Erinnert
sich noch jemand an die nette Hamburger Pop-Rock-Band Jeremy Days
aus den 1980ern?
Der
Deutschamerikaner Dirk Darmstädter, der später das Hamburger Label „Tapete Records“ gründete, versuchte es nach
dem Ende der Jeremy Days noch beispielsweise unter dem Namen „Me and Cassity“, aber der kommerzielle
Erfolg stellte sich nie ein. Schade, ich habe die damals öfter live gesehen und
eigentlich waren alle Zutaten für eine Karriere da. (Vielleicht war es auch nur
Solidarität für gleichaltrige Hamburger Deutschamerikaner, daß ich die Jungs
ganz gern hörte damals.)
Aber
außer „Brand
New Toy“ und „Julie
Thru The Blinds“ von 1989 hatten sie nie einen Hit.
Mein
Lieblingssong von dem Album ist natürlich „Virginia.“
Immer
wenn auf CNN der Staat Virginia genannt wird, muss ich an die Textzeilen des
Darmstädter-Songs denken.
[….] I see you while you're sleeping
Drum my fingers
To the beat she's keeping
The soft parade, flowing
Drugged and tired
Thru that open door, yeah
Out of slavery
Out from the pouring rain [….]
Darmstädter
lebte als Kind in New Jersey, was ja nur ein kleines Stückchen nördlich von
Virginia liegt; also kennt er den Staat vermutlich ganz gut.
Was für
eine Einleitung.
Virginia,
auch Mother of the Presidents genannt, gilt als unerschöpfliche Politikerquelle
der USA. Der überwiegend weiße Staat gehörte im amerikanischen Bürgerkrieg zur
Konföderation und blieb seit der Niederlage meist
konservativ. Der „red state“ stimmte bei den Präsidentschaftswahlen seit 70
Jahren nur viermal demokratisch, jeweils ganz knapp für Lyndon B. Johnson (1964), Barack Obama
(2008, 2012) und Hillary Clinton (2016), mutmaßlich weil ihr VP Tim Kaine 2006–2010 Gouverneur von Virginia war.
In Virginia
bekam Trump gestern ein Arschvoll. Sein ihn imitierender Gouverneurskandidat
unterlag überraschend deutlich dem Demokraten.
Neben
der Wiederwahl des NYer Bürgermeisters de Blasio und dem erwarteten Durchmarsch
in New Jersey war es nach langer Zeit mal ein fröhlicher Abend für die immer
noch in Schockstarre verharrende Partei Hillary Clintons.
[….]
Auch den Bundesstaat Virginia hatte
Hillary Clinton vor einem Jahr gewonnen, dennoch war hier die trumpistische
Versuchung besonders groß.
Die drei Siege
verschaffen gleichwohl eine gewisse Erleichterung, weil die Wähler nicht nur
über Verkehrsstaus und lokale Steuern abgestimmt haben, sondern auch über einen
politischen Stil. In New Jersey, traditionell ein eher liberaler Staat, war der
Demokrat Phil Murphy explizit mit einer weltoffenen und immigrationsfreundlichen
Agenda angetreten. Sein Sieg stand nie wirklich in Frage, weil der Wählerzorn
auf seinen republikanischen Vorgänger Chris Christie überwältigend war. In
Virginia wurde der Republikaner Ed Gillespie dafür bestraft, dass er als
billige Trump-Kopie mit rassistischen Vorurteilen spielte. Der neue Gouverneur
Ralph Northam zementiert nun eine demokratische Wende in einer einstmals
republikanischen Bastion. Wer will, kann die Bundestaats-Wahlen also auch als
Votum gegen den Präsidenten werten.
[…..]
Endlich.
Natürlich
hängen viele Journalisten die GOP-Klatsche niedriger, weil es sich ganz klar um
regionale Entscheidungen handelte.
Aber
immerhin, der kontinuierliche Trump-Durchmarsch ist gestoppt.
Mit 54
zu 45% setzte sich Demokrat Northam sogar deutlich gegen den Republikaner
durch.
„Mr. Northam was propelled by liberal and moderate voters who were eager
to send a message to President Trump in a state that rejected him in 2016 and where
he is deeply unpopular.”
Ein bundespolitischer
Einfluss ist nicht zu bestreiten.
[….] Outgoing Virginia Democratic Gov. Terry
McAuliffe, a former DNC Chair himself, said the race would bring donors,
candidates, and activists off the bench and re-energize the party at a time
when it needed it most.
"Everyone was looking to Virginia and boy, this was not a lift,
this was a jet takeoff," he told reporters.
Half of Virginia voters said Trump was a factor in their vote, and those
who did said they oppose the president by a 2-to-1 margin, according to exit
polls. In addition, turnout was way up over McAulliffe's election in 2013,
showing enthusiasm among party voters.
"The strength of 'The Resistance' is at tidal wave
proportions," said Adam Green, the co-founder of the Progressive Change
Campaign Committee. [….]
Der
radikale Rassismus, Schwulenhass und die Xenophobie sind keine Wahlerfolgsgaratie,
wie auch die Klatsche für Bob Marshall zeigt.
Der 73-Jährige
selbst ernannte oberste Schwulenhasser - has called himself the state’s “chief homophobe”
– und vermutlich tatsächlich the most anti-LGBTQ politician in America saß seit
23 Jahren im Parlament und wurde nun ausgerechnet von einer transsexuellen
Demokratin mit 12 Prozent Abstand geschlagen.
[…..] Danica
Roem sitzt künftig für die Demokraten im Parlament von Virginia. Ihr Gegner, der Republikaner Bob Marshall, hatte
sich als "oberster Schwulenhasser" bezeichnet. […..] Erstmals
in der Geschichte der USA ist eine offen als Transgender lebende Person in das
Parlament eines Bundesstaats gewählt worden. Die Demokratin und Transfrau
Danica Roem besiegte in der Wahl für das Abgeordnetenhaus von Virginia den
republikanischen Amtsinhaber Bob Marshall.
Marshall war seit 1992 Abgeordneter in Virginia und galt als einer der
konservativsten Vertreter seiner Partei in dem US-Bundesstaat. Unter anderem
hatte er ein Gesetz angeschoben, um Transgendern die freie Wahl zu nehmen, ob
sie nun öffentliche Herren- oder Damentoiletten benutzen. Auch gegen die
gleichgeschlechtliche Ehe hatte er sich stark gemacht.
Die Lobbygruppe Gay
& Lesbian Victory Fund lobte die Entscheidung der Wähler, "eine kluge,
lösungsorientierte Trans-Führerin einem spaltenden Anti-LGBT-Demagogen"
vorgezogen zu haben. Dies sei eine "starke Botschaft an
Anti-Trans-Gesetzgeber im ganzen Land". Marshall hatte sich selbst vor
einiger Zeit als Virginias "obersten Schwulenhasser" bezeichnet. [….]
(ZEIT
online, 08.11.17)
Vielleicht
wachsen die Bannonschen Hassbäume doch nicht in den Himmel.
Vielleicht
können die noch viel konservativeren Extrem-Trumper, die jetzt ohnehin
schon konservativen Politiker wie Corker und Flake ersetzen, sich doch nicht
gegen die Demokraten durchsetzen.
Möglich
ist auch, daß die jetzigen republikanischen Amtsinhaber so sehr um ihre
Wiederwahlchancen fürchten, daß doch noch einige wagen gegen Trump aufzumucken.