Prolog
Als misanthropischer und antinatalistischer Sozialphobiker kommt mir Social Distancing sehr entgegen.
An den Gesichtsmasken stört mich wie meine Brille beschlägt und ich daher gelegentlich halbblind im Supermarkt umher irre. Davon abgesehen finde ich es sehr angenehm das halbe Gesicht vor den anderen Menschen zu verstecken und freue mich sogar noch mehr darüber die Münder und Nasen der Passanten versteckt zu wissen.
Als Kind erzählte mir mal irgendjemand Männer sollten keinen Vollbart tragen, da ihre Lippen darin wie eine um 90° gedreht Vagina aussähen. Unglücklicherweise konnte ich dieses Bild nie mehr aus meinem Hirn verdrängen und finde bärtige Typen allesamt latent pervers. Noch unglücklicherweise ist Vollbart im Gegensatz zu meiner Jugend heutzutage strikte Einheitsmode. Kein Mann tanzt da aus der Reihe und diese Uniformität stößt mich noch mehr ab. Wieso geben die y-Chromosomer kollektiv ihre Individualität ab?
Das ist ein Grund mehr weswegen ich die allgemeine Maskenpflicht nur begrüßen kann; ich will keine bärtigen Männerlippen sehen.
Hamburg ist derzeit kein Corona-Hotspot. Unser Inzidenzwert kratzt zwar auch an der 40er Marke, ist aber weit von den dreistelligen Werten im durchseuchten Berlin entfernt. Auch andere Großstädte sind viel schlimmer als Hamburg betroffen; Bremen 83, Stuttgart 70.
Offenbar verhalten sich die Hamburger relativ diszipliniert, aber wie ich als hypersensitiver Sozialphobiker anmerken möchte, lange nicht mehr so diszipliniert wie im März, April und Mai.
Wenn ich bei REWE einen Topf Quark aus dem Kühlregal fische, wartet der nächste Quarkkäufer eben nicht mehr in gebührendem Abstand bis ich fertig bin, sondern presst sich gleich dazu.
Männer sind vorsichtiger als Frauen, Ältere vorsichtiger als Junge.
Teenagerinnen und weiblichen Twens ist aber alles egal; die rücken einem auf die Pelle, grabbeln alle Waren an und plappern unaufhörlich Aerosole ausspuckend in ihre Mobiltelefone.
Wir hatten uns schon an die schöne große NULL in den Zeitungsstatistiken mit den täglichen Neuninfektionen in Hamburg gewöhnt. Gestern waren es aber wieder 168 neue Corona-Infektionen in der Hansestadt; neue Vorsichtsregeln wurden in Kraft gesetzt.
Keine Gesichtsschilde mehr, Maskenpflicht in mehreren Straßenzügen, etc.
Ich sehne mich nach dem starken Staat, der aber nicht kommt, weil Horst Seehofer als zuständiger Bundesinnenminister wie schon das gesamte Jahr abgetaucht ist und so tut als sei er längst pensioniert. Frau Merkel lässt sich von renitenten Provinzherrschern aus Kiel, Düsseldorf, München, Berlin, Potsdam, Magdeburg und Erfurt auf der Nase rumtanzen.
[…..] „Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden. Dann sitzen wir in zwei Wochen eben wieder hier. Es reicht einfach nicht, was wir hier machen. Die Grundstimmung ist, dass sich jeder ein kleines Schlupfloch sucht.“ [….]
Einigkeit bestand nur darin, daß keiner der Ministerpräsidenten einen zweiten Lockdown wünsche.
Die Wirtschaftsexperten sehen es genau wie der MPs.
[…..] Top-Ökonomen warnen vor zweitem Lockdown. Die deutsche Wirtschaft ist bisher recht gut durch die Coronakrise gekommen. Einen zweiten Lockdown würde sie aus Sicht führender Wirtschaftswissenschaftler nicht mehr so gut wegstecken können. […..]
Darüber könnte ich zum Wutbürger werden. Sind das de erbärmlichen Talkingpoints des Oktobers? Wir wollen keinen Lockdown?
Geht es noch redundanter und
lächerlicher?
Als ob irgendjemand einen Lockdown anstrebe!
Lockdown ist wie eine Operation am offenen Herzen oder Wurzelbehandlung.
Niemand möchte das. Jeder schreckt davor zurück. Man ergreift selbstverständliche alle Maßnahmen, um diese ultima ratio zu vermeiden.
Erst wenn die Katastrophe da ist, muß man den Thorax auf sägen, bzw alle Veranstaltungen absagen, Restaurants schließen.
Laschet und Kretschmer sind sich also einig keinen zweiten Lockdown zu wünschen?
Das ist ungefähr so informativ wie die Aussage sich einig zu sein keinen Super-GAU im Atomkraftwerk nebenan zu wünschen.
Wer will das schon? Aber wenn all die Reaktorkühlsysteme ausfallen, sollte man einen besseren Plan haben als zu erklären, es bestehe Einigkeit darüber keinen Super-Gau zu wünschen.
Corona nervt, aber föderales Chaos, das Pochen auf regionale Extrawürste und sinnentleerte Allgemeinplätze nerven noch mehr.
Natürlich schränkt kein MP gern das öffentliche Leben drastisch ein und würgt damit die Wirtschaft ab.
Aber ob man das gern tut oder das gern möchte, ist irrelevant.