Donnerstag, 18. Juni 2015

Griechen, Genossen, Gysi.



Also der Tag heute gefiel mir mal wieder gar nicht.
Schon die Morgenlektüre, die ich immer um 5.30 Uhr mit der Mopo beginne (geht am schnellsten; dann ist die schon mal weg) war übel.
Nachdem Maternus Hilger gestern wieder einmal in einem unterirdisch schlecht recherchierten Leitartikel gegen die Griechen hetzte und in einem weiteren Artikel der vorgebliche Anti-Griechen-Rebell Wolfgang Bosbach gefeiert wurde, sprudelten heute auch die Mopo-Kommentare vor Lob über den rechten CDU-Mann über.
 

Nicht erwähnt wurde natürlich wie dummdreist Bosbach gelogen hatte, als er zum widerholten Male ungeniert im TV vor Millionen Zuschauern die Mär von den faulen Griechen erzählte.

Die Mär vom griechischen Luxusrentner
[…..] Griechen gehen mit 56 in Rente, Deutsche mit 64: So behaupten es deutsche Medien und Politiker. Das ist schlicht unwahr. Über die Bedeutung von Renten in einem Land, in dem die Armen nicht einen Cent Sozialhilfe bekommen.
Ist es denn zu glauben? Da steht ein Land vor dem Bankrott. Doch statt die Hilfe der starken Partner (und deren Bedingungen) dankbar anzunehmen, will es nicht einmal die krassesten Auswüchse sozialer Wohltaten kappen. Und so verabschieden sich seine Einwohner weiter von Mitte 50 an in die üppig ausgestattete Rente. Die braven Bürger der Partnerländer hingegen müssen sich noch fast zehn weitere Jahre schinden - um jene Steuern zu erwirtschaften, die dann ins Pleiteland transferiert und an dessen Luxusrentner ausbezahlt werden.
Ungefähr so geht die Erzählung, mit der deutsche Medien und Politiker die dramatischen Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern begleiten: "Bild" und "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierten vergangene Woche eine Statistik, wonach die Griechen im Schnitt mit 56 Jahren in Rente gehen, die Deutschen hingegen mit 64.
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach sprach bei "Günther Jauch" vor fünf Millionen Zuschauern: "Der griechische Ministerpräsident hat jetzt angeboten, das reale Renteneintrittsalter in Griechenland, das bei uns bei fast 64 Jahren liegt, auf 56 Jahre anzuheben."

Das Problem an der Erzählung ist nur: Sie ist schlicht und einfach falsch. Griechen gehen nicht früher in den Ruhestand als Deutsche, von Luxusrenten kann keine Rede sein. (Eine Faktensammlung dazu finden Sie am Ende dieses Artikels.) Vor allem aber blendet diese Darstellung einen Aspekt vollkommen aus, der verständlich macht, weshalb Kürzungen im Rentensystem in Griechenland weitaus heikler sind, als sie es etwa in Deutschland wären: Das Rentensystem besitzt dort die Funktion einer Art Ersatz-Sozialhilfe. Viele Familien kämen ohne die Rente der Großeltern nicht über die Runden, wie der englische "Guardian" feststellt. Dieser Fakt macht aus einer falschen Erzählung eine perfide Mär. […..]
[…..] Zu den Fakten:

    Medienkritiker wie Stefan Niggemeier und "Bildblog" haben ebenso wie "Tagesspiegel" oder Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass die von "Bild" und Co. zitierte griechische Statistik selbst das angebliche durchschnittliche Renteneintrittsalter von 56 Jahren widerlegt: Die Zahl bezieht sich dort ausschließlich auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Gleichzeitig liegt das Renteneintrittsalter in Deutschland nur für diejenigen bei durchschnittlich 64 Jahren, die aus Altersgründen in Rente gehen - alle anderen, etwa Erwerbsunfähige, zählen nicht dazu.
    Laut der Industrieländerorganisation OECD lag das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland über alle Eintrittsgründe und Berufsgruppen hinweg im Jahr 2011 bei 61,4 Jahren.
    Ebenfalls 61,4 Jahre betrug nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2013 das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland. […..][…..]

Diese extreme Verlogenheit von Groko-Politikern ist schon an sich schlimm. Aber daß große Teile der Journaille völlig versagen, indem sie das nicht richtig stellen, bzw wie FAZ und BILD den Hass auf Athen weiter schüren, indem sie gefälschte Zahlen präsentieren ist noch übler.


Mein Tag wurde dann noch schlimmer, als ich ab 9.00 Uhr in die vom ZDF übertragene Bundestagsdebatte schaltete und diese Absurditäten auch dort verbreitet wurden.
Mal wieder ganz ganz ganz schlecht, Frau Merkel.
Ich schäme mich so für diese Bundeskanzlerin.

Rausgerissen hat es Gregor Gysi, der wenigstens einmal klar die Falschinformationen der Regierung richtigstellte.
 1974 – 2009 gingen allein 10% der deutschen Rüstungsexporte nach Griechenland – unter Zuhilfenahme von enormen Bestechungssummen aus Deutschland.

(WATCH ab Minute 5:00)

Nach Gysi trat der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann an das Rednerpult und watschte erst mal die LINKEN ab.
Sodann lobte er die Erfolge der GroKo, um dann schließlich zu argumentieren, es wären 70% der Deutschen gegen weitere Hilfen an Griechenland.

Oppermann fand ich mal gut. So ca bis 2013.
Und jetzt stellt er sich als Hauptredner an das Bundestagspult und beschäftigt sich gar nicht erst mit Fakten und Argumenten, sondern geht gleich auf Populismuskurs.
Nun richtet sich also die Bundespolitik nach den von Falschinformationen der BILD geschürten Stimmungen der Wähler.
Viel tiefer kann man nicht sinken. Erst Gabriels wirklich miese Masche und nun zieht sein Fraktionschef nach.

[…..] Eines muss man Sigmar Gabriel lassen: Er ist ein guter Redner. Wohl der beste, den die SPD derzeit im Angebot hat. Schade nur, dass der oberste Sozialdemokrat der Republik so wenig politische Substanz hat. Er ist ein Taktiker ohne inneren Kompass, ein Machtpolitiker ohne Grundüberzeugungen.
[…..] Eine Kostprobe von Gabriels rhetorischer Begabung werden die 250 Delegierten des SPD-Parteikonvents am Samstag im Berliner Willy-Brandt-Haus erleben dürfen. Mit der gleichen Verve, mit der er seit Monaten für das Freihandelsabkommen TTIP trommelt, wird er ihnen erklären, warum auch die Vorratsdatenspeicherung eigentlich doch etwas Gutes ist. […..]