So ein Zufall; daß in muslimischen Ländern so viele
muslimische Kinder geboren werden und daß evangelikale Christen weitüberwiegend
christliche Babys gebären.
Offensichtlich ist Religion gar keine
Glaubensangelegenheit, sondern einer Frage der Kultur, in die man hinein
geboren wird.
Daher ist es wahrscheinlich, daß ein
japanisches Kind rohen Fisch lieber mag als blauschimmeligen Käse, während es
bei Franzosen umgekehrt ist.
Wenn ein Junge, wie der kleine Krzysztof Charamsa, 1972
in Gdingen an der polnischen Ostseeküste geboren wird und ihn eine Mutter
aufzieht, die „was Kirchen und Religionsausübung betraf, in geradezu
hysterischer Weise fundamentalistisch war“ (Charamsa), ist es wenig
verwunderlich, daß er katholisch-religiös wird.
Das gilt generell. Wer mit seiner Muttermilch
aufsaugt, daß Juden Brunnen vergiften, daß Schwarze Vergewaltiger sind,
Zigeuner klauen, Schwule mit dem Satan paktieren und Frauen minderwertig sind,
glaubt dies zunächst einmal.
Bleibt man in so einem Umfeld und wird möglichst
effektiv von anderen Meinungen abgeschirmt, erhalten sich diese Vorurteile.
Deswegen sind ultraultraorthodoxe Juden in Israel so
extrem darauf bedacht ihre Kinder von säkularen Zeitungen, höherer Bildung und
dem Internet abzuhalten.
Je besser dies gelingt, desto wahrscheinlicher bleibt
ihre Brut ultraultraorthodox.
Amish-Jugendliche legen vor ihrer Taufe, die sie nur
als Erwachsene und aus eigenem Willen empfangen (lobenswert!) ein Jahr des
„Herumspringens“ ein, in dem sie in die Welt hinausgehen und sich alles ansehen
können, was ihnen vorher verborgen blieb.
Ohne diese Experimentierphase gäbe es heute viel mehr
Amish, weil weniger gegen ein amishes Leben entschieden.
Wer aus nicht ganz so eingeengten Verhältnissen wie homegeschoolten
evangelikalen Amerikanern kommt, wird irgendwann seine mitgegebenen Vorurteile
hinterfragen.
Daher treten Erwachsene, die als Säuglinge in
Deutschland von ihren Eltern zwangsgetauft wurden, oft aus der Kirche aus.
Sie lernen, daß man Homosexuelle nicht als
„Schwuchtel“ beschimpft und finden heraus, daß Schwarze genauso klug wie Weiße
sind.
Die Welt ist in dem Sinne wirklich offen, daß ein
jeder sich mit wenigen Klicks über Gewohnheiten auf der anderen Seite der Erde
informieren kann.
Daher gibt es auch in Frankreich Suhsi-Restaurants und
Asiaten fangen an Milchprodukte zu importieren.
Nachdem Deutsche durch ihre „Gastarbeiter“ Pizza und
Döner kennenlernten, gaben sie den ausschließlichen Genuß von Grünkohl und
Eisbein auf.
Der kleine Krzysztof Charamsa wuchs aber nicht nur mit
seiner dörflichen Indoktrination auf, sondern verblieb auch als Erwachsener in
einer römisch-katholischen Struktur, die bezüglich der Homosexualität eindeutig
war.
[…..] „Die
Beichte ist ein Sakrament, das unter der krankhaften Sexbesessenheit der, die
sie abnehmen, leidet. Wenn ich aufrichtigen Herzens die Beichte ablegte, schlug
mir vonseiten der Gewissenspolizisten nichts anderes als Homophobie entgegen.“
[….]
(Krzysztof Charamsa im STERN, 27.04.2017)
Als jemand, der noch nie gebeichtet hat, erinnert mich
das frappierend an die Erzählungen meines Vaters, der als kleiner Junge nach
der Erstkommunion das erste Mal beichten mußte und ab dem Zeitpunkt wöchentlich
von Lustgreisen nach Masturbation und möglicher Masturbation mit anderen Jungs
ausgequetscht wurde – lange bevor er überhaupt geschlechtsreif war und eine
Ahnung hatte was das überhaupt sein könnte.
Die Masturbationsbesessenheit des Priesters führte
schließlich dazu, daß er sich Sünden ausdachte. Bald erklärte er wöchentlich im
Beichtstuhl seiner Mutter einen Dollar aus dem Portemonnaie genommen zu haben –
nur um eine Strafe zu bekommen, die den Priester davon abhielt von Penissen und
Ejakulationen zu phantasieren.
Die Sache hatte einen positiven Nebeneffekt. Während
er sich eigentlich nicht für die Beichte bereit fühlte, da er keine Schuld
empfand (wofür ist ein Achtjähriger moralisch schuldig?), konnte er
anschließend erhobenen Hauptes den Beichtstuhl verlassen. Endlich fühlte er
sich wirklich schuldig, da er ja den Priester angelogen hatte wegen des
Dollarscheins.
Als mein Vater als Teenager in NY auf ein College
ging, teilte er mit einem jüdischen Jungen das Zimmer, der anders als erwartet
ganz normale Füße und nicht etwa Hufe hatte.
Die „Negros“ stanken auch nicht. Die Konsequenzen waren klar. Als mein
Alter Herr 18 wurde, trat er aus der Kirche aus.
Charamsa wurde vielleicht nicht in so einen
multikulturellen Schmelztiegel wie mein Vater geworfen, aber da er zufällig
schwul ist, kam er auf andere Weise mit der Kirchenlehre in Konflikt.
Das hielt ihn allerdings nicht davon ab trotz all
seiner Reisen und internationaler Kontakte 12 Jahre so konservativ zu sein, wie
es im Vatikan nur geht – als Inquisitor in Kardinal Müllers
Glaubenskongregation.
Er übernahm den Schreibtisch von „il bel Giorgio“, als
dieser 2005 seinem geliebten Ratzi als „Privatsekretär“ in den päpstlichen
Palast folgte. Auch als Papst vergaß der Bayer nicht den Adonis aus Polen; am
6. Juli 2008 gab Ratzi ihm den päpstlichen Ehrentitel Kaplan Seiner Heiligkeit mit
der Anrede Monsignore.
Ratzi und offenbar viele andere Kardinäle stehen auf
hübsche junge Männer in Soutane.
Benedikt holte sich nicht nur den schönen Georg Gänswein
als persönlichen Diener ins Gemach, sondern Ratzi war es auch, der den
außerordentlich attraktiven Krzysztof Charamsa in seine Lieblings-Präfektur,
die Inquisitionsbehörde beförderte.
Gänsi und Karamba! Für alternde rechtslastige
Theologiban ist der Vatikan doch ein Paradies.
[….] „Gerüchte
über eine "cordata", eine Seilschaft Homosexueller innerhalb der
vatikanischen Mauern, gab es bereits unter Benedikt XVI. [….] Eine Diagnose, die auch auf Monsignore
Charamsa zutreffen könnte. Joseph Ratzinger war es, der den mit Bestnoten dekorierten
Absolventen der Päpstlichen Universität Gregoriana 2003 in die
Glaubenskongregation berief. Und der ihn später, als Papst Benedikt XVI., mit
dem Ehrentitel Kaplan Seiner Heiligkeit auszeichnete.“ [….]
Obwohl es unter Ratzinger im Vatikan so
schwul zuging, wie wohl noch nie zuvor in der Neuzeit“
(Charamsa), ging dem Beau das Versteckspiel zunehmend auf die Nerven.
[…..]
Über jenen Würdenträger sagt er:
„Ratzinger verstand es vorzüglich, den Hass auf die Homosexuellen zu
verschärfen. Wenn ich jedoch (…) an die Jahre zurückdenke, in denen er Papst
war, dann steht mir ein Pontifikat vor Augen, in dem es im Vatikan so schwul zuging,
wie wohl nie zuvor in der Neuzeit.“
Der Theologe erinnere
sich an eine Audienz muskulöser Akrobaten beim Papst, die auch schon beim „Gay
Circus“ in Barcelona bewundert worden sein. Überhaupt sei es eine Periode
gewesen, in der „das ganze schwule Szenarium, welches Rom der Barockzeit zu
bieten gehabt hatte, wieder auflebte. Mit „roten Schühchen“ und „sorgfältig
choreografierten Prozessionen“. [….]
(Epochtimes,
27.04.2017)
Es steht
mir nicht zu darüber zu urteilen wieso sich einer erst mit 43 outet und so
viele Jahre im Dienste einer Organisation stand, die extrem homophob ist und
somit viel Leid über die Menschen wie ihn bringt. Das ist eine Frage an
Psychologen.
Es
verwundert allerdings, daß ein gebildeter Mann, der heute so klar über die
Homophobie des Vatikans urteilt, der so mutig war das alles hinter sich zu
lassen und von eben auf jetzt seine Karriere für immer zu zerstören, in anderer
Hinsicht so ein naives Kindlein geblieben ist.
Sein erstes
Rendezvous mit seinem heutigen Partner hatte in einer Kirche stattgefunden.
Erstaunlich. Priester wie er kommen ja auch so selten in eine Kirche.
Aus
dieser Tatsache schließt der schöne Krzysztof in seinem Buch*, Gott habe ihn mit seinem
Partner Eduard Planas zusammengeführt.
Heute liebt er die katholische Kirche mehr denn je,
besteht darauf weiterhin so zu leben wie es sich für einen Priester gehöre. Er
sei katholischer als je zuvor. So verkündet er es im aktuellen STERN.
* Krzysztof Charamsa: "Der erste Stein. Als homosexueller Priester gegen die
Heuchelei der katholischen Kirche"
C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh 2017, 320 Seiten
19,99 Euro.