Dienstag, 24. November 2020

Trump, der Einzige

Der Amtsbonus eines US-Präsidenten fällt größer als in homogeneren Nationen aus, die beispielsweise wie in England oder Holland neben der demokratisch gewählten Regierung noch ein identitätsstiftendes Königshaus mit ewiger Tradition aufweisen.

Die US-Präsidentenfamilie erfüllt auch phantom-monarchische Funktionen.

Kein Mensch weiß welches Auto die Bundeskanzlerin fährt oder wie die Kennung des Regierungs-Flugzeugs von Boris Johnson lautet, wo der italienische Regierungschef Giuseppe Conte wohnt oder wie das Büro des japanischen Premierministers Yoshihide Suga aussieht.

In Amerika sind das alles symbolisch hoch aufgeladene ikonische Gefährte/Orte.

Die Air Force One, das Oval Office, The Beast und das Weiße Haus hingegen sind weltbekannt, wurden allesamt schon vielfach in TV-Serien und Hollywoodfilmen portraitiert.

Wer vier Jahre lang mit diesen Symbolen glänzt, hinter dem Rednerpult mit dem riesigen US-Präsidentenemblem steht, die militärische Jacke des „Commander in Chief“ trägt, wirkt so präsidial, daß er auch wiedergewählt wird.

Meistens.

Nach vier Jahren abgewählt wurden in den letzten einhundert Jahren nur Herbert Hoover (1932), Jimmy Carter (1980), George H. W. Bush (1992) und nun IQ45.

Trump ist zudem der einzige aller bisherigen 46 (inklusive Joe Biden) US-Präsidenten seit George Washington 1789, der das Kunststück vollbrachte gleich bei zwei Präsidentschaftswahl haushoch in absoluten Stimmen zu verlieren.

Am 08.11.2016 unterlag er Hillary Clinton mit 62.984.828 Stimmen (46,09%) zu 65.853.514 Stimmen (48,18%).

Am 03.11.2020 lag Trump nach gegenwärtigem Auszählungsstand mit 73,8 Millionen Stimmen (47,1%) sogar mehr als sechs Millionen Stimmen hinter Biden, der über 80 Millionen Stimmen (51%) holte.

Um seine präsidentielle „Arbeitsleistung“ dieser historisch einmalig desaströsen Statistik anzupassen, enden Trumps vier Jahre auch noch als eindeutig faulster US-Präsident aller Zeiten.

Er lässt sich nicht briefen, geht zu keinen Hintergrundgesprächen, hält keine Pressekonferenzen, erscheint kaum im Oval Office, schwänzt internationale Treffen und verschwendet fast die ganze Zeit Fast Food-fressend vor dem Fernseher oder geht Golf spielen.

Man muss es auf eine groteske Art bewundern, wie es der orange Clown vermochte trotz dieser minimalen Arbeitszeit eine gesamte Partei zu einer fanatisch antidemokratischen Sekte umzufunktionieren und derartig viel Schaden anzurichten.

In den ersten neun Monaten seiner Amtszeit arbeitete auch G.W. Bush kaum, verbrachte viel Zeit in Ruhe entspannend auf seiner texanischen Ranch, verließ das Büro im Washington immer schon um 17.00 Uhr – wenn er da war.

Aber in der Zeit passierten auch keine Katastrophen; man philosophierte schon darüber sich einen Idioten als Präsidenten leisten zu können, weil „das System“ auch allein arbeite.

Erst als GWB nach dem 11.09.2001 seine Bestimmung fand und sich voll in seinen Job als US-Präsident schmiss gelang es ihm katastrophalen Schaden anzurichten, Illegale Angriffskriege mit hunderttausenden Toten anzuzetteln, die halbe Welt gegen die USA aufzubringen, das Staatsdefizit zu vervielfachen und die größte Weltfinanzkrise seit 1929 auszulösen. Dafür zeigte Bush acht Jahre lang viel Einsatz.

Trump ist da wesentlich effektiver und vermochte in der halben Zeit mit einem Bruchteil des Arbeitseinsatzes GWB a posteriori wie ein Genie aussehen zu lassen.

Kein seriöser Beobachter hegt irgendwelche Zweifel daran, daß Donald Trump eindeutig der schlechteste und auch gefährlichste US-Präsident aller Zeiten ist.

[…..] Niemand hat erwartet, dass Trump sich als anständiger, als würdiger Verlierer präsentieren würde. Das liegt nicht nur daran, dass ihm wenig ferner liegt als Anstand und Würde, es liegt vor allem daran, dass es in seinem beschädigten Weltbild nicht vorgesehen ist, dass er, Trump, verliert. Sein Gezeter war insofern vorhersehbar. Allerdings hat vermutlich kaum jemand erwartet, dass Trump sich als derart schlechter Verlierer erweisen würde. Dass er bereit ist, im Zuge seines Abgangs die Grundfesten der amerikanischen Demokratie zu erschüttern, indem er den Mythos erschafft, die Wahl sei verschoben worden und Joe Biden ein illegitimer Präsident. […..] Trump [ist] dabei […..], die Legende zu erschaffen, er müsse das Weiße Haus verlassen, obwohl er die Wahl nicht verloren habe; er sei, wenn man so will, im Felde unbesiegt geblieben. Was das für Folgen haben könnte, mag man sich kaum ausmalen. Mehr als die Hälfte der Republikaner glaubt Umfragen zufolge, dass Trump die Wahl gestohlen wurde, und bei der anderen Hälfte gibt es zumindest Zweifel an der Legitimität der Abstimmung. Damit ist die Basis gelegt zur Unterhöhlung der Demokratie. […..]. Selten in ihrer Geschichte waren die USA ein derart zerbrechliches Gebilde, und der Präsident schlägt auf mögliche Bruchstellen ein. Zu seinem Abschied präsentiert sich Trump noch einmal als Kraft der Zersetzung. In seinen letzten Tagen im Amt untermauert er, dass er nicht nur der schlechteste Präsident der Geschichte der USA war, sondern auch der gefährlichste. […..]

(Christian Zaschke, 24.11.20)

Seine winzige Aufmerksamkeitsspanne, die sagenhafte Borniertheit und ostentative Faulheit kompensiert der Psychopath Trump mit seiner Bösartigkeit.

Im vollen Nero-Modus trachtet er nun nach Rache und fügt der eigenen Nation so viel Schaden zu wie nur irgend möglich.

Der USA soll es so schlecht gehen, daß die nachfolgende Administration daran scheitern muss das Trump-Desaster aufzuräumen.

Dies ist eine der wenigen Fähigkeiten, die der grotesk geschminkte Rassist zweifellos beherrscht: Totale Destruktivität.

Im großen Stil gibt es Naturschutzgebiete für Ölbohrungen frei, lässt jegliche Anti-Corona-Maßnahmen einfrieren, soziale Ausgaben stoppen, damit die US-Wirtschaft maximalen Schaden nimmt. Und er hat noch zwei Monate für Last-Minute-Beschlüsse, präsidentielle Anordnungen, militärische Abenteuer und außenpolitisches Chaotentum. Kreditgarantien in Höhe von fast 500 Milliarden Dollar ließ Trump seinen Finanzminister Mnuchin stoppen, um möglichst vielen Familien und Firmen während des zweiten großen Lockdowns; diesmal auch noch im Winter den Rest zu geben

[…..] Trumps zynisches Endspiel

Donald Trump […..] versucht […..]  in seinen letzten Amtswochen noch, Biden […..]  zu sabotieren – mit schlimmen Folgen für viele Amerikaner.

[…..] In seinen letzten Amtswochen setzt Trump alle Hebel in Bewegung, um Biden durch Last-minute-Beschlüsse politisch zu knebeln und, schlimmer noch, überall verbrannte Erde zu hinterlassen. Seine To-do-Liste – legal, aber folgenschwer und beispiellos zynisch – reicht von der Sabotage eines baldigen Konjunkturaufschwungs, den Biden braucht, über die Drosselung der Umweltauflagen bis hin zu außenpolitischen Winkelzügen. […..]

Die New York University protokolliert mit ihrem »Midnight Watch Project« fast drei Dutzend Anti-Öko-Maßnahmen auf den letzten Drücker. […..] Der US-Senat findet seit Wochen keine Zeit, über neue Corona-Hilfen zu beraten. Doch die letzten noch vakanten Richterposten können Trumps Republikaner nicht schnell genug besetzen. Hier galt früher eine Karenzfrist nach einer verlorenen Wahl, die Trump nun bricht: Allein seit Anfang November bestätigte der Senat sechs konservative Bezirksrichter auf Lebenszeit, darunter einen 33-jährigen Rechtsanwalt, den die Berufskammer ABA als »nicht qualifiziert« bezeichnet hat.   Ein weiterer Tabubruch: Entgegen dem landesweiten Trend hat Trump den Vollzug von Exekutionen auf Bundesebene beschleunigt. Orlando Hall, der vorige Woche hingerichtet wurde, war der erste Delinquent seit 1889, dessen Tod in die »Lame Duck«-Phase des Machtwechsels nach der Wahl fiel. Vor Trumps Abgang sollen nun noch fünf weitere Häftlinge hingerichtet werden, die letzten zwei in der Woche unmittelbar vor Bidens Antritt. Der Schwarze Dustin Higgs soll am 15. Januar sterben – dem Geburtstag der Bürgerrechtsikone Martin Luther King. […..]

(Marc Pitzke, 24.11.20)