Mittwoch, 23. September 2020

Und noch einmal CDU-Sexismus in Reinkultur.

Der schreibende Nazi-Mob wettert in Blogs und sozialen Medien gegen alle, die nicht genauso denken wie sie selbst und nicht genauso aussehen wie sie selbst.

Diese Leute, die David Bergers, NeverforgetNikis, Jürgen Elsässers, Hildmans, Kubischecks, Stürzenbergers, van Laacks, Lengsfelds verfügen über einen unendlichen Vorrat von Hass und Häme.

Die Hetze sprudelt jeden Tag wieder neu aus ihnen heraus und jeder kann ein Opfer dessen werden. Insbesondere auch diejenigen, mit denen sie eben noch Seite an Seite standen.

Die Hetzte trifft aber nicht jeden gleich intensiv. Sie haben eine Handvoll „Lieblinge“, die sie über alle Maßen triggern, wenn nämlich viele verschiedene Trigger in einer Person vereint sind.

Zu dem Personen, deren Namen nur erwähnt werden muss, um diese rechtsextremen Hetzer pawlowsch zu sabbern und knurren zu bringen gehören George Soros (reich, liberal, Jude, Trump-Gegner, Philanthrop), Claudia Roth (Grün, Frau, bunte Kleidung, LGBTI-freundlich, Menschenrechtsaktivistin), Sawan Chebli (SPD, Frau, Muslima, ärmliche Herkunft, Aufsteigerin), Anetta Kahane (Jüdin, links, Aktivistin, Einsatz für Migranten) und Greta Thunberg (jung, Frau, unangepasst, Klima).

Es sind also insbesondere Frauen, auf die neben den wirklich gefährlichen oben genannten Hetzern auch die bekannten publizistischen Figuren des rechten Randes der Demokratie, also Maaßen, Tichy, Matussek, Broder, Sarrazin, losgehen wie ein Knallfrosch im Nitroglycerin-Bad.

Das lässt sich zweifellos psychologisch mit einer tief verunsicherten Männlichkeit erklären; diese alten konservativen Männer fühlen sich bedroht, wenn eine Frau sich nicht gehorsam in die zweite Reihe einordnet, womöglich aus eigener Kraft gegen Widerstände Karriere macht und auch noch selbstbewußt auftritt.

(…..)  Sawsan Chebli, 40, geboren in Berlin, ist dafür ein Paradebeispiel.

Sie ist Tochter palästinensischer Flüchtlinge, die lange Zeit in Deutschland nur geduldet wurden und sich als Staatenlose vieler Rechte beraubt durchschlugen. Erst mit 15 Jahren bekam Chebli ihren ersten Pass – und damit die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit zehn Geschwistern hauste sie in einem Moabiter Zimmer; insgesamt waren sie 12 arme, ungebildete Kinder. Erst in der Schule hörte sie das erste mal deutsch. Die Chancen standen katastrophal schlecht.

Aber sie ist schlau.

 Was dann folgte ist nicht das typische Flüchtlingsschicksal:


1999 Abitur am Lessing-Gymnasium.

2004 Abschluss an der FU Berlin als Diplom-Politologin und Expertin für internationale Beziehungen.

2010 bis 2014 war sie Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport

2014 bis 2016 stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts.

2016 ist sie Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund.

2016 Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales.

Man ahnt schon, Chebli passt nicht gut in Schubladen. Sie ist überzeugte Muslimin, aber säkular, trägt kein Kopftuch, macht Karriere als deutsche Beamtin. Sie engagiert sich in der SPD, tritt für Frauenrechte ein, hält aber ihr Privatleben radikal aus der Öffentlichkeit fern.

Im Vergleich zu vor Selbstbewußtsein platzenden Politikern des Schlages Spahn, Söder oder Altmaier ist sie scheu und unauffällig.

Aber im Gegensatz zu vielen deutschen Karrierepolitikerinnen ist sie nicht auf den Mund gefallen, vertritt ihre Meinungen auch dort wo es wehtut und inszeniert ganz gern mal ihren Erfolg.

Meiner Ansicht nach ist es das Normalste der Welt, daß eine Frau mit dem Hintergrund zwischen Zurückhaltung und Vorlautheit mäandert.

Ihre Kollegen sehen das scheinbar nicht so; sie wird leidenschaftlich gehasst dafür, daß man sie so schlecht einordnen kann.

[….] Viele ehemalige Kollegen verdrehen bei Erwähnung ihres Namens mindestens die Augen. Chebli erregt Misstrauen, Abneigung, Wut, Neid. Als sie vor eineinhalb Jahren als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement ins Berliner Rote Rathaus wechselte, gingen bei ihr Morddrohungen ein. Im Netz wurde sie als "trojanisches Pferd der Muslimbrüder" bezeichnet und als "Migranten-Aschenputtel" beschimpft. [….]

(DER SPIEGEL, 13.07.2018)

Zu allem Übel ist die zierliche Staatssekretärin auch noch attraktiv und zieht sich gern sehr schick an.

Weißhaarige Alpha-Männer mit Testosteronüberschuss verwirrt das. Sowas kennt Seehofer nicht aus Bayern. (…….)

(Gutmenschenmob, 22.10.2018)

Derzeit wird Chebli einem starken Shitstorm ausgesetzt, weil sie wieder einmal etwas tat, was „sich für eine kleine, junge Frau aus der Unterschicht nicht gehört“.

Ihr Chef, der notorisch erfolglose und Charisma-freie Berliner Bürgermeister Müller, der es vermochte nach 20 Jahren unangefochtener SPD-Herrschaft in Berlin seine Partei auf Platz vier zu drücken, hat keinen Bock mehr auf den Stress und verkündete 2021 in den Bundestag wechseln zu wollen.

Da er in seinem Heimat-Wahlkreis Berlin-Tempelhof-Schöneberg aber keine Chance gegen Kevin Kühnert hat, beschloss er kurzerhand sich in Charlottenburg-Wilmersdorf aufstellen zu lassen. Per order die mufti.

Das ist aber der Heimat-Kreisverband Cheblis; sie möchte dort selbst gern für den Bundestag kandidieren und keineswegs kampflos Müller den Platz überlassen, nur weil er weiß, älter, ein Mann und ihr Chef ist.

Sie fordert eine Kampfabstimmung der SPD-Basis um den Kandidatenplatz und wird sie auch bekommen.

Wieder ist Chebli also „die Aufmüpfige“, die nicht devot in die zweite Reihe tritt und dem Mann den Vortritt lässt.

Das braun-konservative Weltbild einiger Berliner Publizisten geriet dadurch in so schwere Schwingungen, daß folgender Satz in „Tichys Einblick“ über die Staatssekretärin geschrieben wurde:

   "Was spricht für Sawsan? Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer."

(TE, 22.09.2020)

Ab hier bekam die Geschichte einen besonderen Twist; denn ausgerechnet die CSU-Staatssekretärin im Bund Dorothee Bär las dieses Zitat und entgegnete "Das ist widerlicher Dreck! Wo steht denn so ein Müll?", offensichtlich nichtahnend, daß a) der „widerliche Dreck“ von Roland Tichy stammt und b) eben dieser Tichy auch Vorsitzender der Ludwig-Ehrhard-Stiftung ist, in der auch Bär selbst aktiv ist.

Da sich die konservative CSU-Frau nun aber öffentlich so weit aus dem Fenster gelehnt hatte, blieb ihr nur übrig konsequent zu sein: Sie verkündete ihre Mitarbeit in der LES zu beenden. 

[…..] Die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), hat ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung aus Protest gegen deren Vorsitzenden Roland Tichy beendet. "Grund für diese Entscheidung ist eine Publikation in dem Magazin Tichys Einblick, die frauenverachtende und in höchstem Ausmaß sexistische Äußerungen gegenüber meiner Kollegin Sawsan Chebli enthält", sagte Bär dem Handelsblatt. […..] "Derartige Ausfälle sind unerträglich und mit den Zielen der Stiftung absolut unvereinbar", sagte Bär, Ludwig Erhards Ansinnen wäre heute sicher nicht die Herabwürdigung von Frauen, sondern das Fördern weiblicher Karrieren. "Sofern die Stiftung einen Vorsitzenden hat, unter dessen Federführung solche Texte veröffentlicht werden, kann und will ich sie nicht weiter unterstützen. Es zeigt eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung, die ich nicht akzeptiere." […..]

(ZEIT, 23.09.20

Die 1967 gegründete erzkonservative LE-Stiftung soll gemäß Satzung „der Fortentwicklung und Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft“ dienen und verschreibt sich der Aufgabe „freiheitliche Grundsätze in Politik und Wirtschaft durch staatsbürgerliche Erziehungs- und Bildungsarbeit im In- und Ausland sowie durch wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Wirtschaft und Ordnungspolitik“ zu fördern. Ihr gehören 75 Mitglieder an.

Damit richtet sich nun aber der Fokus auf die weiteren Angehörigen der Stiftung.

 


Wie halten sie es eigentlich mit ihrem Chef und Vorsitzenden Roland Tichy, der im Namen der Stiftung gegen Klimaschutz wettert und in seinem Blatt über den „G-Punkt“ von SPD-Politikerinnen mit Migrationshintergrund orakeln lässt.

Selbstverständlich gehört auch Multifunktionär Friedrich Merz, der selbst mit multiplen Shitstorms kämpft  zur Ludwig-Erhard-Stiftung.

Es wäre eine Gelegenheit von seinen eigenen schwulenfeindlichen Sprüchen abzulenken. Aber der Mann ist nicht lernfähig.

Einer der Merzschen Helden, Donald Rumsfeld, dem damals die CDU-Größen Merkel, Schäuble, Merz und Pflüger begeistert in den Irak-Krieg folgen wollten, sagte im Jahr 2002 an die Adresse der Kriegsgegner „Wenn du in einem Loch sitzt, solltest du aufhören zu graben“.

Friedrich Merz nimmt sich den Ratschlag allerdings nicht zu Herzen und gräbt sich nach seiner schwulenfeindlichen Attacke tiefer in sein Loch der Uneinsichtigkeit.

Obwohl man ihm bundesweit erklärte, wie diskriminierend, missachtend, falsch und ungehörig seine gedankliche Verknüpfung von Homosexualität und Pädophilie ist, gibt sich der renitente Multimillionär absolut beratungsresistent und unterstreicht tags darauf noch einmal explizit diesen angeblichen Zusammenhang.

[…..] Merz sagte der “Welt” weiter: “Die Toleranzgrenze ist immer überschritten, wenn Kinder betroffen sind, und da haben wir nun genug abscheuliche Dinge gesehen in letzter Zeit.” Das werde er auch in Zukunft so sagen, “selbst wenn es offenbar dem einen oder anderen nicht gefällt”. [….]

(RND, 22.09.2020)

Das ist schon interessant; der Mann, der so gern Kanzler werden will ist nicht nur ganz offensichtlich intellektuell nicht in der Lage seinen Irrtum zu bemerken, sondern ihn verlassen auch alle politischen Instinkte. Selbst wenn er anderer Meinung ist, sollte er doch erkennen sich total verrannt zu haben, weil ihm niemand, auch nicht aus seinem engsten Umkreis beispringt. Kein CDUler will ihn noch verteidigen.

[…..] Friedrich Merz hat sich „verplappert“. Okay, das kann passieren. Zumal, wenn man zu verbaler Inkontinenz neigt, die Worte einem mitunter unkontrolliert entgleiten. Doch statt sich zu entschuldigen, behauptet er jetzt in der „Welt“, da sei etwas „bösartig konstruiert“worden. Um dann nochmals sein eigentliches Motiv zu unterstreichen: „Die Toleranzgrenze ist immer überschritten, wenn Kinder betroffen sind, und da haben wir nun genug abscheuliche Dinge gesehen in letzter Zeit.“ Was es fast noch schlimmer macht. Denn wieder konstruiert er diese merkwürdige Assoziation zwischen Homosexualität und Pädophilie. Und profiliert sich darüber hinaus als selbstloser Tugendwächter, dem es doch nur um das Wohl der Kinder geht. Damit begibt sich Merz in schlechteste Gesellschaft: Donald Trump hatte Hillary Clinton unterstellt, als Mitglied einer „Pizza-Connection“einem Pädophilenring anzugehören. […..][…..]

(H. Stutte, Mopo.de, 23.09.2020)

Von diesem Merz kann man nicht erwarten, daß er den Tichy-Affront begreift und sich aus Solidarität mit Chebli ebenfalls aus der LES zurückzieht.

Gut so; dann erkennt auch der Begriffsstutzige woran er bei Merz ist.