Dienstag, 16. Oktober 2012

Zweiter Versuch.




 I can’t wait the debates“ sagte mir ein Freund in Ohio immer, wenn wir uns gegenseitig die neuesten Schwachsinns-Kommentare Mitt Romneys zuschickten.

Der Ober-GOPer belegt offensichtlich eine Dämlichkeitskategorie mit Sarah Palin.
 Möglicherweise ist er sogar noch bekloppter. Immerhin hatten ihn die Parteigranden um John McCain im Jahr 2008 als möglichen Vizekandidaten gecheckt und sich dann lieber für Palin entschieden.

Ich war immer skeptisch bezüglich der „presidential debates.“
Zu gut erinnere ich mich an die drei Aufeinandertreffen des Intellektuellen und Außenpolitik-Experten John Kerry mit George W. Bush im Jahr 2004. Für jedermann erkennbar war Kerry der kompetentere Kandidat. Selbst die Amerikaner billigten ihm zu intelligenter und begabter als Bush zu sein.
Aber das war gar nicht entscheidend.
 Die Leute mochten Bush und für dessen Lügen interessierte sich niemand. 
Wichtiger waren die Vorbehalte gegen einen Ostküsten-Intellektuellen wie Kerry, der so viele Bücher las und fünf Sprachen sprach. So einen wollten sie nicht.
 Lieber den all-average-guy aus Texas, der nicht aus der intellektuellen Elite stammte.

Bushs PR-Mann Karl Rove war ein Meisterstück gelungen. Der Treppenwitz der Geschichte ist, daß sich die wahre Vorgeschichte der Kandidaten genau umgekehrt verhielt.
Bush stammt aus der steinreichen Ostküsten-Dynastie, studierte auf einer Elite-Uni und drückte sich vorm Wehrdienst.
Kerry war der aus kleinen Verhältnissen, der sich seine Studiengebühren selbst verdienen mußte und dann wie jeder andere seiner Generation in Vietnam kämpfte.

GWB bekam den richtigen Spin mit und daher zählten die inhaltlichen Aspekte der Rededuelle nicht.



Es kommt bei Debatten darauf an den richtigen Ton zu treffen.
 Fakten sind da eher störend.
Die Linguistin-Professorin Elisabeth Wehling an der University of California, Berkeley, diagnostiziert die Republikaner hätten die Hoheit über die Sprache erlangt. Republikaner setzen auf Werte, Demokraten auf Fakten - und dennoch dominieren die Konservativen den öffentlichen Diskurs.

SZ.de: Frau Wehling, US-Präsident Barack Obama hat das erste TV-Duell gegen Mitt Romney verloren. Was hat er falsch gemacht?

Elisabeth Wehling: Im Gegensatz zu Romney hat Obama seinen Positionen keine moralischen Prämissen vorangestellt. Sein Herausforderer hat viel deutlicher gemacht, welche Vorstellung er von der Gesellschaft hat und dass er etwa Steuern als Last für das Individuum empfindet. Obama ist auf einzelne Programme eingegangen, ohne sie in größere Denkstrukturen einzubinden. Damit hat er die Zuschauer verloren.

SZ: Sie sind Linguistin und haben in Ihrem Little Blue Book die Sprache von Demokraten und Republikanern analysieren. Worin liegen die Unterschiede und wer ist erfolgreicher?

Elisabeth Wehling: Die Konservativen sind geschickter. Verkürzt ließe sich sagen: Republikaner setzen auf Werte, Demokraten auf Fakten. Die Konservativen haben schon vor mehreren Jahrzehnten begonnen, ihr Gedankengut und ihre moralischen Vorstellungen über die richtigen Worte zu transportieren. Sie schaffen es, die passenden Begriffe für wichtige Themen zu entwickeln und dann dafür zu sorgen, dass diese in der Partei und von Sympathisanten genutzt werden.
[…]  Die politische Kommunikation sollte immer an die Moral appellieren, denn politische Gruppen denken wegen ihrer Wertehaltung unterschiedlich über gesellschaftliche Dinge. Ein Politiker muss mit seiner Weltsicht erklären können, wieso bestimmte Fakten ihn zum Handeln zwingen. Die US-Konservativen reden ständig von "tax relief", also von Steuererleichterung. Der Denkrahmen liefert automatisch eine Interpretation von Steuern mit: Sie sind etwas Schädliches, von dem man befreit werden kann. Wenn Romney von tax relief spricht, redet er nicht nur über Fakten wie Steuersätze, sondern transportiert eine moralische Ansicht. Wenn Obama das Wort benutzt, liefert er diese Prämisse der Konservativen mit - egal mit welchen Fakten er gegen diese Weltsicht argumentiert.   […]

SZ: Lässt sich mit der Moral erklären, weshalb Romneys Bemerkung, 47 Prozent der Amerikaner würden sich als Opfer sehen, kaum Änderung in den Umfragen gebracht hat?

Elisabeth Wehling: Als das Video veröffentlicht wurde, hat es auch in den US-Medien einen kurzen Aufschrei der Empörung gegeben. Ich habe es stets für eine Fehleinschätzung gehalten, als Experten sagten, nun hätten die Demokraten den Wahlsieg in der Tasche. In der Politik funktioniert eines besonders gut und das ist Authentizität. Wenn jemand als Volksvertreter antritt und besonders authentisch wirkt, dann kann der Wähler davon ausgehen, dass die Werte, über die er spricht, auch sein Handeln prägen werden. Romney, der als Flip-flopper gilt, hat sich also einen großen Authentizitätsbonus erkauft, denn die Programme, die er vorschlägt, sind nicht weit entfernt von dem, was er hinter verschlossenen Türen gesagt hat.

Die Crux bei den „debates“ ist, daß man sie nicht gewinnen kann. 
Man kann sie aber verlieren und dies gilt in besonderer Weise für den Amtsinhaber, der sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale wirft.
Genau das passierte Obama am Tag der deutschen Einheit. Zu lahm, zu zurückhaltend.
Der Mann war sich offenbar zu sicher den Planschkopp Romney nach Belieben dominieren zu können, hatte es nicht nötig sich ausführlich genug vorzubereiten und wollte keinesfalls als Besserwisser oder „angry black man“ dastehen.
Obama leidet an Gefallsucht und möchte von allen geliebt werden. 
Als Präsident auch mal harte Entscheidungen zu treffen, den politischen Gegner auszumanövrieren um der Sache Willen; das liegt ihm eher nicht.
Zugegebenerweise landete der Mega-Lügner Paul Ryan auch diesen einen Treffer in der VP-Debatte als es darum ging, wessen Wirtschaftskonzepte wirkten.
Obama sei doch schließlich 2008 mit einem Einparteien-Kongress Präsident geworden; wieso habe er dann da nichts umgesetzt, wenn er doch angeblich wüßte welche Methoden die Wirtschaft ankurbelten?
Das ist stark simplifiziert, aber nicht falsch.
Linke, die 2007 und 2008 so viel in Obama hinein projiziert hatten, sind alle stinksauer, respektive bitter enttäuscht.
Guantanamo existiert immer noch und er brauchte quälende dreieinhalb Jahre, um die lächerliche DADT-Regelung abzuschaffen.
Zu den bitter Enttäuschten gehört auch der einst mit 24 Jahren zum jüngsten Harvardlehrer ernannte Professor Roberto Mangabeira Unger, 65, der Obamas Lehrer in Rechtsphilosophie war.
» Obama hat nie wirklich gekämpft, das ist unverzeihlich. 
Diese Distanz, die Sehnsucht nach Zustimmung, 
das sind allzu gewöhnliche Charaktereigenschaften«
(Prof Unger)

Im Gespräch mit Martin Klingst von der ZEIT zieht der amerikanisierte Deutsch-Brasilianer so richtig vom Leder.

DIE ZEIT: Professor Unger, Sie sind Vordenker der amerikanischen Linken. Vor rund zwanzig Jahren haben Sie den Jurastudenten Barack Obama unterrichtet und vor vier Jahren emphatisch seine Präsidentschaftskandidatur unterstützt. Jetzt fordern Sie ebenso energisch seine Abwahl. Warum brechen Sie mit Ihrem Schüler?
Roberto Unger: Nicht mit meinem Schüler, sondern mit dem Präsidenten. Ich bin tief enttäuscht. Der Kandidat Obama versprach, ein progressiver Präsident zu werden. Er verhieß eine solidarische Gesellschaft. Noch immer habe ich sein Versprechen einer grundlegenden Transformation Amerikas im Ohr. Aber statt den strukturellen Wandel voranzutreiben, holte er Wirtschaftsberater in seine Regierung, die vorher an der Wall Street gearbeitet haben, Banker und Finanzjongleure von Citigroup und Goldman Sachs, die zwischen 2007 und 2009 die Katastrophe selber mit heraufbeschworen haben. Statt die Krise an der Wurzel zu packen, hat Obama lediglich Pflaster auf die Wunden gelegt und die Schmerzen mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm und mit Lebensmittelgutscheinen zu lindern versucht. Er ist nur ein Pseudo-Progressiver. Ich habe kein Vertrauen, dass seine zweite Amtszeit besser werden würde. Ich glaube, nur eine Niederlage bringt die Demokratische Partei wieder zur Besinnung und Progressive in die Führung.
(Zeit 11.10.12)

Das ist das alte Dilemma. 
Man möchte schon Obama auf die Finger klopfen und ihm zurufen „mit der Performance verdienst Du keine zweite Amtszeit.“
Aber die Freiheit hat man nicht angesichts der Alternative, welche Teebeutlern und Kriegstreibern den Koffer mit den „nuclear codes“ überließe.
Die Folgen könnten aber auch wirtschaftlich und sozial katastrophal sein.
 Ganz abgesehen davon, daß die paar Fortschrittchen bei den Bürgerrechten (DADT zum Beispiel) wieder zurück gedreht würden, die beiden bis 2016 erwartungsgemäß freiwerdenden Richterstellen am Supreme Court durch konservative hardliner ersetzt würden und damit ein völlig anderes Amerika entstünde.

Da kann sich Unger, der selbst unter Präsident Lula da Silva zwei Jahre lang Minister für Strategische Angelegenheiten war noch so sehr über die Laschheit von Obama aufregen.
Die Alternative ist so gruselig, daß man den amtierenden Präsidenten unbedingt einen Sieg wünschen muß.

Unger: […]  Obama aber hat die Macht zu verändern. Außerdem: Ein Progressiver weiß, wann er den Konsens suchen und wann er der Sache wegen spalten muss. Doch Obama hat nie wirklich gekämpft, das ist unverzeihlich. Diese unpersönliche Freundlichkeit, diese Distanz, die Sehnsucht nach Zustimmung – das sind allzu gewöhnliche Charaktereigenschaften von Politikern. Obamas großes Vorbild, Präsident Franklin Delano Roosevelt, der in den dreißiger Jahren während einer noch weit schlimmeren Wirtschaftskatastrophe regierte, stellte die mächtigen Kapitalinteressen an den Pranger und rief seinen Widersachern entgegen: Ich heiße euren Hass willkommen!
(Zeit 11.10.12)

Heute Abend hat der Demokrat seine vorletzte Chance den Mormonen abzuwehren, wenn Candy Crowley (eine der besseren CNN-Moderatorinnen) ihnen auf den Zahn fühlt.

Obama muß gut sein, denn die Republikaner sind bekanntermaßen schwere Lügner und nutzen jeden dreckigen Trick. 
Selbst wenn Obama bei den Wahlen mehr Stimmen erhalten sollte als Romney, muß er damit dennoch nicht unbedingt wiedergewählt werden. 
Wir erinnern uns an 2000, als Al Gore trotz seiner 600.000-Stimmen-Mehrheit GWB unterlag.
Und dann sind da die Wahlmanipulationen.

Will Ohio's H.I.G.-Owned E-Voting Machines Give Romney the White House?
Electronic voting machines owned by Mitt Romney's business buddies and set to count the votes in Cincinnati could decide the 2012 election. [....]
[Kelly] O'Donnell [von NBC] pointed out that no candidate has won the White House without carrying Ohio since John Kennedy did it in 1960.  No Republican has EVER won the White House without Ohio's electoral votes.
As we document in the e-book WILL THE GOP STEAL AMERICA'S 2012 ELECTION  George W. Bush got a second term in 2004 thanks to the manipulation of the electronic vote count by Ohio's then-Secretary of State J. Kenneth Blackwell.  Blackwell served as the co-chair of the state's committee to re-elect Bush/Cheney while simultaneously administering the election. 
The widespread use of electronic voting machines from ES&S, and of Diebold software maintained by Triad, allowed Blackwell to electronically flip a 4% Kerry lead to a 2% Bush victory in the dead of election night.  ES&S, Diebold and Triad were all owned or operated by Republican partisans.  The shift of more than 300,000 votes after 12:20 am election night was a virtual statistical impossibility.  It was engineered by Michael Connell, an IT specialist long affiliated with the Bush Family.  [….]   Hart Intercivic, on whose machines the key votes will be cast in Hamilton County, which includes Cincinnati, was taken over last year by H.I.G. Capital.  Prominent partners and directors on the H.I.G. board hail from Bain Company or Bain Capital, both connected to Mitt Romney.  H.I.G. employees have contributed at least $338,000 to Romney's campaign.  H.I.G. Directors John P. Bolduk and Douglas Berman are major Romney fundraisers, as is former Bain and H.I.G. manager Brian Shortsleeve.

Darüber hinaus lassen es die Republikaner jetzt ordentlich menscheln, indem herzerwärmende Taten Romneys aus seiner Zeit als Mormonischer Bischof verbreitet werden.

Ach ja, und eine gute Graphik, die endlich erklärt, wie Mitt Romney Steuersenkungen für 5 Billionen Dollar finanzieren will, ohne das Staatsdefizit zu erhöhen, gibt es endlich im Netz.

03.00 Uhr HEUTE NACHT geht’s los mit TV-Duell Nr. 2.

CNN.