Donnerstag, 6. Juli 2023

Glück im Unglück

So deprimierend die generelle Entscheidungsunfähigkeit der deutschen Politik auch ist; das parteipolitische Gezanke und die Kirchenlobbyhörigkeit kann auch ein Segen sein, wenn auf diese Weise falsche Entscheidungen blockiert werden.

Bei Sterbehilfe und Patientenverfügung treffen deutsche Bundestagsabgeordnete seit Jahrzehnten stets nur menschenfeindliche Regelungen. Auch heute drohte bei der Abstimmungen zum selbstbestimmten Lebensende eine deutliche rechtliche Verschlechterung. Aber die konservativ-christliche Lobby scheiterte, weil sie sich nicht einig war.

Der mit Strafrecht operierende Castellucci-Entwurf bekam 304 Stimmen, während der liberalere, auf Beratung setzende Künast-Entwurf 287 Jas erhielt. Da aber die AfD-Faschisten alles ablehnten, gab es keine absolute Mehrheit.

[…..] Deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch brachte es immerhin fertig, die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass es ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf einen selbstbestimmten Tod gebe, rundweg abzulehnen: »Das sind nicht meine Werte, Anfang und Ende des Lebens liegen allein in Gottes Hand.«  [….]

(Dietmar Hipp, 06.07.2023)

Eine enorme Anzahl der Parlamentarier bekennt sich also weiterhin zu einer maximal sadistischen Haltung, die unter brutalsten Schmerzen und unerträglichen Umständen Leidenden Jahrelange Folter beschert.

[…..] Die FDP-Politikerin [Katrin Helling-Plahr] ist Fachanwältin für Medizinrecht. Ihre Haltung zum Thema Sterbehilfe verdeutlicht sie mit Schicksalen, die sie in ihrem Berufsalltag miterlebt habe.  Sie verweist auf schwer kranke Menschen, die sich an das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn gewandt hätten, um Betäubungsmittel zur Selbsttötung erhalten zu dürfen. Alle Anträge seien abgelehnt worden. Diese Menschen seien allein gelassen worden, so Helling-Plahr. Sie wirbt für eine gesetzliche Regelung, die Sterbehilfe ermöglicht. Ärzte sollen demnach Volljährigen Arzneimittel zur Selbsttötung verschreiben dürfen - nach einer Beratung und grundsätzlich außerhalb des Strafrechts geregelt. [….]

(Tagesschau, 06.07.2023)

Der Sadismus des SPD-Abgeordneten Lars Castellucci (evangelisch), des FDP-Parlamentariers Benjamin Strasser (römisch-katholisch), und des CDU-Mannes Ansgar Heveling (römisch-katholisch), alle drei, wir ahnten es, engagierte Religioten, bekam die meisten Stimmen, aber keine absolute Mehrheit.

Glück gehabt.

[….] Der Zentralrat der Konfessionsfreien begrüßt die heutige Ablehnung des Deutschen Bundestags beider Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe. Dazu hatte der Zentralrat die Abgeordneten mehrfach aufgerufen. "Damit bleibt der freiheitliche Geist des Urteils vom Bundesverfassungsgericht voll erhalten", freut sich der Vorsitzende Philipp Möller. 

Nach der heutigen Abstimmung des Bundestags über eine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe zeigt sich der Zentralrat der Konfessionsfreien erleichtert. "Nach dem weitreichenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 haben wir eine erneute Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts befürchtet", sagt Philipp Möller. "Die Mehrheit der Abgeordneten hat offenbar verstanden, dass die Suizidhilfe momentan sehr gut geregelt ist – und genau dabei soll es auch bleiben."  [….]

(hpd, 06.07.2023)