Freitag, 26. November 2021

Weniger überraschend geht es nicht.

Das größte Ärgernis der Corona-Pandemie ist nach der ersten großen Verunsicherung des Frühjahrs 2020, daß wir nun so viel über das Virus, die Infektionswege und die Verhinderung der Ausbreitung wissen. Und uns dennoch so dämlich verhalten.

Am Anfang musste man so viel lernen.

Was ist ein Lockdown, welche Geschäfte sind offen, welche nicht, wen schützen welche Masken, wie desinfiziert man Masken, wie lange wäscht man sich die Hände, um Sars-CoV-2 loszuwerden, woher bekommt man Desinfektionsmittel, welche Impfstoffe werden entwickelt, wie viele Piekse braucht es, wo und wie lässt man sich impfen, wie lange hält der Schutz, wie funktionieren die Coronatests, wie macht man einen Selbsttest, was ist der Unterschied von AG-Test und PCR-Test, was bedeutet R-Wert, was ist eine Inzidenz, Herdenimmunität, schwedischer Sonderweg, Alpha-, Beta-, Delta, Omicron, Spike-Protein, Ny-Variante, Viruslast, Hospitalisierungsquote, flatten the curve, Triage, No Covid, Long Covid, wer sind Kekulé, Streek, Drosten, Lauterbach, Schmidt-Chanasit, Brinkmann, was bedeutet Kontaktverfolgung, wie bekomme ich die Corona-App, wozu taugt Luca, was bedeuten 2G, 3G und 2G+, was ist PEI, was ist RKI und was ist STIKO, was können FFP2-Masken, das medizinische Masken nicht leisten, wer bekommt staatliche Corona-Hilfen?

Es mussten viele Informationen in die Hirne von 82 Millionen Bundesbürgern.

Manchmal staune ich immer noch, wenn ich mitten in einem großen Supermarkt stehe, um mich gucke und wirklich jeder einzelne Kunde eine FFP-Maske trägt. Könnte man sein Ich aus dem Jahr 2019 in den November 2021 beamen, würde es sich sehr wundern. Die Abstandsmarkierungen auf dem Boden, die Plexiglasverkleidungen um Kassierer und Verkäufer, die allgegenwärtigen Desinfektionsspender.

Wenn aber schon das gemeine Volk, das wirklich nicht besonders schlau ist, BILD-Zeitung liest, sich in Querfront-Blasen herumtreibt und doofe Parteien wählt, all diese epidemiologisch relevanten Begriffe und Verhaltensweisen kennt, wie kann es dann sein, daß die zuständigen Fachleute in den Bundesbehörden weiterhin so auf dem Schlauch stehen und immer wieder unvorbereitet tumb-tapsig in neue Wellen stolpern?
Wieso gestaltet sich das Großversagen des Bundesgesundheitsministers und der Bundesregierung immer als Déjà Vu? Wieso kommen wir einfach nicht weiter?

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim kann ich wie immer nur loben und wärmstens weiterempfehlen, aber es wird nicht ihr letztes Corona-Video sein, weil Delta eben nicht die letzte Variante ist.

Etwas, das auch seit einem Jahr gebetmühlenhaft wiederholt wird, ohne irgendeine Wirkung bei den politisch Verantwortlichen zu zeigen, ist der Spruch ‚statt 3. Impfung für die 1. Welt, sollte man die 1. Impfung für die 3. Welt in Angriff nehmen‘.

Idealerweise können wir gleichzeitig gehen und Kaugummi kauen, wie der Amerikaner sagt. Also in Deutschland die Impflücke schließen, eifrig boostern und gleichzeitig genügend Vakzine nach Afrika schicken. Daran hapert es aber.

In vielen Afrikanischen Ländern wurde so gut wie noch gar nicht geimpft.


Also passiert dort das, was ebenfalls alle Virologen voraussagten: In der weitgehend ungeimpften Bevölkerung kann sich Sars-CoV2 ungehindert ausbreiten und neue Mutationen hervorbringen.

So geschah es just in Südafrika mit der neuen, noch gefährlicheren und noch ansteckenderen Omicron-Variante B.1.1.529.

Neue Variante B11529 scheint zum ersten mal echte massive Durchbruchsvariante zu sein. Die vielen Mutationen sprechen für Entstehung in HIV Patienten. Was tun: Grenzen SA dicht. PCR Suche nach N11529. Boostern so schnell wie möglich. Durchbruch gegen Booster unwahrscheinlich.

(Karl Lauterbach, 26.11.2021)

Wieso ist neue Variante B11529 so gefährlich? Wie kommt man darauf? Weil sie fast alle Mutationen von Alpha, Beta, Gamma und Delta zusammen hat. In 2 Wochen kennt man Wirkung Impfung. Wenn Impfung angepasst werden muss käme neuer Impfstoff in 3 Mon. Booster wirken wahrscheinlich.

(Karl Lauterbach, 26.11.2021)

Das musste so kommen, weil wir Erste-Welt-Egoisten vergessen haben, daß es eine Globalisierung gibt, wir uns nicht virologisch gegen den Rest der Welt abschotten können und den teuren Impfstoff weitgehend für uns selbst reservieren.

Das gehört alles in die Schublade „sehenden Auges hineingerannt“.

[……] Die Corona-Neuinfektionen steigen und steigen, das Schlimmste, das lässt sich nüchtern in Zahlen beschreiben: Über alle Altersgruppen hinweg beträgt die sogenannte Fallsterblichkeit von Sars-CoV-2 deutschlandweit derzeit etwa 0,8 Prozent. Von den 76 000 Menschen, die am Freitag mit einer Infektion in die Meldedaten eingingen, werden in wenigen Wochen etwa 600 nicht mehr am Leben sein.  Man habe schlicht das Schlimmste nicht sehen wollen, sagte zerknirscht der künftige Vizekanzler Robert Habeck im TV-Talk von Maybrit Illner - wobei kaum zu übersehen ist, wie Deutschland in die Katastrophe rast. Hunderte Menschen sterben jeden Tag an dem Virus, die Intensivmedizin brennt, Schlimmes, das man nicht sehen will, passiert längst vor unseren Augen. Statt wenigstens jetzt zu reagieren, zanken sich ehemalige und zukünftige Koalitionäre vor Fernsehkameras, wer genau denn schuld ist an dem Schlamassel und was nun alles kommen könnte, als gehe es um die drohende Pleite einer Gummibärchenfabrik. Beispiel Impfpflicht. Joa, hätte man vielleicht schon längst machen können, kann man vielleicht auch immer noch, bringe aber wenig, um das Virus sofort zu bremsen, heißt es hier und da in Berlin. Das stimmt sogar, nur: Heute nichts tun zu wollen, weil es ja erst morgen etwas hilft, das hat schon während der zweiten und der dritten Welle dazu geführt, dass Maßnahmen viel zu spät kamen. Sehr viele Menschen haben diese Schauen-wir-mal-Rhetorik mit dem Leben bezahlt. [……] Dabei predigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - von der WHO in Genf bis zum Virologie-Institut der Berliner Charité - seit Monaten: Den Kampf gegen das Virus gewinnt die Welt nur, wenn sie schnell, global und entschlossen reagiert, jeder Tag zählt. [……] Wer Impfpflicht und Lockdown ausschließt, wird am Ende die Triage hinnehmen müssen. [….]

(Felix Hütten, SZ, 27.11.2021)