Und schon wieder einmal
zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu
küren.
Warum ändert sich
eigentlich nichts an den zweifellos unhaltbar ungerechten Zuständen in
Deutschland?
Nun bekommen wir
vermutlich eine Superkoalition mit einer 80%-Sitzmehrheit im Bundestag und die großen
Baustellen der Gesellschaft bleiben weiterhin abgesperrt und vakant.
Seit mehr als zehn Jahren
wird tagtäglich in Deutschland beschrieben, wie die soziale Schere immer weiter
auseinander geht. Reiche werden rasant immer reicher, während ein fester, verschuldeter
Prekariatsbodensatz immer größer wird.
Wir wissen genau warum das
so ist; die Industriellen und Milliardäre haben exklusiven Einfluß auf die
Bundesregierung und können sich durch maßgeschneiderte Gesetze der allgemeinen
Solidarität entziehen.
Deutschland hat nach wie
vor im Gegensatz zu beispielsweise der nicht gerade als streng kommunistisch
bekannten USA kein Lobbyregister; Politikerbestechung ist im Gegensatz zu fast
allen anderen Staaten der Erde nicht strafbar und diejenigen, die ihre Einkünfte
durch NICHTSTUN generieren, einfach weil sie schon Millionäre sind und Zinsen
kassieren, zahlen weniger Steuern, als die Bürger, die durch ihr
Arbeitseinkommen leben.
All das wird auch im Falle
einer großen Koalition so bleiben. Am ungerechten und komplizierten
Steuersystem wird nicht gerüttelt werden.
Auch beim x-ten Hören wird es nicht
nachvollziehbarer: Pures Oregano, Currywurst im Stehen oder Maultiere kosten
sieben Prozent Mehrwertsteuer. Gewürzmischungen, Currywurst im Sitzen und
reinrassige Esel dagegen 19 Prozent. Der Mehrwertsteuerirrsinn steht
stellvertretend für das unübersichtliche deutsche Steuerrecht. Und die
scheidende Regierung hat den Dschungel trotz ihres wirtschaftsliberalen Rufs
nicht etwa gelichtet, sondern ihm mit der Steuerermäßigung für Hoteliers eine weitere
Verästelung hinzugefügt.
Die neue Regierung macht in bewährter
Weise weiter: Laut Koalitionsvertrag wünscht sie sich den ermäßigten Satz
künftig auch für Hörbücher und E-Books, weitere Erleichterungen sollen geprüft
werden. Hinweise auf die Streichung von unlogischen Steuerrabatten sucht man
dagegen vergebens - bekanntlich ist die Abschaffung von Wohltaten deutlich
mühsamer als ihre Einführung.
Auch sonst bleibt die einst von
Friedrich Merz geforderte Steuererklärung im Bierdeckel-Format in weiter Ferne.
So werden Kapitaleinkünfte über die Abgeltungsteuer weiterhin günstiger
besteuert als Einkommen. Die SPD wollte das ändern, die Abgeltungsteuer zunächst
anheben und dann unter Umständen zugunsten einer einheitlichen Besteuerung
abschaffen. Von diesem Plan ist im Koalitionsvertrag nichts mehr zu lesen.
Und nein, ich kann mir
nicht vorstellen, daß die gesamte SPD-Führungsriege so leicht zu kaufen ist,
daß sie all diesen Mist wegen einer 90.000Euro-Spende durchgehen läßt.
Aber warum ist die Partei
so doof überhaupt den Eindruck entstehen zu lassen? Kann man nicht so eine
Spende wenigstens ablehnen?
Mitten in den Koalitionsverhandlungen
haben CDU und SPD Spenden des Spezialchemiekonzerns Evonik erhalten. Wie auf
der Internetseite des Bundestags ausgewiesen wird, gingen am vergangenen
Freitag 90 000 Euro bei der SPD und 70 000 Euro bei der CDU ein. Die
Organisation Lobbycontrol kritisierte die Spenden. Sie seien zu einem brisanten
Zeitpunkt geflossen, an dem in den Koalitionsgesprächen entscheidende Weichen
in der Energiepolitik gestellt würden. SPD und CDU seien gefragt, «ihre
Unabhängigkeit gegenüber der Lobby der energieintensiven Unternehmen und
Kohlekraftwerksbetreiber zu beweisen», erklärte Lobbycontrol am Dienstag in
Berlin.
Die massiven Makel des
Koalitionsvertrages insbesondere im gesellschaftspolitischen Bereich hatte ich schon mehrfach angesprochen:
Keine Finanzierungspläne, lange Übergangsfristen,
keine Transparenz, keine Reform der Unternehmens- oder Mehrwertsteuer,
Rentenerhöhung einseitig zu Lasten der gesetzlich Angestellten, keine Reformen
im Gesundheitssystem, keine Steuererhöhungen für Millionäre, kein
Rüstungsexportstopp, keine humanere Entwicklungshilfepolitik, keine Deckelung
von Managergehältern, keine Bafög-Reform, 400.000 Privatversicherte, die de
facto keine Versicherung mehr haben, weil sie sich die Rasant steigenden
Beiträge nicht mehr leisten können werden einfach im Stich gelassen und bei den
Minderheiten sieht es noch dürftiger aus: Flüchtlinge und Asylanten werden im
Stich gelassen, es gibt keine rechtliche Gleichstellung von Schwulen und obwohl
Gabriel und Co werbewirksam aufsagen „die doppelte Staatsbürgerschaft kommt!“,
kommt diese eben NICHT.
Wer älter als 23 ist
- ich bin selbst ganz knapp drüber – muß Ausländer bleiben und ist in
Deutschland nicht willkommen.
Ich komme zurück auf den
Titel dieses Postings:
Zur Impudenz des Monats
November erkläre ich die DEUTSCHE SATURIERTHEIT!
Die Deutschen sind immer
so verdammt zufrieden. Zufrieden mit den Umständen, zufrieden mit dem System
und noch viel zufriedener mit ihrer persönlichen Situation.
Was schon im Sommer,
einige Monate vor der Wahl beschrieben wurde, gilt anschließend erst recht.
Vor der anstehenden Bundestagswahl ist
die Zufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen besonders ausgeprägt.
Vergeblich sucht die Opposition nach dem Thema, mit dem sich das ändern ließe. [….]
In diversen Umfragen zur Stimmungslage
der Nation kristallisiert sich seit einiger Zeit die Zahl 75 heraus. 75 Prozent
der Deutschen sind mit ihren ökonomischen Perspektiven zufrieden.
Bezeichnenderweise ist die Zustimmung zur Arbeit der Kanzlerin ähnlich hoch.
Ihre Popularität reicht bis weit ins Lager der Opposition. Der Slogan
"mehr Gerechtigkeit" könnte glatt von ihr stammen. Die Vorstellung,
die Wähler könnten Angela Merkel am 22. September auffordern, das Kanzleramt zu
räumen, drängt sich also nicht gerade auf. [….] Tatsächlich passt die maue
Vorstellung der Parteien zum dürftigen Interesse der Gesellschaft. Denn es ist
ja nicht so, dass die Bundesbürger nach politischer Debatte und komplexen
Problemlösungen gierten, dass sie sich von den Parteien unterfordert fühlten
und deshalb an der etablierten Politik vorbei sprühende Kontroversen
anzettelten. Um allein den Parteien den tristen Wahlkampf anzulasten, müsste
sich die Öffentlichkeit selbst wacher und interessierter zeigen. Doch für einen
spannenden Wahlkampf fehlen nicht nur die politischen Akteure, sondern es fehlt
auch der gesellschaftliche Adressat. Die Republik wirkt satt und sorglos. Zu
satt für die leidenschaftliche politische Auseinandersetzung.
[….]
Hierzulande formuliert Merkel heute keine
einzige unpopuläre Maßnahme, durch die der Staat handlungsfähiger, die soziale
Sicherung zukunftsfester oder das Steuersystem "einfacher und
gerechter" gestaltet werden könnte. [….] Der begrenzte Horizont, ein gewisses Desinteresse an der Welt, auch
das war nicht immer so ausgeprägt wie im Jahr 2013. 1998 ging es im deutschen
Wahlkampf nicht nur um den Reformstau und das Ende der Ära Kohl, es ging auch
um die Lage im ehemaligen Jugoslawien, im Kosovo und darum, was der Konflikt
für die nächste Bundesregierung bedeuten könnte. 2002 drehte sich die Debatte
nicht nur um die deutsche Krise, sondern zwangsläufig um islamistischen Terror,
die Afghanistanmission und um den heraufziehenden Irakkrieg. [….] Heute, am Vorabend der Bundestagswahl,
präsentiert sich die Republik problemfern und selbstbezogen wie lange nicht mehr.
Die Anstrengungen, die jetzt nötig wären, um den ökonomischen Erfolg nachhaltig
zu machen, bestimmen die politische Debatte ebenso wenig wie die internationale
Verantwortung, die aus der neuen Stärke erwächst. Es wirkt, als hätten sich die
Deutschen mit ihren Parteien darauf verständigt, das Wichtige erst einmal
auszuklammern. Saturiert verschwindet die Republik in die Sommerpause.
Mitleid ist nicht sehr
weit ausgeprägt in Deutschland; man spendet prozentual viel weniger als die
Briten oder Amerikaner. Hilfsbereitschaft wird ganz klein geschrieben. Man
genügt sich selbst.
Die mediale Hofberichterstattung der deutschen
Presse, der kontinuierliche Kotau der Hauptstadtpresse vor der
Kanzlerin rundet das Bild ab.
Selbst ein vollkommen unambitionierter
„wir-klammern-alle-Probleme-aus“-Koalitionsvertrag wie der nun Vorliegende läßt
die Großschreiberlinge jubilieren. Im durchaus als seriös und liberal geltenden
Tagesspiegel hebt man die Daumen und buckelt vor Merkel
Auch wenn sie sich den Triumph nicht
anmerken lässt: Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen klug verhandelt.
Jetzt hat sie nicht nur die Wahl gewonnen - sondern auch alle Chancen, dass
ihre CDU aus diesem Bündnis fröhlicher herauskommt, als sie hineingeht.
[….]
Tatsächlich hat Merkel klug ge- und
verhandelt. Sie wusste, sie hatte die Wahl gewonnen, aber nicht die Macht. Die
Macht hat ihren Preis. Der Preis bemisst sich in Fairness-Punkten. Deshalb
findet Gabriel sehr viele SPD-Überschriften aus seinem Wahlprogramm im
Koalitionsvertrag wieder. Und auch im Kabinett wird die SPD gewiss ganz gut
vertreten sein. Das ist für manche
CDU-Politiker schwer zu verdauen, die am liebsten nach der Wahl auch noch die
Koalitionsverhandlungen krachend gewonnen hätten. Aber wo eine Regierung endet,
die mit der Demütigung des kleineren Partners anfängt, haben wir die
vergangenen vier Jahre lang erleben dürfen. […Merkel] hat dafür für ihre Europapolitik alle
Beinfreiheit erhalten, die sie braucht, in der Finanzpolitik den Ruf der
schwäbischen Hausfrau bis auf Weiteres gewahrt und viele der SPD-Projekte um
kleine, aber nicht unwichtige Elemente entschärft. Da kann es der CDU-Chefin
egal und in manchen gesellschaftspolitischen Fragen sogar recht sein, wenn ihre
dritte Koalition auch sozialdemokratische Politik macht. Die SPD wird ihr da
noch viel Arbeit abnehmen, die sie sonst in der CDU selbst hätte leisten
müssen. Nach einem Mindestlohn rufen ja längst auch viele Wirtschaftszweige,
die sich gegen Dumping-Konkurrenz behaupten müssen. Der bisherige Optionszwang
im Staatsbürgerrecht taugt nicht dazu, Integration zu erzwingen, sondern
erschwert sie. [….]
Deutsche Denkfaulheit und
versagenden Presse ergibt in Kombination mit der penetranten Grundsaturiertheit
die Zustimmungswerte, die alle Umfragen derzeit wieder messen.
Selbst bei den
SPD-Anhängern sind 75-80% voll zufrieden mit den dürftigen Vereinbarungen der
großen Koalition und der Aussicht auf ewig Merkel als Kanzlerin zu behalten.
Die
SPD-Wähler wollen ein "Ja"
Eine Mehrheit der Deutschen will, dass
die SPD-Basis dem von Union und Sozialdemokraten ausgehandelten
Koalitionsvertrag zustimmt. In einer repräsentativen Umfrage von infratest
dimap für den Bericht aus Berlin sprachen sich 66 Prozent der Befragten dafür
aus, nur 22 Prozent sind der Meinung, die SPD sollte den Vertrag nicht unterschreiben.
Unter den SPD-Anhängern ist die
Zustimmung noch deutlicher: Hier sprechen sich 75 Prozent für ein
"Ja" zu dem Vertrag aus, 18 Prozent für ein "Nein".
Die Kollegen von der
Forschungsgruppe Wahlen sehen es ähnlich.
Mit den von Union und SPD vereinbarten
Koalitionsvorhaben ist eine Mehrheit von 52 Prozent insgesamt eher zufrieden,
darunter 65 Prozent der CDU/CSU-Anhänger und 64 Prozent der SPD-Anhänger. Gut
ein Viertel (26 Prozent) der Deutschen äußert sich negativ und 22 Prozent können
dies nicht beurteilen. Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen finden jetzt
50 Prozent eine Große Koalition gut (Nov. I: 44 Prozent), 31 Prozent lehnen sie
ab (Nov. I: 34 Prozent) und 15 Prozent ist es egal (Nov. I: 19 Prozent).
Im Einzelnen befürworten 82 Prozent die
Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro (dagegen:
16 Prozent), eine Autobahn-Maut für alle Pkw, bei einer entsprechenden
Entlastung für Autohalter im Inland, unterstützen 68 Prozent (dagegen: 29
Prozent) und 56 Prozent begrüßen die dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft für
in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern (dagegen: 38 Prozent).
Weiter sprechen sich 90 Prozent für eine abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45
Beitragsjahren (dagegen: neun Prozent) und 86 Prozent für eine Besserstellung
von Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden (dagegen: neun Prozent), aus. […]
Die meisten Befragten (64 Prozent)
bewerten es positiv, dass bei der SPD die Mitglieder darüber entscheiden, ob
die Partei eine Regierung mit der CDU/CSU bildet oder nicht. 31 Prozent finden
das schlecht. Dabei erwarten fast drei Viertel (73 Prozent), dass das Votum für
den ausgehandelten Koalitionsvertrag ausfällt, nur 18 Prozent rechnen mit einer
Ablehnung.
Auch
ein Großteil der Anhänger der SPD (80 Prozent) ist davon überzeugt, dass die
SPD-Mitglieder zustimmen werden (stimmen dagegen: elf Prozent). Sollte
es am Ende doch nicht zu einer Großen Koalition kommen, dann würden mit 52
Prozent die meisten eine Neuwahl vorziehen, 23 Prozent wünschten sich in diesem
Fall eine schwarz-grüne und 19 Prozent eine rot-rot-grüne Bundesregierung.
Also liebe Piraten, wer
bei diesem Volk auf mehr plebiszitäre Elemente setzt und seinen Ärger über die
etablierten Politiker in mehr Volksbefragungen sublimieren will, ist gehörig
auf dem Holzweg.