Auch wenn Angela Merkel
sich öffentlich nie äußert und politisch vollkommen inaktiv scheint, so
bedeutet das nicht, daß ihre Kanzlerschaft keine Konsequenzen hat.
Auch nach der blamablen
Selbstauflösung der Industrielobbygruppe F.D.P. als Koalitionspartner sorgt die
CDU-Chefin für die buchstabengetreue Wunscherfüllung der Wirtschaftsinteressen.
Gesundheit, Umwelt oder
gar soziale Fragen haben dahinter gefälligst zurück zu stehen.
Deswegen läßt Angela
Merkel jetzt Genmais nach Europa.
Herr Gröhe, Frau Wanka und
Frau Merkel wollen den Genmais, weil die extrem finanzstarken Multis das von
ihnen verlangen.
Angela Merkel lässt
Genmais auf Europas Äckern säen.
Mit einer „Mehrheit“ von 5:19
Stimmen macht es die EU möglich.
Der französische Europaminister Thierry
Repentin versuchte es noch mit einer Portion Galgenhumor – und ließ sich eines
dieser Brüsseler Wortungetüme auf dem Mund zergehen wie ein butterbeschmiertes
Croissant. „Umgekehrte qualifizierte Mehrheit, hmmhh...“, rief er seinen
Kollegen im Ministerrat zu und wünschte ihnen viel Spaß bei dem Versuch, den
Wählern zu erklären, dass da der Anbau eines höchstumstrittenen Produkts, der
Anbau von Genmais 1507, durch „eine umgekehrte qualifizierte Mehrheit“
angenommen wurde. Was heißt: Genmais 1507 wurde angenommen, obwohl sich eine
fast schon erdrückende Mehrheit von Mitgliedsstaaten im Kreis der Fachminister
dagegen ausgesprochen hatte.
In der Tat gab es im „Allgemeinen Rat“
eine sogar hochemotionale Debatte über die Frage, ob der Genmais 1507 nun
angebaut werden darf oder nicht. Letztlich erklärten nur fünf von 28 Ländern
ausdrücklich, dafür zu sein: Initiatorin Spanien, Großbritannien, Estland sowie
Schweden und Finnland, also zwei nordische Länder, die wegen klimatischer
Bedingungen für Maisanbau eher nicht infrage kommen. Aber es gab eben auch
keine Mehrheit dagegen, denn Deutschland und drei weitere Länder (Portugal,
Belgien, Tschechische Republik) enthielten sich. 19 ist sozusagen weniger als
fünf plus vier.
(Javier
Cáceres, SZ vom 12.02.2014)
In Brüssel war eine
Mehrheit der EU-Länder gegen die Genmais-Zulassung; aber ohne das enorme
Stimmengewicht Deutschlands reichte es nicht zu einem Verbot.
Deutschland enthielt sich
bei der Abstimmung und so dürfen nun gentechnisch veränderte Pflanzen bei uns
angebaut werden.
Die Multis sind beglückt
von ihrer Kanzlerin.
Lobbyisten-Verband
hofft auf Genmais-Anbau
Der Gentechnik-Verband Innoplanta aus
Sachsen-Anhalt hat die mögliche Zulassung für den Anbau von Genmais in der EU
begrüßt. Innoplanta-Pflanzenforscher Uwe Schrader sagte MDR SACHSEN-ANHALT:
"Offenbar ist noch nicht alles verloren. Es wird allerhöchste Zeit, dass
Gen-Mais nach jahrelangem Import endlich auch in der EU wachsen kann."
Danke Merkel!
Aber ab jetzt möchte ich
bitte nie wieder aus dem Mund eines CDU-Politikers irgendetwas über „die
Bewahrung der Schöpfung“ oder „Respekt vor dem Leben“ hören.
Also ab sofort gefälligst Ruhe
auf der CDU-Bank wenn es um Sterbehilfe, Patientenverfügung, Pille danach oder
Schwangerschaftsabbruch geht.
Daß der Union das Leben,
so wie es „Gott gegeben hat“ eben nicht heilig ist, hat sie - wieder einmal – eindrucksvoll bewiesen.
Zum Ergebnis der heutigen Abstimmung
über die Genmais-Anbauzulassung im EU-Ministerrat erklärt Harald Ebner,
Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik:
Die Regierung Merkel hat heute ein
klares Nein Europas gegen den Genmais verhindert. Dabei wäre mit eindeutigem
Willen und begleitender EU-Diplomatie eine Ablehnung im EU-Ministerrat möglich
gewesen. Offenbar waren Merkel und Co. die Rücksicht auf die Gentech-Lobby und
gute Stimmung für die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA
wichtiger als die Interessen der Menschen in Europa. […] Genmais wird nicht an Landes- oder Staatsgrenzen
haltmachen, weil Pollen, Bienen und andere Insekten sie überqueren. Ein
Flickenteppich aus regionalen Anbauverboten wäre nur ein brüchiger Notnagel und
garantiert keinen Schutz vor gentechnischen Verunreinigungen.
[….]
Die Tür für die Gentechnik auf Europas
Äckern ist heute geöffnet worden. […]
(Grüne,
PM Nr. 0114-14 vom 11.02.2014)
Und die SPD?
Immerhin auch Mitglied der Bundesregierung.
Immerhin auch Mitglied der Bundesregierung.
Der Sachverhalt ist
einfach: CDU wollte unbedingt Genmais, CSU und SPD waren dagegen. Aber nicht so
sehr dagegen, daß sie deswegen die Koalition hätten platzen lassen. Der
Koalitionsfrieden ist das wichtigere Gut der SPD. Also tat man das was auch Bundesländer-Regierungen
im Bundesrat tun, wenn die sie tragenden Parteien unterschiedlicher Meinung
sind: Enthalten.
Der Vorwurf des BUND an
die Bundesregierung, beim Verbraucher- und Umweltschutz total zu versagen
stimme, räumte die SPD-Verbraucherschutzexpertin Elvira Drobinski-Weiß
freimütig ein.
Ja, man hätte natürlich
auch einem oppositionellen Antrag zustimmen können, aber man dürfe eben auch nicht
gegen die eigene Koalition stimmen.
Zwar hatten das SPD-geführte
Wirtschaftsressort und das CSU-geführte Agrarministerium zuvor ihre Ablehnung
deutlich gemacht. Doch neben Bundesforschungsministerin Johanna Wanka und
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU) sei auch Kanzlerin Angela Merkel
aufgeschlossen für die Neuerung, sagte SPD-Verbraucherpolitikerin Elvira
Drobinski-Weiß im ARD-Morgenmagazin: "Die Kanzlerin will den
Genmais." Mit der Enthaltung habe sich die Regierung schließlich auch dem
Druck der einflussreichen Nahrungsmittelhersteller gebeugt. Der Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland (BUND) habe recht, wenn er der Regierung Versagen
vorwerfe, sagte sie weiter.
Das heutige Abstimmungsverhalten von
Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich in Sachen
Pioneer-Genmais-1507-Zulassung ist für den Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) nicht nachvollziehbar.
"Die Bundesregierung hat auf ganzer
Linie versagt. Obwohl überwältigende Mehrheiten der Verbraucher und der
Bundesländer Gentechnik in der Landwirtschaft ablehnen, obwohl die SPD und
große Teile der CSU, das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium
gegen den Anbau des Genmais 1507 sind, stimmte Deutschland in Brüssel nicht
dagegen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
"Das ist ein Armutszeugnis für die
Große Koalition und ein Affront gegenüber allen Verbraucherinnen und
Verbrauchern, die Gentechnik auf Äckern und Tellern ablehnen", so Weiger. Der BUND-Vorsitzende warf Agrarminister
Hans-Peter Friedrich eine Täuschung der Öffentlichkeit vor: "Das
Friedrich-Versprechen von nationalen oder bundesländerbezogenen
Genmais-Verboten ist eine Mogelpackung. Dafür gibt es auf EU-Ebene keinerlei
rechtliche Grundlage. [….]
Und nun?
Gen-Mais ist umstritten – nicht weil er
Menschen, sondern weil er manchen Insekten schaden könnte
[….] Die
Bausteine, die den Mais 1507 zu etwas Besonderem machen, sind zwei zusätzliche
Gene. Beide stammen aus Bakterien, die im Boden leben. Ähnlich wie in der Sorte
Mon 810 produziert eines davon ein Eiweiß, das giftig ist für Schmetterlinge
und Motten. Das macht die Pflanzen resistent gegenüber dem Maiszünsler. Die
Raupen dieses Schmetterlings vernichten nach Schätzungen der
Welternährungsorganisation weltweit vier Prozent der Maisernte. Bekämpfen
lassen sie sich mithilfe eines Giftes, das die Mikrobe Bacillus thuringiensis
(Bt) produziert. Das Toxin kommt nicht nur in Gentech-Pflanzen zum Einsatz:
Bauern spritzen es auch auf Feldern mit konventionell gezüchtetem Mais, und
sogar im Biolandbau wird es verwendet.
Das zweite Mikroben-Gen dient lediglich
als technisches Hilfsmittel. Es zeigt an, ob eine 1507-Maispflanze die
Erbanlage für das Bt-Gift auch tatsächlich eingebaut hat. Die andere
Eigenschaft dieses Hilfs-Gens, nämlich das Getreide resistent gegen das
Unkrautmittel Glufosinat zu machen, spielt keine Rolle.
Streit verursacht der Gen-Mais vor allem
wegen der Frage, ob das Getreide auch Insekten schaden kann, die gar nicht
bekämpft werden sollen. Tatsächlich wirkt das Gift nicht nur auf den
Maiszünsler, sondern auch auf andere Schmetterlinge. [….] Manche derjenigen, die vom EU-Entscheid direkt
betroffen sind wie der Deutsche Bauernverband, sehen jedoch noch einen anderen
Grund zur Skepsis. „Egal, was der neue Mais angeblich alles kann oder nicht:
Schon allein aus Haftungsgründen können wir keinem Landwirt raten, gentechnisch
veränderte Pflanzen anzubauen“, sagt ein Sprecher des Verbands. „Sollte nämlich
ein benachbarter Landwirt, der konventionellen Mais anbaut, auch nur den Hauch
einer Vermischung mit gentechnisch veränderten Pflanzen feststellen, kann er
Schadenersatz verlangen. Dieses Risiko ist völlig unkalkulierbar – und kann
daher existenzbedrohend sein.“ [….]
Merkel agiert erstaunlich
gelassen angesichts der fast 90% großen ablehnenden Majorität der Deutschen. Nun
läßt sie nach der Almflora-Kartoffel und der MON810 die dritte genetisch
manipulierte Pflanze in Europa zu.
Ist der Druck der
Gentech-Lobby wirklich so groß?
Unklar. Aber Merkels
Einsatz pro Genmais hat für sie einen zweiten Vorteil: sie kann Deutschland
damit auch in Richtung Chlorhühnchen steuern. Es geht um das viel wichtigere
Freihandelsabkommen mit den USA, welches sie zur Profitmaximierung der Agrar- und
Nahrungsmittelmultis unbedingt umsetzen möchte.
Die NSA-Aktivitäten hatten
die Stimmung zwischen EU und USA nicht gerade verbessert. Statt sich aber gegen
die USA zu wehren, kriecht Merkel der amerikanischen Lobbyisten noch tiefer in
den Mastdarm. Das Freihandelsabkommen würde nämlich viele Europäische Verbraucherschutzrichtlinien
zerschmettern. Es würde amerikanische Produkte wie das berühmte Chlor-Huhn nach
Europa schicken. Die strengeren Lebensmittelreinheitsregeln in Deutschland
wären weggefegt – Dank Deutschlands allseits so beliebten Kanzlerin mit ihren
75%-Zustimmungswerten.
Danke Urnenpöbel.
„Die
Debatte zum Gentech-Mais zeigt deutlich, dass das EU-Recht geändert werden
muss. Es entspricht nicht den anerkannten Anforderungen an eine Bewertung
gesundheitlicher und ökologischer Risiken und muss dringend qualifiziert
werden. Langzeitstudien, transparente wissenschaftliche Daten, unabhängige
Untersuchungen und die Erhebung sozio-ökonomischer Kriterien fordert DIE LINKE
seit Jahren“, so Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion DIE
LINKE, anlässlich des aktuellen Zulassungsverfahrens zum Anbau des transgenen
Mais‘ 1507. Tackmann weiter:
„Es ist ein verheerendes Signal, dass
gerade Merkels Enthaltung maßgeblich zur Zulassung beiträgt. Offensichtlich will die Bundesregierung
gleichzeitig damit auch die Hürden für das Freihandelsabkommen senken.
Die Forderung von Agrarminister
Friedrich an die Bundesländer, ihrerseits den Anbau zu verbieten ist unseriös,
weil diese Option (Opt-Out-Klausel) noch gar nicht in der EU beschlossen ist,
und untauglich, weil ein Flickenteppich ökologisch riskant und seine Kontrolle volkswirtschaftlich
teuer ist.