Montag, 23. Oktober 2017

Mr. 100% und das Personal.



Es gibt schon Gründe weswegen Klaus von Dohnanyi von den SPD-Linken leidenschaftlich verachtet wird.
Mit seiner Anregung Martin Schulz solle seinen Hut nehmen, trug er vermutlich dazu bei, daß genau das nicht passierte.
Der „Neuanfang“ der SPD sollte nicht so aussehen, als springe man auf Kommando eines ausgewiesenen Merkel-Freundes und Grünen-Hassers.

Schulz hatte im Wahlkampf so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Seinen Mut entdeckte er dann aber pünktlich nachdem die Wahllokale geschlossen waren. Raus aus der Koalition. Parteivorsitz sichern.

Nicht begriffen hatte der Kanzlerkandidat allerdings, daß es ein Fehler war nicht vorher Vizekanzler und Minister zu werden, so daß er auch Augenhöhe von Merkel agieren können hätte.
So blieb ihr die Möglichkeit ihm auszuweichen und Schulz verzwergte sich zusätzlich, als er jammernd auf ein zweites TV-Duell bestand, weil er leider vergessen hätte beim Ersten alles zu sagen.
So begab er sich erneut in eine Merkel untergeordnete Rolle, statt sie als Regierungsmitglied zu fordern.
Nun schrumpfte die SPD bei der Wahl, verlor die Regierungsbeteiligung und alle Ministerposten.
Umso wichtiger wäre es gewesen die weniger gewordenen Posten auf eine Person zu konzentrieren.
Ob Schulz diesen Zusammenhang überhaupt begriffen hat, ist unklar.
Er vergab aber leichtfertig den enorm einflussreichen Posten des Oppositionsführers im Bundestag an Andrea Nahles, statt selbst zuzugreifen.
Entweder weil er immer noch nicht verstanden hat wie Machttaktik funktioniert, oder weil er sich schon zu schwach fühlte Oppermann den Fraktionsvorsitz zu entreißen.
Man kann auch dafür argumentieren, Partei- und Fraktionsvorsitz zu trennen.
In dem Fall müsste es aber ein guter und fähiger Fraktionsvorsitzender sein und das Nominierungsverfahren sollte von den Abgeordneten akzeptiert werden.
Schulz versemmelte aber beide Punkte, indem er eine stramm religiöse Frau nominierte, die seit 22 Jahren in der Parteispitze beweist, daß sie es nicht kann und diese Personalie per order die mufti durchsetzte.
Entschieden wurde im Hinterzimmerdeal, die neu gewählten SPD-Volksvertreter erfuhren morgens aus der Zeitung für wen sie als Fraktionsvorsitzender zu stimmen hätten.
Nun also die SPD-Generalsekretärin von 2009-2013, die schon einmal demonstrierte, daß sie „Neuanfang“ nicht kann.

(…..)  Unglücklicherweise ist Nahles aber Nahles, eignet sich also nicht zu intellektueller Grundsatzarbeit. Sie konnte sich nicht gegen Gabriel durchsetzen, ließ die programmatischen Baustellen liegen, konnte nie klar formulieren.
Sie scheiterte daran Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, legte sich unnützerweise mit den Säkularen an, indem sie einen laizistischen Arbeitskreis in der SPD verbieten ließ, griff die CDU nicht an, förderte keinen innerparteilichen Diskurs, schaffte keine neuen Strukturen in der Partei, erkannte nicht die Möglichkeiten des Internets, umschiffte in der Bevölkerung populäre Themen wie Patientenverfügung und Sterbehilfe, weil sie nicht über ihren eigenen stramm religiotischen Tellerrand gucken konnte, verpennte den 2013ner Wahlkampf total, war nicht mal über den Kandidaten eingeweiht und bescherte uns den dummerhaftesten Slogan aller Zeiten – das WIR entscheidet – einem von einer ausbeuterischen Zeitarbeitsfirma geklauten Spruch.

Bei der Bundestagswahl von 2013 vergrößerte sich dann der Abstand von der CDU zur SPD.
Man holte wieder die alten Säcke in die Groko Merkel II, Nahles selbst ging in die Regierung, ließ aber den lieben Gott einen guten Mann sein.
Zu den ganz drängenden Fragen der vergangenen Legislatur – Flüchtlinge, Grenzen, Abschiebungen, Pegida, AfD, Rassismus, brennende Asylunterkünfte – tauchte Nahles ab, äußerte sich nie, während Kollege Heiko Maas ständig für humanistische Werte in die Bresche sprang. (….)

Aus unerfindlichen Gründen begeistert sich Schulz immer noch für Hubertus Heil, der persönlich ein integrer Mann ist, aber nun schon zweimal als SPD-Generalsekretär einen Bundestagswahlkampf so völlig an die Wand fuhr, daß er das schlechteste und das zweitschlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten holte.
Nach der Niedersachsenwahl demonstrierte Heil in der Berliner Runde erneut, was er nicht kann.

(….)   Es bleibt ein Würselener Geheimnis, weshalb Schulz auf den Gedanken verfiel, genau diesen Mann, der seine völlige Unfähigkeit als Wahlkampfleiter bereits bewiesen hatte, zum Chef seiner 2017ner Kampagne zu berufen.

(….) Hier verließ die Genossen leider das Händchen. Ausgerechnet während ihr „Schulzzug“ auf das Abstellgleis rattert, holt sich Herr Schulz dreieinhalb Monate vor der Bundestagswahl den denkbar ödesten Kandidaten, der zudem auch noch bewiesenermaßen Wahlkampf nicht kann.
Hubertus Heil, der niedersächsische Phlegmat, der schon für die trüben Bärtigen (Beck und Platzeck) Wahlen verlor, wird jetzt die neue Barely.

[….] Als Generalsekretär kehrt Heil zurück ins Willy-Brandt-Haus. In die Parteizentrale hatte ihn 2005 der SPD-Chef Matthias Platzeck schon einmal geholt. [….]  Die Aufregung war bis zum Parteitag nicht verflogen: Heil hielt eine denkwürdig schlechte Rede und fuhr mit 61,7 Prozent ein ebenso denkwürdig mieses Ergebnis ein.
[….] Nach Gabriels Wechsel ins Auswärtige Amt wäre Heil ein möglicher Nachfolger im Wirtschaftsministerium gewesen - und wurde wieder nichts.
[….] Immerhin ist jetzt überhaupt mal jemand an führender Stelle in der SPD, der Erfahrung mit einem Bundestagswahlkampf hat. Auch wenn es bei Heil der von 2009 war. An dessen Ende landete die SPD bei 23 Prozent. […]

23% also. Offensichtlich ist das die Zielmarke, die #Chulz anstrebt.
So ist das als SPD-Mitglied. Kaum macht die Partei mal etwas halbwegs Vernünftiges, haut irgendein Spitzengenosse was richtig Kontraproduktives raus. (…..)

Als er berufen wurde, erklärte Heil, er habe aus seinen 2009er Fehlern gelernt und werde es besser machen.
Seitdem habe ich nie wieder was vom ihm gehört. Offensichtlich suchte er sich im Willy-Brandt-Haus ein gemütliches Plätzchen und schlummerte in einen tiefen vorgezogenen Winterschlaf – wohlwissend, daß er als Sündenbock nach der Wahl ohnehin gefeuert wird. Aber das macht nichts, denn über einen sicheren Listenplatz wird er weiterhin Bundestagsabgeordneter sein und mutmaßlich SPD-Wahlkampfmanager 2021 oder 2025 werden.

Heil sollte aber neuer Fraktionsgeschäftsführer von Schulz‘ Gnaden werden.
Johannes Kahrs‘ Seeheimer grätschten dazwischen, kickten Heil aus dem Rennen und installierten ihren Carsten Schneider als Nahles-Aufpasser.

Kahrs ist ebenfalls ein problematischer Abgeordneter, aber in diesem Fall bin ich ihm dankbar Schlimmeres verhindert zu haben.

Die Schulzsche Führungsunfähigkeit zeigte sich aber anschließend umso frappierender, weil die Linken in der SPD-Fraktion in ihren gewohnten Hühnerhaufenmodus verfielen und sich bei der Hauptstadtpresse bitterlich über Kahrs beklagten, dessen Seeheimer fraktionsintern eine Minderheit stellten.
Mimimi, immer setzt der sich durch.

Das Problem ist doch offensichtlich, daß Kahrs Politik kann und es versteht Mehrheiten zu organisieren, während Nahles‘ Linke dazu zu blöd sind.
Politik bedeutet eben auch sich im parlamentarischen Alltag durchzusetzen und zu vernetzen. Nahles Epigonen könnten da einiges von Kahrs lernen, ziehen es aber vor sich ausmanövrieren zu lassen, um sich dann anschließend bitterlich zu beschweren.

Während nun die SPD-Granden wie Ralf Stegner im Frühstücksfernsehen erklären, es ginge bei der Erneuerung der SPD um Inhalte und nicht um Personal, versagen Nahles und Schulz auf offener Bühne dabei.
Das Personalkarussell dreht sich munter. Mehrere verdiente Leute werfen frustriert hin und gegenwärtig sind alle beschädigt und zusätzlich geschwächt, weil die Parteiführung weder in der Lage ist ein geordnetes Verfahren durchzuführen, noch verhindern kann, daß interne Debatten dauernd an die Presse durchgestochen werden.

Der Zwischenstand:

1.)
Der konservative Seeheimer und Niedersachse Lars Klingbeil soll neuer SPD-Generalsekretär werden.

2.)
Der bisherige Fraktionschef Thomas Oppermann, 63, musste ja irgendwie versorgt werden, also hievte man ihn auf den Posten des Bundestagsvizepräsidenten. Natürlich auch ohne vorher zu diskutieren, ob Oppermann geeignet ist und ohne abzuklären, ob es andere Kandidaten gibt. Die gab es mit Christine Lambrecht und Ulla Schmidt. Beide Frauen zogen aber zurück, um Schulz und Nahles nicht total zu blamieren.
Am Ende erhielt Oppermann als einziger Kandidat ein grottenschlechtes Ergebnis mit 90 von 146 gültigen Stimmen; 56 der eigenen Leute konnten sich nicht durchringen ihn zu unterstützen.

3.)
Die genervte Partei-Geschäftsführerin warf hin.

[….] Die SPD-Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert gibt ihren Posten auf. Sie kündigte bei Beratungen der SPD-Spitze ihren Rückzug an. "Nach den Vorkommnissen der vergangenen Woche sind für mich die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, die ich brauche, um für die großen vor uns liegenden Aufgaben einen guten Beitrag leisten zu können", sagte Seifert. [….]

4.)
Als Trostpflaster für die Linken und die Frauen, wollte Schulz so großzügig sein Noch-Juso-Chefin Johanna Uekermann zur neuen Bundesgeschäftsführerin zu machen, vergaß aber sie vorher zu fragen.
Die Personalie sickerte durch und Uekermann gab Schulz einen Korb.

Die ohnehin genervte Linke hat nun lauter rechte Männer vor die Nase gesetzt bekommen:
Der neue Fraktionsgeschäftsführer Schneider, der neue Generalsekretär Klingbeil, Parteichef Schulz und der neue Bundestagsvizepräsident Oppermann sind alles Seeheimer.
Mit Klingbeil und Oppermann stiegen zudem erneut zwei der ohnehin überrepräsentierten Niedersachsen auf.

Frauen wurden gar nicht berücksichtigt.

Schulz steht vor einem Scherbenhaufen.
Um Inhalte geht es natürlich nicht.
Dafür bietet die SPD mehr Personalgerangel, Proporzdenken und parteiinterne Kabale, die nur Beschädigte zurücklässt.