Dienstag, 24. Oktober 2017

Asylrecht



Jetzt sind sie da.
90 Nazis im Bundestag, die alle Flüchtlinge und Nicht-Blondblauäugigen rauswerfen wollen. Eine Position, die mehr oder weniger unverhohlen von CSU und Sachsen-CDU geteilt wird.
Die Ausländer passen nicht zu uns, monieren Südost-Deutsche.

 Aber vielleicht haben diese „Undeutschen“ wirklich andere Einstellungen.
Man erkennt das im Bundesland Hamburg, das einen zehnmal so hohen Migrantenanteil wie Sachsen hat. 1000% mehr Ausländer in Hamburg; verglichen mit Dresden. Da schlottern Lutz Bachmann, Michael Kretschmer und Stanislaw Tillich die Knie.
Schlimme Zustände sind das in Hamburg: kein einziger Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkünfte und außerdem plagen sich die Hanseaten mit einem dreimal so hohem Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, wie die Sachsen.


Weltoffen und tolerant, so sieht sich Hamburg gern. Doch wie sieht es im alltäglichen Miteinander der verschiedenen Kulturen aus? Wie stehen Migranten und Nicht-Migranten zueinander? Und wo gibt es Vorbehalte und Probleme? Erstmals wurde im Auftrag der Sozialbehörde eine repräsentative Bevölkerungsstudie zu diesem Themenkomplex in Auftrag gegeben. […]   Von den 1021 telefonisch befragten und 146 persönlich interviewten Menschen, die an der Studie „Zusammenleben in Hamburg“ teilnahmen, gaben beeindruckende 98 Prozent an, sich in ihrem Stadtteil und in Hamburg generell wohlzufühlen. 90 Prozent finden, dass Deutsche und Zuwanderer in ihrem Stadtteil gut miteinander auskommen.
[…] Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) zeigt sich insgesamt froh über die Ergebnisse der Studie. „Sie zeigt auch, dass die Durchmischung der Bevölkerung von 94 Prozent der Bewohner begrüßt wird. Das ist auch vor dem Hintergrund einer anhaltend hohen Zahl ankommender Menschen ein gutes Zeichen.

Noch nicht mal Pegida fühlt sich wohl in Hamburg, weil hier alles voller Ausländer ist.
In Sachsen hingegen gedeihen die Nazis.

[…..] Im sächsischen Freiberg ist das Brauhausfest das Ereignis eines jeden Sommers. Auf dem Betriebsgelände am Rande der Stadt baut die "Freiberger Brauerei" im August einen großen Rummelplatz auf. Für die Menschen in der Region ist die dreitägige Sause ein gesellschaftliches Event mit allem Pipapo: abfeuern von Höhenfeuerwerken, Aufführungen von Schalmaien-Melodien, Auftritte von Schlagerstars - und eben auch: Aufzüge von Rechtsextremen.
Schlendert man über das Fest, fällt sofort auf, dass viele ihre Heimatliebe ganz besonders zelebrieren: Sie tragen szenetypische Kleidung von Thor Steinar oder Lonsdale, andere zeigen unverstellt ihre in Runenschrift verfassten Tattoos, wieder andere äußern offen ihre Freude darüber, dass sich auf dem Fest "keine Ausländer" blicken lassen, und schieben dabei gemächlich ihre Kinderkarren vor sich her.       Es stört sich niemand an den Leuten, sie gehören zur Mitte der sächsischen Gesellschaft.
So wie sich auch wenige Sachsen daran stören, dass in einer Tankstelle in der Oberlausitz auf der Ladentheke das Magazin "Weltkrieg" ausliegt, das früher "Landser" hieß, und zwei Gänge weiter ein Regal voll mit Nazi-Devotionalien steht. Der "Befehlshaber der U-Boote" Karl Dönitz wird auf dem Emailleblech ebenso verherrlicht wie der Adler des "Deutschen Reiches" oder das "Deutsche Schutzgebiet."
Es kommt offenbar auch wenigen Sachsen komisch vor, dass in Gaststätten, die "Böhmische Küche" anbieten, auf den Speisekarten Landkarten mit den Umrissen der deutschen Grenzen vor 1945 abgedruckt sind.
Sicher, alles Einzelfälle. Einzelfälle, die es so aber auch in Riesa gibt, in Oschatz, in Glauchau oder in Hainichen. Sachsen, das Land der vielen Einzelfälle. Sachsen, das Land, in dem während 27 Jahren CDU-Herrschaft ein Klima der Deutschtümelei gedeihen konnte wie kaum anderswo. [….]

Nun sitzen die in Sachsen direkt gewählten AfD-Wahlkreisvertreter im Bundestag und versuchen einen echten Nazi als Bundestagsvizepräsident zu installieren.

Sie werden alles tun, um allen, die aus ihrer Sicht aus der Reihe tanzen – Dunkelhäutige, Linke, Kinderlose, Schwule, Atheisten, Muslime – das Leben zur Hölle zu machen.

AfD-Übervater Gauland findet, wir sollten stolz auf die Wehrmacht mit ihrem Vernichtungsfeldzug sein und offenbart damit unfreiwillig, wen er eigentlich mit „wir“ meint, wenn er von den historischen Deutschen spricht: WIR sind bei Gauland die Täter.
Daß ins KZ deportierte Widerstandskämpfer, Deserteure, Kommunisten, Schwule und gut 500.000 Juden auch Deutsche waren, kommt Gauland gar nicht in den Sinn. Sie sind nicht gemeint, wenn er von „wir“ spricht.
Im AfD-„Wir“ sind nur überzeugte Nazis, Soldaten und SS-Schergen inkludiert.

[….] Wie nen­nen wir in Deutsch­land eine Par­tei, die sich völ­kisch de­fi­niert? Die Tra­di­ti­on ist ein­deu­tig. Die Letz­ten, die eine sol­che Po­si­ti­on ver­tre­ten ha­ben, wa­ren die Na­zis.

[….] Ich bin ja in den Fünf­zi­ger­jah­ren auf­ge­wach­sen. Alle in mei­ner Ge­ne­ra­ti­on ken­nen noch die­se deut­schen Fa­mi­li­en­tref­fen. Da gab es den Nazi-Opa und den On­kel, der bei der SS war, und die son­der­ten dann ihre Sprü­che ab. Und sol­che Sprü­che kom­men plötz­lich wie­der. War­um soll­te man das als Rechts­po­pu­lis­mus be­zeich­nen? Ist Herr Hö­cke ein Rechts­po­pu­list oder ein Nazi? Mir geht die­ses Drum­rum­ge­re­de auf den Keks.
[….] Da sind vie­le in der ak­ti­ven Mit­glied­schaft und Füh­rung der AfD, die re­den wie Na­zis und die den­ken wie Na­zis. Gau­land will sich „un­ser Land“ und „un­ser Volk zu­rück­ho­len“. Ja hal­lo, ken­nen wir das nicht? [….]
(Joschka Fischer, SPIEGEL, 21.10.2017)

Der Ausländer-raus-Traum der Völkischen wird aber trotz der geistigen Unterstützung durch die Dobrindt-Scheuer-Typen und einen sehr rechts blinkenden Christian Lindner nicht umzusetzen sein.
Beispiel Fischfang:
1950 wurden weltweit 18 Millionen Tonnen Fisch gefangen, 1970 waren es schon 60 Mio Tonnen, 1990 102 Mio Tonnen und gegenwärtig fast 200 Millionen Tonnen.
Die Meere um Europa herum sind entsprechend leergefischt.
Ganze 750.000 Euro pro Jahr zahlt die EU dem Senegal jährlich für die Rechte die Fischgründe vor Senegals Küsten leer zu fischen.
Bisher lebten dort 600.000 Senegalesen als Fischer, die nun auf einen Schlag ihre Existenzgrundlage verloren – und die EU zahlt ihnen als Ausgleich umgerechnet 1,25 Euro pro Person und Jahr.
Auch der Peginese frisst gern billige Fischstäbchen und ist empört, wenn später das Elend beim ihm anklopft.
Das muss man doch irgendwie aufhalten können, denken sich Gauland und Co.
Aber sie irren; das Asylrecht kann man nicht abschaffen.

Katapult April 2016 s. 23

Den Familiennachzug wie gegenwärtig auszusetzen ist zudem höchst kontraproduktiv und grausam.

[…..] Kurz vor Beginn der Koalitionsgespräche hat Jürgen Trittin der Union vorgeworfen, mit ihrem Nein zum Familiennachzug christliche Werte zu verleugnen. "In der Sache hat sich die CSU durchgesetzt. Sie will dauerhaft den Familiennachzug unterbinden. Das ist eine Verleugnung urchristlicher Werte", sagte der Grünenpolitiker der Rheinischen Post. Der Kompromiss, auf den sich CDU und CSU am Wochenende geeinigt hatten, laufe "allen Integrationsbemühungen entgegen". In dem Regelwerk zur Migration heißt es wörtlich: "Der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten bleibt ausgesetzt." [….]
(Zeit, 10.10.2017)

Der CSU-General ist empört und verteidigt seine zutiefst kinderfeindliche, familienfeindliche und grundgesetzwidrige Linie.

[….] Eine Lockerung beim Familiennachzug würde nicht zu weniger, sondern zu mehr Zuwanderung führen. Wir reden hier über Menschen, die subsidiären, also klar Schutz auf Zeit genießen. Diese Menschen sollen auch wieder zurück in ihre Heimat gehen können. Diese Rückführungen werden durch Familiennachzug deutlich erschwert. Außerdem ist es auch ein falsches Signal in die Welt. Alle sollten akzeptieren, dass die Integrationsfähigkeit unseres Landes eine Grenze hat. […]

Für die CSU bedeutet „christlich“ den Menschen möglichst Leid zuzufügen und sie unnötig schlecht zu behandeln. Deutschland soll so brutal und abschreckend sein, daß die Menschen lieber im Meer ersaufen oder sich in nordafrikanischen Wüsten erschießen lassen, bevor ihnen hier geholfen wird.

CSU, Sachsen-CDU und AfD regieren aber nicht, sondern vermutlich wird bald eine Jamaika-Koalition das Bundeskabinett bilden.
Sie sollten auf Nils Muižnieks, den Menschenrechtskommissar des Europarates hören.

 [….] Für Menschen, die von ihren Familien getrennt sind, weil sie aus ihren Heimatländern fliehen mussten und im Ausland Schutz gesucht haben, wird die Zusammenführung mit den Verwandten oft zum dringendsten Bedürfnis.
[…..] Zunehmend verwehren europäische Länder jedoch geflüchteten Menschen den Familiennachzug, obwohl dies den internationalen Menschenrechtsstandards widersprechen könnte. […..] Subsidiär Schutzberechtigten wird Schutz gewährt, weil sie in ihren Herkunftsländern gefährdet sind, zum Tode verurteilt oder gefoltert zu werden. Trotzdem erhalten sie oft einen unsichereren und kürzer befristeten Schutzstatus als jene Flüchtlinge, die unter der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden.
Im März 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland eine zweijährige Regelung als Notfallmaßnahme eingeführt, welche subsidiär Schutzberechtigte darin hindert, den Familiennachzug zu beantragen.[…..]
Solche Maßnahmen verletzen jedoch internationale Menschenrechtsverpflichtungen und schaden letztlich der deutschen Gesellschaft mehr, als dass sie ihr nutzen. Der Schutz der Familie ist im Grundgesetz verankert. Dort heißt es im Artikel 6 ausdrücklich: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte legt fest, dass "die Familie eine natürliche Grundeinheit der Gesellschaft ist und daher Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat". Ebenso verpflichtet der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte alle Staaten dazu, das Familienleben zu schützen. Darüber hinaus verlangt die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von allen Staaten, die von einem Kind oder seinen Eltern gestellten Anträge auf Familiennachzug "wohlwollend, human und beschleunigt" zu bearbeiten und das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen.
Das Recht auf Familienleben wird auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt erklärt, dass Menschen mit Anspruch auf internationalen Schutz ein Recht auf Nachzug ihrer Familien durch flexible, schnelle und effektive Verfahren haben. […..]
Die künftige deutsche Bundesregierung sollte dringend berücksichtigen, wie kontraproduktiv die Aussetzung des Familiennachzugs für die Förderung der Integration, die Rettung von Menschenleben und die Zerschlagung von Schlepperorganisationen ist.
Der fehlende Familiennachzug erschwert eine erfolgreiche Integration von Ausländern in die Gesellschaft des Aufnahmelandes erheblich. Die permanente Angst wegen des Schicksals der zurückgelassenen Familienmitglieder behindert das Erlernen der Sprache, die Suche nach einem Arbeitsplatz oder die aktive Teilnahme an der Gesellschaft. Kinder, die von ihren Eltern getrennt sind, leiden oft an vermehrtem Stress oder anderen gesundheitlichen Störungen. Dies beeinflusst insbesondere die Leistungsfähigkeit dieser Kinder im Bildungssystem auf negative Art und Weise. Oftmals fehlen diesen Kindern dann die notwendigen sozialen und beruflichen Kompetenzen, um sich künftig vollständig in die Gesellschaft zu integrieren. […..]
 (Nils Muižnieks, SZ vom 24.10.2017)