Jetzt sind sie da.
90 Nazis im Bundestag, die alle Flüchtlinge und Nicht-Blondblauäugigen
rauswerfen wollen. Eine Position, die mehr oder weniger unverhohlen von CSU und
Sachsen-CDU geteilt wird.
Die Ausländer passen nicht zu uns, monieren
Südost-Deutsche.
Aber vielleicht haben diese „Undeutschen“ wirklich
andere Einstellungen.
Man erkennt das im Bundesland Hamburg, das einen
zehnmal so hohen Migrantenanteil wie Sachsen hat. 1000% mehr Ausländer in
Hamburg; verglichen mit Dresden. Da schlottern Lutz Bachmann, Michael Kretschmer und Stanislaw Tillich
die Knie.
Schlimme Zustände sind das in Hamburg: kein einziger
Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkünfte und außerdem plagen sich die Hanseaten
mit einem dreimal so hohem Bruttoinlandsprodukt je
Einwohner, wie die Sachsen.
Weltoffen und tolerant, so sieht sich Hamburg gern.
Doch wie sieht es im alltäglichen Miteinander der verschiedenen Kulturen aus?
Wie stehen Migranten und Nicht-Migranten zueinander? Und wo gibt es Vorbehalte
und Probleme? Erstmals wurde im Auftrag der Sozialbehörde eine repräsentative
Bevölkerungsstudie zu diesem Themenkomplex in Auftrag gegeben. […] Von
den 1021 telefonisch befragten und 146 persönlich interviewten Menschen, die an
der Studie „Zusammenleben in Hamburg“ teilnahmen, gaben beeindruckende 98
Prozent an, sich in ihrem Stadtteil und in Hamburg generell wohlzufühlen. 90
Prozent finden, dass Deutsche und Zuwanderer in ihrem Stadtteil gut miteinander
auskommen.
[…] Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) zeigt
sich insgesamt froh über die Ergebnisse der Studie. „Sie zeigt auch, dass die
Durchmischung der Bevölkerung von 94 Prozent der Bewohner begrüßt wird. Das ist
auch vor dem Hintergrund einer anhaltend hohen Zahl ankommender Menschen ein
gutes Zeichen.
Noch nicht mal Pegida fühlt sich wohl in Hamburg, weil hier alles voller
Ausländer ist.
In Sachsen hingegen gedeihen die Nazis.
[…..] Im
sächsischen Freiberg ist das Brauhausfest das Ereignis eines jeden Sommers. Auf
dem Betriebsgelände am Rande der Stadt baut die "Freiberger Brauerei"
im August einen großen Rummelplatz auf. Für die Menschen in der Region ist die
dreitägige Sause ein gesellschaftliches Event mit allem Pipapo: abfeuern von
Höhenfeuerwerken, Aufführungen von Schalmaien-Melodien, Auftritte von
Schlagerstars - und eben auch: Aufzüge von Rechtsextremen.
Schlendert man über das Fest, fällt sofort auf, dass viele ihre Heimatliebe
ganz besonders zelebrieren: Sie tragen szenetypische Kleidung von Thor Steinar
oder Lonsdale, andere zeigen unverstellt ihre in Runenschrift verfassten
Tattoos, wieder andere äußern offen ihre Freude darüber, dass sich auf dem Fest
"keine Ausländer" blicken lassen, und schieben dabei gemächlich ihre
Kinderkarren vor sich her. Es stört
sich niemand an den Leuten, sie gehören zur Mitte der sächsischen Gesellschaft.
So wie sich auch wenige Sachsen daran stören, dass in einer Tankstelle in
der Oberlausitz auf der Ladentheke das Magazin "Weltkrieg" ausliegt,
das früher "Landser" hieß, und zwei Gänge weiter ein Regal voll mit
Nazi-Devotionalien steht. Der "Befehlshaber der U-Boote" Karl Dönitz
wird auf dem Emailleblech ebenso verherrlicht wie der Adler des "Deutschen
Reiches" oder das "Deutsche Schutzgebiet."
Es kommt offenbar auch wenigen Sachsen komisch vor, dass in Gaststätten,
die "Böhmische Küche" anbieten, auf den Speisekarten Landkarten mit
den Umrissen der deutschen Grenzen vor 1945 abgedruckt sind.
Sicher, alles Einzelfälle. Einzelfälle, die es so aber auch in Riesa gibt,
in Oschatz, in Glauchau oder in Hainichen. Sachsen, das Land der vielen
Einzelfälle. Sachsen, das Land, in dem während 27 Jahren CDU-Herrschaft ein
Klima der Deutschtümelei gedeihen konnte wie kaum anderswo. [….]
Nun sitzen die in Sachsen direkt gewählten AfD-Wahlkreisvertreter
im Bundestag und versuchen einen echten Nazi als Bundestagsvizepräsident zu
installieren.
Sie werden alles tun, um allen, die aus ihrer Sicht
aus der Reihe tanzen – Dunkelhäutige, Linke, Kinderlose, Schwule, Atheisten,
Muslime – das Leben zur Hölle zu machen.
AfD-Übervater Gauland findet, wir sollten stolz auf die Wehrmacht mit ihrem Vernichtungsfeldzug
sein und offenbart damit unfreiwillig, wen er eigentlich mit „wir“ meint, wenn
er von den historischen Deutschen spricht: WIR sind bei Gauland die Täter.
Daß ins KZ deportierte Widerstandskämpfer, Deserteure,
Kommunisten, Schwule und gut 500.000 Juden auch Deutsche waren, kommt Gauland
gar nicht in den Sinn. Sie sind nicht gemeint, wenn er von „wir“ spricht.
Im AfD-„Wir“ sind nur überzeugte Nazis, Soldaten und
SS-Schergen inkludiert.
[….]
Wie nennen wir in Deutschland eine Partei,
die sich völkisch definiert? Die Tradition ist eindeutig. Die Letzten,
die eine solche Position vertreten haben, waren die Nazis.
[….]
Ich bin ja in den Fünfzigerjahren aufgewachsen.
Alle in meiner Generation kennen noch diese deutschen Familientreffen.
Da gab es den Nazi-Opa und den Onkel, der bei der SS war, und die sonderten
dann ihre Sprüche ab. Und solche Sprüche kommen plötzlich wieder. Warum
sollte man das als Rechtspopulismus bezeichnen? Ist Herr Höcke ein
Rechtspopulist oder ein Nazi? Mir geht dieses Drumrumgerede auf den
Keks.
[….]
Da sind viele in der aktiven Mitgliedschaft
und Führung der AfD, die reden wie Nazis und die denken wie Nazis. Gauland
will sich „unser Land“ und „unser Volk zurückholen“. Ja hallo, kennen
wir das nicht? [….]
(Joschka
Fischer, SPIEGEL, 21.10.2017)
Der Ausländer-raus-Traum der Völkischen wird aber
trotz der geistigen Unterstützung durch die Dobrindt-Scheuer-Typen und einen
sehr rechts blinkenden Christian Lindner nicht umzusetzen sein.
Weltweit nehmen die Migrationsursachen durch die tatkräftige Mithilfe der
Bundesregierung zu.
Beispiel Fischfang:
1950 wurden weltweit 18 Millionen Tonnen Fisch
gefangen, 1970 waren es schon 60 Mio Tonnen, 1990 102 Mio Tonnen und
gegenwärtig fast 200 Millionen Tonnen.
Die Meere um Europa herum sind entsprechend
leergefischt.
Also sind Europas Megatrawler auf Beutezug vor Afrika.
Ganze 750.000 Euro pro Jahr zahlt die EU dem Senegal
jährlich für die Rechte die Fischgründe vor Senegals Küsten leer zu fischen.
Bisher lebten dort 600.000 Senegalesen als Fischer,
die nun auf einen Schlag ihre Existenzgrundlage verloren – und die EU zahlt ihnen als Ausgleich umgerechnet 1,25 Euro
pro Person und Jahr.
Auch der Peginese frisst gern billige Fischstäbchen
und ist empört, wenn später das Elend beim ihm anklopft.
Das muss man doch irgendwie aufhalten können, denken
sich Gauland und Co.
Aber sie irren; das Asylrecht kann man nicht
abschaffen.
Katapult April 2016 s. 23 |
Den Familiennachzug wie gegenwärtig auszusetzen ist
zudem höchst kontraproduktiv und grausam.
[…..] Kurz vor Beginn der Koalitionsgespräche hat
Jürgen Trittin der Union vorgeworfen, mit ihrem Nein zum Familiennachzug
christliche Werte zu verleugnen. "In der Sache hat sich die CSU
durchgesetzt. Sie will dauerhaft den Familiennachzug unterbinden. Das ist eine
Verleugnung urchristlicher Werte", sagte der Grünenpolitiker der
Rheinischen Post. Der Kompromiss, auf den sich CDU und CSU am Wochenende
geeinigt hatten, laufe "allen Integrationsbemühungen entgegen". In
dem Regelwerk zur Migration heißt es wörtlich: "Der Familiennachzug zu
subsidiär Geschützten bleibt ausgesetzt." [….]
(Zeit,
10.10.2017)
Der CSU-General ist empört und verteidigt seine zutiefst kinderfeindliche,
familienfeindliche und grundgesetzwidrige Linie.
[….] Eine Lockerung beim Familiennachzug würde
nicht zu weniger, sondern zu mehr Zuwanderung führen. Wir reden hier über
Menschen, die subsidiären, also klar Schutz auf Zeit genießen. Diese Menschen
sollen auch wieder zurück in ihre Heimat gehen können. Diese Rückführungen
werden durch Familiennachzug deutlich erschwert. Außerdem ist es auch ein falsches
Signal in die Welt. Alle sollten akzeptieren, dass die Integrationsfähigkeit
unseres Landes eine Grenze hat. […]
Für die CSU bedeutet „christlich“ den Menschen möglichst Leid zuzufügen und
sie unnötig schlecht zu behandeln. Deutschland soll so brutal und abschreckend sein, daß die
Menschen lieber im Meer ersaufen oder sich in nordafrikanischen Wüsten
erschießen lassen, bevor ihnen hier geholfen wird.
CSU, Sachsen-CDU und AfD regieren aber nicht, sondern
vermutlich wird bald eine Jamaika-Koalition das Bundeskabinett bilden.
Sie sollten auf Nils Muižnieks, den Menschenrechtskommissar
des Europarates hören.
[….] Für Menschen, die von ihren Familien
getrennt sind, weil sie aus ihren Heimatländern fliehen mussten und im Ausland
Schutz gesucht haben, wird die Zusammenführung mit den Verwandten oft zum
dringendsten Bedürfnis.
[…..] Zunehmend
verwehren europäische Länder jedoch geflüchteten Menschen den Familiennachzug,
obwohl dies den internationalen Menschenrechtsstandards widersprechen könnte. […..]
Subsidiär Schutzberechtigten wird Schutz
gewährt, weil sie in ihren Herkunftsländern gefährdet sind, zum Tode verurteilt
oder gefoltert zu werden. Trotzdem erhalten sie oft einen unsichereren und
kürzer befristeten Schutzstatus als jene Flüchtlinge, die unter der Genfer
Flüchtlingskonvention anerkannt wurden.
Im März 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland eine zweijährige Regelung
als Notfallmaßnahme eingeführt, welche subsidiär Schutzberechtigte darin
hindert, den Familiennachzug zu beantragen.[…..]
Solche Maßnahmen verletzen jedoch internationale
Menschenrechtsverpflichtungen und schaden letztlich der deutschen Gesellschaft
mehr, als dass sie ihr nutzen. Der Schutz der Familie ist im Grundgesetz
verankert. Dort heißt es im Artikel 6 ausdrücklich: "Ehe und Familie
stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Auch die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte legt fest, dass "die Familie eine
natürliche Grundeinheit der Gesellschaft ist und daher Anspruch auf Schutz
durch Gesellschaft und Staat hat". Ebenso verpflichtet der internationale
Pakt über bürgerliche und politische Rechte alle Staaten dazu, das
Familienleben zu schützen. Darüber hinaus verlangt die Kinderrechtskonvention
der Vereinten Nationen von allen Staaten, die von einem Kind oder seinen Eltern
gestellten Anträge auf Familiennachzug "wohlwollend, human und
beschleunigt" zu bearbeiten und das Wohl des Kindes vorrangig
zu berücksichtigen.
Das Recht auf Familienleben wird auch von der Europäischen
Menschenrechtskonvention geschützt. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte hat wiederholt erklärt, dass Menschen mit Anspruch auf
internationalen Schutz ein Recht auf Nachzug ihrer Familien durch flexible,
schnelle und effektive Verfahren haben. […..]
Die künftige deutsche Bundesregierung sollte dringend berücksichtigen, wie
kontraproduktiv die Aussetzung des Familiennachzugs für die Förderung der
Integration, die Rettung von Menschenleben und die Zerschlagung von
Schlepperorganisationen ist.
Der fehlende Familiennachzug erschwert eine erfolgreiche Integration von
Ausländern in die Gesellschaft des Aufnahmelandes erheblich. Die permanente
Angst wegen des Schicksals der zurückgelassenen Familienmitglieder behindert
das Erlernen der Sprache, die Suche nach einem Arbeitsplatz oder die aktive
Teilnahme an der Gesellschaft. Kinder, die von ihren Eltern getrennt sind,
leiden oft an vermehrtem Stress oder anderen gesundheitlichen Störungen. Dies
beeinflusst insbesondere die Leistungsfähigkeit dieser Kinder im Bildungssystem
auf negative Art und Weise. Oftmals fehlen diesen Kindern dann die notwendigen
sozialen und beruflichen Kompetenzen, um sich künftig vollständig in die
Gesellschaft zu integrieren. […..]
(Nils Muižnieks, SZ vom 24.10.2017)