Also der
Tag heute gefiel mir mal wieder gar nicht.
Schon
die Morgenlektüre, die ich immer um 5.30 Uhr mit der Mopo beginne (geht am
schnellsten; dann ist die schon mal weg) war übel.
Nachdem Maternus Hilger gestern wieder einmal in einem unterirdisch schlecht
recherchierten Leitartikel gegen
die Griechen hetzte und in einem weiteren Artikel der vorgebliche
Anti-Griechen-Rebell Wolfgang Bosbach gefeiert wurde, sprudelten heute auch die
Mopo-Kommentare vor Lob über den rechten CDU-Mann über.
Nicht
erwähnt wurde natürlich wie dummdreist Bosbach gelogen hatte, als er
zum widerholten Male ungeniert im TV vor Millionen Zuschauern die Mär von den faulen Griechen
erzählte.
Die Mär vom
griechischen Luxusrentner
[…..]
Griechen gehen mit 56 in Rente, Deutsche
mit 64: So behaupten es deutsche Medien und Politiker. Das ist schlicht unwahr.
Über die Bedeutung von Renten in einem Land, in dem die Armen nicht einen Cent
Sozialhilfe bekommen.
Ist es denn zu
glauben? Da steht ein Land vor dem Bankrott. Doch statt die Hilfe der starken
Partner (und deren Bedingungen) dankbar anzunehmen, will es nicht einmal die
krassesten Auswüchse sozialer Wohltaten kappen. Und so verabschieden sich seine
Einwohner weiter von Mitte 50 an in die üppig ausgestattete Rente. Die braven
Bürger der Partnerländer hingegen müssen sich noch fast zehn weitere Jahre
schinden - um jene Steuern zu erwirtschaften, die dann ins Pleiteland
transferiert und an dessen Luxusrentner ausbezahlt werden.
Ungefähr so geht die
Erzählung, mit der deutsche Medien und Politiker die dramatischen Verhandlungen
zwischen Griechenland und seinen Geldgebern begleiten: "Bild" und
"Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierten vergangene Woche eine
Statistik, wonach die Griechen im Schnitt mit 56 Jahren in Rente gehen, die
Deutschen hingegen mit 64.
Der CDU-Abgeordnete
Wolfgang Bosbach sprach bei "Günther Jauch" vor fünf Millionen
Zuschauern: "Der griechische Ministerpräsident hat jetzt angeboten, das
reale Renteneintrittsalter in Griechenland, das bei uns bei fast 64 Jahren
liegt, auf 56 Jahre anzuheben."
Das
Problem an der Erzählung ist nur: Sie ist schlicht und einfach falsch. Griechen
gehen nicht früher in den Ruhestand als Deutsche, von Luxusrenten kann keine
Rede sein. (Eine Faktensammlung dazu finden Sie am Ende dieses Artikels.) Vor
allem aber blendet diese Darstellung einen Aspekt vollkommen aus, der
verständlich macht, weshalb Kürzungen im Rentensystem in Griechenland weitaus
heikler sind, als sie es etwa in Deutschland wären: Das Rentensystem besitzt
dort die Funktion einer Art Ersatz-Sozialhilfe. Viele Familien kämen ohne die
Rente der Großeltern nicht über die Runden, wie der englische
"Guardian" feststellt. Dieser Fakt macht aus einer falschen Erzählung
eine perfide Mär. […..]
[…..]
Zu den Fakten:
Medienkritiker wie Stefan Niggemeier und
"Bildblog" haben ebenso wie "Tagesspiegel" oder
Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass die von "Bild" und Co.
zitierte griechische Statistik selbst das angebliche durchschnittliche
Renteneintrittsalter von 56 Jahren widerlegt: Die Zahl bezieht sich dort
ausschließlich auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Gleichzeitig liegt das
Renteneintrittsalter in Deutschland nur für diejenigen bei durchschnittlich 64
Jahren, die aus Altersgründen in Rente gehen - alle anderen, etwa
Erwerbsunfähige, zählen nicht dazu.
Laut der Industrieländerorganisation OECD
lag das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland
über alle Eintrittsgründe und Berufsgruppen hinweg im Jahr 2011 bei 61,4
Jahren.
Ebenfalls 61,4 Jahre betrug nach Angaben
der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2013 das tatsächliche
durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland. […..][…..]
Diese
extreme Verlogenheit von Groko-Politikern ist schon an sich schlimm. Aber daß
große Teile der Journaille völlig versagen, indem sie das nicht richtig
stellen, bzw wie FAZ und BILD den Hass auf Athen weiter schüren, indem sie
gefälschte Zahlen präsentieren ist noch übler.
Mein Tag
wurde dann noch schlimmer, als ich ab 9.00 Uhr in die vom ZDF übertragene
Bundestagsdebatte schaltete und diese Absurditäten auch dort verbreitet wurden.
Mal
wieder ganz ganz ganz schlecht, Frau Merkel.
Ich
schäme mich so für diese Bundeskanzlerin.
Rausgerissen hat es Gregor Gysi, der wenigstens einmal klar die
Falschinformationen der Regierung richtigstellte.
1974 – 2009 gingen allein 10% der deutschen
Rüstungsexporte nach Griechenland – unter Zuhilfenahme von enormen
Bestechungssummen aus Deutschland.
(WATCH ab Minute 5:00)
Nach
Gysi trat der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann an das Rednerpult und watschte
erst mal die LINKEN ab.
Sodann
lobte er die Erfolge der GroKo, um dann schließlich zu argumentieren, es wären
70% der Deutschen gegen weitere Hilfen an Griechenland.
Oppermann
fand ich mal gut. So ca bis 2013.
Und
jetzt stellt er sich als Hauptredner an das Bundestagspult und beschäftigt sich
gar nicht erst mit Fakten und Argumenten, sondern geht gleich auf Populismuskurs.
Nun
richtet sich also die Bundespolitik nach den von Falschinformationen der BILD
geschürten Stimmungen der Wähler.
Viel
tiefer kann man nicht sinken. Erst Gabriels wirklich miese Masche und
nun zieht sein Fraktionschef nach.
[…..]
Eines muss man Sigmar Gabriel lassen: Er
ist ein guter Redner. Wohl der beste, den die SPD derzeit im Angebot hat.
Schade nur, dass der oberste Sozialdemokrat der Republik so wenig politische
Substanz hat. Er ist ein Taktiker ohne inneren Kompass, ein Machtpolitiker ohne
Grundüberzeugungen.
[…..]
Eine Kostprobe von Gabriels rhetorischer
Begabung werden die 250 Delegierten des SPD-Parteikonvents am Samstag im
Berliner Willy-Brandt-Haus erleben dürfen. Mit der gleichen Verve, mit der er
seit Monaten für das Freihandelsabkommen TTIP trommelt, wird er ihnen erklären,
warum auch die Vorratsdatenspeicherung eigentlich doch etwas Gutes ist. […..]