Donnerstag, 24. April 2014

Ärger um Gottes Klorolle


Der 1938 im Niederrheinischen Kleve geborene Werner Thissen ist nicht als bedeutender Theologe bekannt, hat sich noch nicht einmal habilitiert.
Seine Kirchenkarriere verlief eher gemächlich.
Erst mit 61 Jahren wurde er Weihbischof und stieg dann im Pensionsalter 65-Jährig zum Zweiten Erzbischof von Hamburg auf. Volle zehn Jahre stand er an der Spitze des größten deutschen Bistums. Es umfasst nämlich auch Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern.
Im Gegensatz zu vielen seiner bischöflichen Mitbrüder machte Thissen nie durch Skandale auf sich aufmerksam; wurde in seinem riesigen Erzbistum geschätzt, bot wenig Angriffsfläche für Kirchenkritiker, weil er klug genug war keine unsäglichen NS-Vergleiche oder Homophobien öffentlich zu machen. Kaum vorstellbar, daß Thissen wie in Limburg, Köln oder München achtstellige Beträge für Protzbauten aus dubiosen kirchlichen Kassen locker gemacht hätte.
Dem Metropoliten der Norddeutschen Kirchenprovinz war es vermutlich ganz angenehm mit Weihbischof Hans-Jochen Jaschke einen der kamerageilsten Bischöfe Deutschlands an der Seite zu haben.
Denn während Jaschke von Talkshow zu Interview eilte, konnte Thissen genau wie sein zweiter (und nahezu unbekannter) Weihbischof Norbert Werbs, in Ruhe seiner Arbeit nachgehen, ohne sich ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik zu begeben.
Mit 75 Jahren wurde Thissen, der sich scheinbar bester Gesundheit erfreut emeritiert. Er muß nicht wie Tebartz-van-Elst oder Mixa aus seinem einstigen Machtbereich fliehen. Im Gegenteil; obwohl er die längste Zeit seines Lebens Rheinländer war, verliebte er sich in die Stadt Hamburg und will mitten in St- Georg, dem hippen Schwulenviertel am Hauptbahnhof leben bleiben.

Kann man also bei Thissens erzbischöflicher Amtsführung von einer Erfolgsgeschichte sprechen? Zumal nun auch noch ein Bruder im Geiste Papst geworden ist?

Nun ja. Anders als die extrem ehrgeizigen und jung berufenen Typen wie Overbeck und TVE wußte Thissen, daß Hamburg die Endstation seiner Karriere sein würde. Da hatte er es gar nicht nötig die schwarzbraunen Fundis in der vatikanischen Bischofskongregation zu beeindrucken.
Hamburg ist zwar der Fläche nach Deutschlands größte Diözese, aber belegt mit 390.000 Katholiken nach Köpfen einen der hinteren Plätze nach den fetten, reichen Traditionsbistümern wie Köln, Freiburg, Münster, Rottenburg-Stuttgart (je 2 Mio Katholiken), oder München und Paderborn (1,7 Mio Katholiken).

Hamburg ist katholische Diaspora. Da eckt ein Kirchenboss schlecht an.
Skandalfrei über eine Dekade ein großes Erzbistum geführt zu haben, während die deutschen Kirchenjournalisten mit feuchten Höschen vom neuen Franziskus-Schwung orakeln, wird aber etwas weniger glanzvoll, wenn man sich vor Augen hält, wie den gläubigen Katholiken Thissens Amtsführung gefiel.
Sie stimmten nämlich mit den Füßen ab.
Kontinuierlich verliert auch das nördlichste Erzbistum, welches ohnehin nur auf einen katholischen Bevölkerungsanteil von rund sieben Prozent verweisen kann, ein paar Tausend Mitglieder jedes Jahr.
Bei seiner Gründung 1991 konnte Erzbischof Averkamp noch über fast 415.000 römisch-katholische Schafe gebieten. Thissen übernahm 2003 bei einem Stand von knapp 400.000 Menschen und führte seinen Laden auf heute ca 389.000 Seelen.
Es hilft alles nichts. Da können die frommen Blattmacher di Lorenzo, Englisch, Keller und Drobinski noch so lange von einer Renaissance des Glaubens faseln.
Der Katholizismus in en Deutschland schrumpft weg.
Auch Erzbischof Thissen baute keine Kirchen, sondern ließ kontinuierlich welche schließen.

Das Erzbistum Hamburg ist aus ökonomischen Gründen wegen sinkender Kirchensteuereinnahmen, wie auch andere katholische Bistümer in Deutschland, gezwungen, Kirchen zu schließen, zu profanieren, zu verkaufen oder abzureißen. In letzter Zeit betraf dies einige Kapellen und die folgenden Kirchen:

    katholische Filialkirche St. Ansgar, Boostedt (2000 profaniert, genutzt durch ein Bestattungsinstitut)
    katholische Filialkirche St. Josef, Lägerdorf (2001 profaniert, seit 2002 genutzt durch ein Bestattungsinstitut)
    katholische Filialkirche Hl. Geist, Wilster (2001 profaniert)
    katholische Kirche St. Knud, Friedrichstadt (Nordfriesland) (2003 profaniert)
    katholische Kirche St. Michael, Flensburg-Weiche (2004 profaniert)
    katholische Kirche St. Josef, Kellinghusen (2004 profaniert, abgerissen)
    katholische Filialkirche St. Ansgar, Lübeck-Schlutup (2004 profaniert, 2006 abgerissen)
    katholische Filialkirche St. Konrad, Lübeck-Marli (2004 profaniert)
    katholische Filialkirche St. Michael, Hamburg-Rissen (2004 profaniert, abgerissen)
    katholische Filialkirche Hl. Geist, Schenefeld (Holstein) (2005 profaniert)
    katholische Filialkirche St. Georg, Kiel-Projensdorf (2007 profaniert)
    katholische Pfarrkirche Christ König, Kiel-Neumühlen-Dietrichsdorf (2007 profaniert, 2009 abgerissen)
    katholische Filialkirche St. Josef, Hörnum (Sylt) (2008 profaniert)
    katholische Filialkirche St. Pius, Pinneberg (2010 profaniert und abgerissen)
    katholische Filialkirche Hl. Familie, Barmstedt (2011 profaniert, 2012 abgerissen)

Kaum hat sich Thissen zurückgezogen, geht es munter weiter.
Die 1974 in Wilhelmsburg einer Kackwurst nachempfundene St. Maximilian-Kolbe-Kirche ist am Ende.


Die im Volksmund „Gottes Klorolle“ genannte Kirche wurde vor 40 Jahren vom Architekten Josef Filke ersonnen und besticht nun mit einem außerordentlich hohen Sanierungsbedarf. 400.000 Euro wären notwendig, um das Gotteshaus zu erhalten.
Das ist ein stolzer Preis! Immerhin fast 1% der Kosten der privaten Wohnung des Limburger Bischofs.


Zu viel für das Erzbistum Hamburg. Manfred Nielen, der Pressesprecher des Erzbistums senkte bereits die Daumen und möchte die Abrissbirne herbei winken.

"Es ist unsere Absicht, die Kirche abzureißen", sagte Manfred Nielen, Pressesprecher des Erzbistums Hamburg, NDR.de. Einen Termin für die Profanierung - also die Entweihung - gebe es aber noch nicht. "Die Gespräche mit dem Denkmalschutzamt laufen noch. Deshalb gibt es auch noch keinen Termin für den Abriss oder für den letzten Gottesdienst", betonte der Sprecher.
Der Antrag auf Entweihung und Abriss sei von der Kirchengemeinde gestellt worden. Der Priesterrat des Erzbistums Hamburg habe dem Abriss im November zugestimmt.
[….] Das Besondere an der 1974 geweihten Kirche ist ihre Form: ein Polygon mit einer sich empor windenen Spirale. Wegen der originellen Form wird sie von einigen Wilhelmsburgern "Klorolle" genannt.
[….] Manfred Nielen, Pressesprecher des Erzbistums Hamburg, bezeichnet die Kirche als "schönen geistlichen Ort". Bei einem Abriss würde ein Großteil der Einrichtung in andere Gotteshäuser gebracht.
[….] "Ich persönlich finde es ja auch sehr traurig, dass die Kirche abgerissen werden muss. Die St. Maximilian-Kolbe-Kirche ist ein schöner geistlicher Ort, an dem ich immer gerne gewesen bin", erklärte Nielen, Sprecher des Erzbistums. "Wenn eine Kirche entweiht wird, ist das immer ein schmerzhafter Prozess." [….]

Vor 40 Jahren erschien es sinnig eine Tochtergemeinde von St. Bonifatius zu gründen, da in Kirchdorf noch rund 3000 Katholiken lebten.



Heute haben in Hamburg-Wilhelmsburg 50-60% der Einwohner einen Migrationhintergrund. Wenn überhaupt, braucht in dort also eine weitere Moschee – eine Siebte. Die sechs örtlichen Moscheen sind Hira-Moschee, Ayasofya Camii, Muradiye Camii, Wilhelmsburg Camii, Yeni Cami und Fatih Camii.