Wenn Umweltkatastrophen, verheerende Unglücke oder
Terroranschläge eine Nation treffen, spielen die Bilder eine nicht zu
unterschätzende Rolle.
Für die Regierung gilt es dann den Spin unter Kontrolle zu
bekommen, eine eigene Storyline zu entwickeln, um den Opfern gerecht zu werden,
den Wiederaufbau zu ermöglichen, das Land zusammen zu halten.
Dazu gehören die obligatorischen Bilder der Spitzenpolitiker
am Unglücksort.
Der Regierungschef muss sich selbst ein Bild machen, als ob er ein Feuerwehr-Kapitän wäre, der
anschließend professionell die Rettungsarbeiten leitete.
Das ist natürlich ganz großer Blödsinn. Wenn der
Politikertross mit Sicherheitsleuten und Journalisten im Schlepptau am
Unglückort einfällt, behindert das die Ersthelfer/Ärzte/Feuerwehrleute. Richtig
arbeiten können sie erst wieder, wenn die Regierungsvertreter wieder abgehauen
sind und ihre Selbstvermarktungsbilder für die Nachrichtensender im Kasten
haben.
Man sollte meinen, daß bei der enormen Bedeutung der
heutigen Medien jemand mit den Ressourcen einer Regierung entsprechende
hochkompetente PR-Fachleute zur Verfügung hat.
Der Tenor, mit dem über ein Ereignis berichtet wird, ist
schließlich oft wichtiger als das Ereignis selbst.
Wir trauern seit zwei Tagen um die 30 Krefelder Affen, die mit ihrem Affenhaus durch Silvesterfeuerwerk verbrannt sind.
Wir trauern gar nicht um 4.000 im völligen Elend frierende
Kinder auf Lesbos, verschwenden keinen Gedanken an über 3.000 Flüchtlinge, die
2019 im Mittelmeer ertrunken sind und auch die 500 Millionen in Australien
verkohlten Tiere spielen in der teutonischen Gefühlswelt des gemeinen Germanen
derzeit keine Rolle.
[…..] Around
480 million animals are feared to have died in the bushfires sweeping
Australia, including nearly a third of the koalas in New South Wales's main
habitat.
Ecologists at the
University of Sydney estimate around 480 million mammals, birds and reptiles
have been killed, directly or indirectly, by the devastating blazes since they
began in September, The Times reported.
This includes almost
8,000 koalas, which are believed to have burnt to death on the state’s
mid-north coast. […..]
Wir konzentrieren uns emotional nicht auf die Affen, weil
das schlimmer als die Australische Katastrophe ist, oder weil uns menschliche
Schicksale auf Lesbos als harmloser erscheinen.
Nein, wir wägen gefühlig zu Gunsten der Krefelder Primaten
ab wegen der Berichterstattung. Alle Boulevardsender, BILD und Morgenpost, die
sozialen Medien deklinieren das Thema rund um die Uhr durch. Wir haben die
heulenden Stamm-Zoobesucher beim Kerzen-Anzünden gesehen, die einzelnen Affen
vorgestellt bekommen und die abgebrannte Ruine gesehen.
Menschliches Mitleid funktioniert nur mit Bildern und nicht durch abstraktes Wissen.
Menschliches Mitleid funktioniert nur mit Bildern und nicht durch abstraktes Wissen.
Ein Regierungspolitiker wäre absolut naiv sich nicht über
die Macht der Bilder bewußt zu sein und das zum Guten, oder aber auch zur
Eigen-PR zu verwenden.
Verblüffenderweise ist aber eine professionelle PR-Abteilung
nicht ausreichend, Der Toppolitiker benötigt außerdem Empathie und eine
scharfen Instinkt für mediale Situationen.
Angela Merkel beispielsweise ist sich stets über die Macht
der Bilder bewußt. Sie weiß immer ganz genau wo die Kameras stehen, sie kennt
jeden Fotographen und kontrolliert immer die Situation. Seit vielen Jahren
passieren ihr keine peinlichen unvorteilhaften Aufnahmen mehr, wie sie in ihren
ersten Jahren als Bundesministerin unter Kohl noch üblich waren.
Aber sie ist nicht fähig Emotionen zu verbreiten und
verkalkuliert sich beim Umgang mit aufgewühlten Menschen. Daher meidet sie
solche Situationen und lässt sich so gut wie nie an Unglückorten blicken.
George W. Bush war so ein Mittelding. Ihm unterliefen
heftige mediale Fauxpas. Für immer wird ihm anhängen, wie er im August 2005
nach der Megakatastrophe des Hurrikans Katrina nur mit dem Flugzeug über New
Orleans flog. Es stimmte zwar was er sagte, sein Präsidententross hätte die Rettungsarbeiten
nur behindert. Aber GWB hatte überhaupt nicht den verheerenden Eindruck
einkalkuliert, densein Gesicht, das Gesicht des Multimillionärs und
US-Präsidenten hinter dem Fenster eines Superluxusflugzeugs machte, wenn er in
hohen Sphären über den Bitterärmsten schwebt, die gerade alles verloren haben.
Anders war es allerdings beim 9/11-Terroranschlag.
Damals produzierte er die richtigen Bilder, als er mit
Feuerwehrjacke mitten im Chaos auf ein Auto kletterte und über Megaphon das
Land zum Zusammenhalt aufrief. Nie wieder hatte er so hohe Zustimmungswerte.
Sein Nachfolger Barack Obama war sehr viel besser als
Nationentröster. Er traf sich nach allen Mass-Shotings mit den Opfern, hörte
zu, war emotional und fand stets die richtigen Worte.
Unübertroffener Meister dieser Disziplin war allerdings Bill
Clinton, der wie kein anderer sowohl im direkten Gespräch mit Bürgern, als auch
mit Menschenmassen, Mobs, Trauernden umgehen kann. Ein Jahrhunderttalent, der
alle beeindruckte und überzeugte, die er persönlich traf.
Ich nehme an, daß er sehr viel Zeit damit verbracht hat
seiner Frau zu erklären, wie er das eigentlich anstellt. Hillary Clinton ist
ebenfalls hochintelligent und wird es rational sicherlich verstanden haben, ist
aber dennoch in dieser Disziplin unfähig.
Justin Trudeau kann ebenfalls nahezu perfekt medialen Spin
erzeugen, Bilder produzieren und mit Menschen im direkten Gespräch agieren.
Schon vor seiner ersten Wahl zum Regierungschef kannte die
Welt die Bilder, wie er mitsamt Kind und Kegel fröhlich feiernd bei
Pride-Märschen zwischen Myriaden Schwulen feierte.
Natürlich kennen allen anderen liberalen oder linken
Politiker auch das LGBTI-Wählerpotential und gehen ebenfalls zu CSDs. Aber auch
wenn man Olaf Scholz natürlich abnimmt, daß er LGBTI-Anliegen ernsthaft
fördert, merkt jeder, daß er dort fremdelt. Wie die meisten. Daher nützen
vielen Politikern CSD-Auftritte herzlich wenig, außer sie sind wie Claudia Roth
langjährige deutliche Unterstützer oder sie strahlen so eine Freude aus wie
Trudeau.
2002 trat inmitten des Bundestagswahlkampfes die Oder über
die Ufer und verursachte eine der schwersten deutschen
Überschwemmungskatastrophen seit der Hamburger Sturmflut 1962.
Hier war es Gerd Schröder, der mit untrüglichem Instinkt die
Situation und Berichterstattung beherrschte.
Jeder sah die Bilder des Bundeskanzlers in Gummistiefeln, der
zusammen mit „Deichgraf Platzeck“ durch den Oderbruch stapfte.
Unions-Kanzlerkandidat Stoiber, dessen Bundesland ebenfalls
stark betroffen war, kapierte die Situation hingegen überhaupt nicht. Stoibers legendäre
Stammelei und Abgehobenheit wurden im Vergleich zu Schröder so extrem, daß man sein
Fernbleiben von den Überflutungsgebieten allgemein als wahlentscheidend
ansieht. Gut möglich, daß er 2002 Bundeskanzler geworden wäre, wenn er
Schröders Talent für Massen-Empathie gehabt hätte.
Jacinda Ardern, die (wie Jens Stoltenberg nach dem Massaker von Utøya) im März 2019 mit Kopftuch bei den Angehörigen des
schweren Terroranschlages von Christchurch erschien, produzierte weltweit ikonographische
Bilder.
Sie machte alles goldrichtig, verließ
ihre Rolle als Regierungschefin und erschien als Freundin, als Trösterin, als
eine von den um die 50 Toten Trauernde.
[….]Wie kann man auf Menschen zugehen, die fassungslos, wütend und traurig
zurückbleiben? Was können wir ihnen sagen und wie können wir ihnen Trost und
Geborgenheit spenden? Auch Politiker*innen stehen vor dieser Herausforderung,
gerade die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern. Seit Oktober 2017
hat die 37-Jährige das Amt inne. Am Samstag reiste sie nach Christchurch, ins Canterbury
Refugee Center, um dort Menschen aus der muslimischen Gemeinde zu treffen.
Dabei trug sie ein schwarzes Kopftuch. Ardern hat viel richtig gemacht in den
letzten Tagen.
Von manchen deutschen Politiker*innen kann man dies hingegen nicht
behaupten: „Egal gegen wen sich Hass, Gewalt und Terror richten, am Ende
sterben Menschen, verlieren Kinder ihre Eltern und Eltern ihre Kinder“,
twitterte etwa die CDU-Bundesvorsitzende und mit hoher Wahrscheinlichkeit die
nächste Kanzlerkandidatin ihrer Partei Annegret Kramp-Karrenbauer. Nein, es ist
nicht egal, gegen wen sich der Hass und Terror richtet. Mucad Ibrahim und Ara
Parvin wurden aus einem bestimmten Grund ermordet: Ein 28-jähriger Australier
tötete sie, weil er diese Menschen, ganz unterschiedlichen Alters,
unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Biografien, die lediglich
ihr Glauben vereint, für seine Feind*innen hielt. [….]
Im Gegensatz zur debakulierenden AKK ist Ardern auch ein
absolutes Naturtalent, die nicht nur in der Situation brillierte, sondern auch
in der Folgezeit optimal agierte. Sie erklärte hart, daß sie den Namen des
Attentäters niemals aussprechend werde, initiierte ein gewaltiges
Waffenrückgabeprogramm in Neuseeland und vermochte es tatsächlich das
multikulturelle Land mehr denn je zu einen.
Man bekommt Gänsehaut, wenn man sieht wie damals von
Rockergangs über Maori bis zu Sportlern und weißen Internatsjungs mit dem
traditionellen Haka den muslimischen Opfern Respekt gezollt wurde. Das ist auch
Arderns Verdienst.
Unnötig zu erwähnen, daß der völlig empathielose Psychopath
Trump all das was Premierministerin Ardern richtig machte, grundsätzlich falsch
macht.
Er geht golfen, wenn Katastrophen passieren und wenn er sich
nach Terroranschlägen oder Shootings blicken lässt, spricht er nur von sich
selbst bedauert sich, oder macht irgendetwas völlig Erratisches wie die die
Zuhörer mit Küchenpapierrollen zu bewerfen.
Daher sind seine Beleibtheitswerte auch chronisch im Keller.
Es mag reichen, um wiedergewählt zu werden, aber er stößt
große Teile der Bevölkerung stark ab, während GWB, Clinton oder Obama in
solchen Situationen 90% Zustimmung erhielten.
Katastrophal benahm sich in der Katastrophe auch der ultrakonservative
Australische Premier John Morrison, der zum Beginn der derzeitigen
Megabrandkatastrophe, die seinen gesamten Kontinent trifft, erst mal nach Bali
in den Familienurlaub fuhr und sich anschließend hartnäckig weigerte einen
Zusammenhang zwischen Erderwärmung und der Kohleindustrie anzuerkennen. Die
Kohleförderer, die rein zufällig seine Partei großzügig unterstützen.
Heute ließ er sich endlich auch bei Brandopfern sehen. Zu
spät. Es ging ihm wie Trump in Baltimore. Keiner wollte ihn mehr sehen, man
rief ihm nach, er solle sich verpissen.
Ganz schlechte PR-Gene.