Dienstag, 6. November 2018

Pfeifende Hunde


Es gibt diese CNN-Worte, die man seit Trump erstaunlich oft hört:  „unprecedented“, „unpresidential“ und „flabbergasting“, „salacious“, bzw „salacious indictment“, oder auch „raid“.
Sehr oft geht es auch um die Frage was „racism“ ist, weil Trumps erbärmliche Epigonen immer noch vor Empörung bebend bestreiten, ihr Idol wäre Rassist.
Das in diesem Zusammenhang vergesellschaftete Wort lautet „dog-whistle politics“.

Hundepfeifen-Politik bedeutet in Amerika, mit Codewörtern oder bestimmten Formulierungen, die zunächst einmal unverdächtig wirken, auf verstecktem Weg ganz besondere Zielgruppen anzusprechen.
Einiges ist offensichtlich.
Lobt man die amerikanische Verfassung und die Verfassungszusätze – also eigentlich eine Selbstverständlichkeit für alle amerikanischen Politiker – hören Waffennarren, das Second Amendment werde nicht angetastet – also keinerlei Einschränkungen beim Waffenbesitz.
Lobt man konföderierte Kriegshelden oder zeigt die Konföderiertenflagge, ist das nicht unbedingt einfach nur eine Verbeugung vor den südlichen Bundesstaaten der USA, sondern wird von weißen Rassisten als Chiffre für Rassentrennung und die Minderwertigkeit von Schwarzen verstanden.
Überdeutliches Betonen von Familien – wogegen auch prinzipiell niemand etwas sagen kann, verstehen Evangelikale als homophobes Statement, weil sie ausdrücklich Schwule und Lesben nicht als Familien akzeptieren.
Wünscht man nicht einfach „Merry Christmas“, sondern stellt das als Tabubruch oder mutige Tat dar, wissen christliche Fanatiker, daß der Redner sich gegen Atheisten und Muslime wendet. Diese führen nämlich in ihrer verqueren Sicht einen „war on christmas“.

Dog-Whisle bleibt stets vage, so daß man später auf der großen nationalen Bühne glaubhaft versichern kann, man habe keineswegs Rassismus unterstützen wollen, während die angesprochenen Rassisten aber klar verstanden hatten, daß genau das geschehen war.

Dog-whisteling gehört zu Trump wie seine oranges Spray-Tanning. Er triggert mit perfiden Formulierungen permanent das Schlechteste in schlechten Menschen.

Sein Rassismus ist allerdings so weit fortgeschritten, daß er keine Metaphern oder verklausulierte Formulierungen mehr benötigt.
Dafür kann man ihm fast dankbar sein. Er ist eben nicht nur ein mieser Charakter, sondern auch gleichzeitig zu dumm, das einigermaßen gut zu kaschieren.
Und so deutet er nicht nur an, was er von Schwarzen oder Latinos hält, sondern redet von „Shithole-Countries“ (im Gegensatz zu Norwegen), beschreibt Lateinamerikaner als Vergewaltiger.

Trumps Antisemitismus ist noch ein Stück perfider. Er überbetont seine Verbundenheit zu Israel (weil er weiß wie sehr er Muslime damit ärgert) und wirft bei jeder Gelegenheit das Argument in die Waagschale, sein Schwiegersohn Jared wäre schließlich Jude – genau wie seine Tochter und die Enkel.
Also könne er kein Antisemit sein.
Dabei war der Anschlag auf die Lebensbaum-Synagoge des Quartiers Squirrel Hill, als ein 46-jähriger Weißer  «Alle Juden müssen sterben» schrie und elf Menschen ermordete nur die Spitze des Eisbergs.

[….] Für das Jahr 2017 verzeichnete die Anti-Defamation League 1986 antisemitische Vorfälle in den USA, 57 Prozent mehr als im Vorjahr. Hakenkreuze werden auf Mauern gesprüht und in Notizbücher von Studenten gekritzelt. Mit erschreckender Regelmässigkeit wüten Vandalen auf jüdischen Friedhöfen. Vor einer Woche entdeckte der Friedhofswart in Orange, Texas, umgestürzte Grabsteine und abgebrochene Blumenvasen. Obwohl sie bloss zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, sehen sich Juden in den USA öfter von Hassern angegriffen als jede andere religiöse Minderheit.


Die Urheber der antisemitischen Vorfälle werden zumeist in rechtsradikalen Kreisen vermutet, unter Hetzgruppen, Neonazis, weissen Nationalisten, Skinheads. «Sie sind alle Antisemiten – dies bindet sie zusammen», erklärt Heidi Beirich vom Southern Poverty Law Center. Die Direktorin der auf Hass-Gruppen spezialisierten Organisation sagt: «Sie alle glauben, dass Juden hinter dem Negativen im Land die Fäden ziehen.»
Verschwörungstheorien wittern Morgenluft unter Trump, der seine politische Karriere mit «Birtherism» begann. Der heutige Präsident war einst der lautstärkste Promoter der Theorie, dass Barack Obama statt auf Hawaii in Afrika geboren wurde und seine Geburtsurkunde eine Fälschung sei. Noch vergangenen Monat behauptete er ohne Faktengrundlage, dass die mittelamerikanischen Migranten in den sogenannten Karawanen vom jüdischen Milliardär George Soros finanziert seien.
Donald Trump befördert Hetzer auch, weil ihn die Rassisten unter seinen Fans nicht bekümmern. Trump glaube, dass er sie alle für seinen Erfolg brauche, schreibt der Journalist Jonah Goldberg. [….]

Während Trump mit seiner Ivanka und seinem Kippa-tragenden Jared kondoliert, hetzt er aber gegen Juden wie gegen alle Feindbilder der White Supremacists. Als diese „JEWS WILL NOT REPLACE US“-skandierend durch Charlottesville zogen, erklärte er darunter wären „very fine people“.
Selbst für Trump-Verhältnisse ist das hinterrücks Anstacheln des Judenhasses ein besonders mieser Zug.


 [….]  Bereits als Kandidat bediente Donald Trump antisemitische Klischees und Verschwörungstheorien. In den USA spricht man hier von "Hundepfeifen-Politik", deren Botschaften nur von denjenigen gehört werden sollen, die dafür empfänglich sind - allen anderen gegenüber kann man den antisemitischen Unterton leugnen. So verbreitete Trump im Wahlkampf ein Bild von Hillary Clinton, das sie - mit einem Davidstern versehen - als "korrupteste Kandidatin aller Zeiten" bezeichnete. In seinem letzten Wahlkampfspot versprach er der Bevölkerung Schutz vor der Ausbeutung durch eine globale Elite, die an den "Hebeln der Macht" sitze. Im Hintergrund wurden die Gesichter des Philanthropen George Soros, der damaligen Präsidentin der US-Zentralbank, Janet Yellen, und von Lloyd Blankfein eingeblendet, des Vorstandschefs von Goldman Sachs. Alle drei sind jüdisch.
Dabei wäre es ein Fehler davon auszugehen, dass Trump auf diese Weise vor allem ultrarechte Splittergruppen wie die Alt-Right-Bewegung oder Fanatiker wie Bowers erreichen will. Es geht um ein viel größeres Reservoir an Wählerstimmen: Experten schätzen, dass etwa elf Millionen weiße Amerikaner zumindest teilweise durch rassistische Botschaften oder die Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien mobilisiert werden können. Auf diese Stimmen latent oder offen fremdenfeindlicher Wähler will man im Trump-Lager angesichts extrem knapper Stimmenverhältnisse nicht verzichten. Dabei nimmt Trump offenbar in Kauf, radikale Rassisten und Antisemiten zu stärken. Besonders virulent ist in diesen Kreisen die Verschwörungstheorie des "White Genocide". Diese besagt, "die Juden" würden durch einen gezielten Bevölkerungsaustausch weiße Amerikaner durch nicht-weiße Einwanderer ersetzen wollen. Darum skandierten die Teilnehmer der rechtsextremen Demonstration in Charlottesville im August 2017, bei der eine Gegendemonstrantin zu Tode kam, "Jews will not replace us". [….]