes tun, als diese Ängste jeden Tag aufs Neue anzufachen.
(Georg Restle, Monitor, 06.10.2015)
Ich habe kein Verständnis dafür, daß die
Bundesregierung kontinuierlich versagt und nicht endlich genug Geld in die Hand
nimmt, um die Situation zu meistern.
Die Hauptlast der Flüchtlingsintegration haben, wieder einmal, die Kommunen
zu tragen. Dazu müssen sie, ohne Rücksicht auf bundespolitische Sparziele,
zureichend gefördert werden; sonst drohen Engpässe im kommunalen Sozialbereich
und eine veritable Opferkonkurrenz zwischen inländischen Armen und
ausländischen Flüchtlingen, die das Willkommen rasch in eine Schreckstarre
verkehren könnten.
Ein Land, das für in selbstverschuldete Schräglage geratene Banken auf
Kosten der Steuerzahler in kürzester Frist dreistellige Milliardenbeträge
bereitstellen kann, muss für ohne eigenes Verschulden in Not geratene Kommunen
auch einen jedenfalls zweistelligen Milliardenbetrag aufwenden können.
[….] In dieser
Welt, in der heute fast die Hälfte des globalen Reichtums in den Händen von
weniger als einem Prozent der Weltbevölkerung liegt, in der im kapitalistischen
Süd-Nord-Transfer für jeden Dollar, der in Richtung Dritte Welt fließt, zwei
Dollar in die Gegenrichtung zurückfließen – in dieser Welt gibt es nicht eine
weltweite ›Flüchtlingskrise‹, sondern eine Weltkrise, die Fluchtbewegungen
erzeugt.
[….] In den
gleichen 25 Jahren sind auf dem Weg nach Europa und Deutschland mindestens
30.000 Flüchtlinge allein im Mittelmeer umgekommen. Vor der deutschen
Vereinigung sind Flüchtlinge an der deutsch-deutschen Grenze gestorben, heute
sterben Flüchtlinge in Massen vor den Grenzen der „Festung Europa“. [….]
(Prof. Dr. Klaus J. Bade, ehemaliger
Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und
Migration, 03.10.2015)
Wenn das totale Versagen der sächsischen Politik dazu
führt, daß sich NPD-Strukturen der Jugendlichen im Lande bemächtigen, daß
sächsische Schulkinder ganz selbstverständlich rassistischen Schwachsinn von
sich geben, dann sollen Gabriel, Oppermann und Co nicht mit „Verständnis“ reagieren,
sondern den blöden Ost-Blagen erklären, daß sie völlig falsch liegen und dann
dafür sorgen, daß endlich eine sinnigere Jugend- und Schulpolitik gemacht wird.
[….] Im
sächsischen Plauen stoßen dunkles und helles Deutschland aufeinander.
Flüchtlinge werden bedroht und verprügelt, Bürgerinitiativen versuchen
dagegenzuhalten. [….]
Elsterberg, [….] 4500
Einwohner, ein paar Geschäfte und die TRIAS-Oberschule, vor deren Eingang
gerade der kleine Bus des Fußballvereins VFC Plauen hält. Mirko Kluge, Nabil,
Aniss, Hassan, Sorur und die zweijährige Sitra steigen aus.
Die Schüler im Alter von etwa 14 Jahren haben einen Zettel mit Fragen
vorbereitet. "Warum sind Sie aus Libyen geflohen?" "Haben Sie
Ihr Geld mitgenommen?" "Wollen Sie irgendwann wieder zurück?" [….]
Wie wichtig Begegnungen sind, wird auch durch die Schilderungen einer
Lehrerin deutlich. Sie erzählt, dass ihr am Vortag eine 11-Jährige entgegnet
habe, das mit der Integration sei ja schön und gut. Aber es sei doch schade, "wenn die deutsche Rasse ausstirbt." [….]
Wir erleben hier in erster Linie ein politisches
Versagen.
Horst Seehofer würde am liebsten Zäune à la Orban errichten. Sein
Heimatminister Markus Söder möchte am Grundgesetz fingern. Selbst die
Sozialdemokraten machen jetzt mit beim sozialstaatlichen
Unterbietungswettbewerb. Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht demnächst die
„Belastungsgrenze“ erreicht. Warum eigentlich? Und wo genau liegt bitte diese
Belastungsgrenze in einem Land, in dem Bus und Bahn fahren, der Geldverkehr
reibungslos läuft und abends die Lokale voll sind mit Leuten, die ihr Dasein
genießen?
[….] Alle, die
sich jetzt mit handlichen Sprüchen bei den rechtspopulistischen Zündlern
anheischig machen, wissen genau, dass sie selbst keine andere Lösung anzubieten
haben als Angela Merkel. Nämlich einfach zu machen. Es hilft ja nichts. Was
soll mit den Flüchtlingen geschehen? Beim Einmillionenundersten tritt der
Innenminister nach vorn, zieht einen Kreidestrich und sagt: Sorry, sie sprengen
gerade unsere Belastungsgrenze, bitte kehren Sie unverzüglich in ihr ganz
persönliches Kriegsgebiet zurück?
[….] Umso
verwerflicher ist es, den Unmut jener Bürger, die sich auf mitunter absurde
Weise beeinträchtigt fühlen vom Elend anderer Leute, auf eben diese zu
kanalisieren. Ja, dieses Land erlebt gerade eine logistische Höchstanforderung.
Und nein, es ist darauf nicht gut vorbereitet (unter anderem deshalb, weil die
amtierende Regierung viel zu lange ignoriert hat, dass globale Konflikte keinen
Umweg um Deutschland einlegen). Insofern ist das, was Angela Merkel gerade tut
– nämlich das Grundgesetz einzuhalten und Abschreckungspolitik zu leisten –
weiß Gott keine Heldentat. [….]
Der Minusminister de Maizière macht seinen Job nicht.
Ist der Ruf
erst ruiniert, hetzt es sich ganz ungeniert.
Nach dem Motto rockert sich Minister de Maizière inzwischen
durch die politische Landschaft.
Daß in seiner
politischen Heimat, des failed states Sachsen die
Asylbewerberheime brennen und durch die tätige Mithilfe de Maizières Partei CDU
der Rechtextremismus immer stärker wird, scheint dem Bundesinnenminister nicht
mehr genug zu sein.
Merkel kann die Schwächen ihres treuen Ministers nicht
kompensieren, da sie leider auch unfähig ist vernünftig zu kommunizieren.
Merkel trägt dazu selbst bei, zum Beispiel weil sie sich mittlerweile einer
geradezu missionarischen Sprache bedient. Wenn sie dafür plädiert, das Problem
der Flüchtlinge "anzunehmen", dann muss das wie ein Witz klingen in
den Ohren jener Helfer, die sich seit Wochen der Probleme in Notunterkünften,
Krankenstationen oder Schulen annehmen, sei es beruflich oder freiwillig. Und
auch die Berufung auf einen Kardinal macht es nicht besser, wenn Merkel sagt,
der Herrgott habe das Problem der Flüchtlinge nun auf den Tisch gelegt, weil
sie verschweigt, dass der Herrgott dazu gezwungen war, nachdem sich die
irdische Politik nicht darum gekümmert hatte.
Immerhin eins hat Merkel inzwischen verstanden: Ihr
Innenminister kann und will nicht.
Er ist einfach zu unfähig für den Job.
So hat sie ihm – richtigerweise – heute die Kompetenz für die Flüchtlinge entzogen.
Natürlich viel zu spät – aber Merkel handelt ja immer
erst, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Natürlich viel zu zögerlich – der Mann hätte einfach
entlassen werden müssen.
Aber eine Klatsche ist es durchaus heute noch geworden
für Minusminister de Maizière.
Merkel schwächt de Maizière
[….] Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) hat deshalb nun entschieden, die Flüchtlingspolitik künftig
direkt von ihrem Amt aus steuern zu lassen. Ihr Kanzleramtschef und enger
Vertrauter Peter Altmaier (CDU) übernimmt die Koordination aller Aspekte, die
mehrere Ressorts betreffen. [….] Altmaier
wird im Kanzleramt eine zusätzliche Stabsstelle einrichten. Sein ständiger
Vertreter wird der Staatsminister im Kanzleramt, Helge Braun, dem bisher
bereits die Koordinierung zwischen Bund und Ländern obliegt. [….]