Mittwoch, 27. August 2025

Perfidie in Habit und Kutte

OK, daß katholische UND protestantische Kirche weltweit hunderttausendfachen sexuellen Missbrauch an Kindern begehen, vertuschen und Myriaden geistliche Täter schützen, während sie die Opfer weiter drangsalieren, darf man als allgemein bekannt voraussetzen.

Deswegen erlitten die Kirchisten einen so erheblichen Imageverlust und einen Massenexodus der zahlenden Mitglieder. In Presse und Bundestag sind die Kirchenfürsten noch hochangesehen und bestens vernetzt. Daher sprudeln auch die Einnahmen der multimilliardenschweren Bistümer immer noch so erfreulich.

In der Masse der Bevölkerung kommen die alten Männer im Kleid aber nicht mehr so uneingeschränkt positiv konnotiert durch. Da werden auch schon mal unangenehme Fragen nach dem Signatur Move, dem Kinderfi**en, der Kleriker gestellt, Untersuchungen verlangt. Woelki und Co werden sogar vor den Kadi gezerrt, wenn sie sich allzu hartnäckig weigern, Schuld einzugestehen. 

Unter dem Radar fliegen aber viele andere kirchliche Institutionen: Schulen, Kitas, Klöster. Da wird noch eisern geschwiegen. Die Omertà hält. Bistümer setzen Kommissionen ein. Klöster blocken konsequent. Mönche sind zu 100% Team Täter.

[….] Gudrun Müller [….] sagt, sie sei Betroffene sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Der Mann, dem sie sexuellen und geistlichen Missbrauch vorwirft, war ein Ordensmann. Er ist längst tot. Aber sein Orden weigert sich bis heute, eine mögliche Mitverantwortung anzuerkennen. Während viele Diözesen die Taten ihrer Priester aufarbeiten lassen, halten sich viele Ordensgemeinschaften immer noch zurück. Nicht wenige von ihnen sind unabhängig und oft direkt dem Papst unterstellt. Deshalb liegen ihre Archive in Rom, unzugänglich für Betroffene aus Deutschland.

In Deutschland gibt es rund 400 Orden. 2020 hat der Dachverband der Ordensgemeinschaften, die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK), eine Mitgliederbefragung zu sexualisierter Gewalt durchgeführt. 100 Gemeinschaften berichteten von Vorwürfen gegen Angehörige des eigenen Ordens, 200 gaben an, es habe keine Vorwürfe gegeben, und von rund 100 Orden kam gar keine Antwort. In der Befragung waren 1412 Betroffene benannt worden. Von allen Betroffenen im Raum der Kirche sind etwa 20 Prozent aus dem Ordenskontext.

Die deutschen Diözesen hatten sich Ende 2010 auf ein Verfahren geeinigt, wie Betroffene sexualisierter Gewalt Zahlungen „in Anerkennung des erlittenen Leids“ erhalten können. Zugesprochen werden diese Summen von der Unabhängigen Anerkennungskommission (UKA). Aber nur 73 Ordensgemeinschaften haben sich dem Verfahren angeschlossen. Und die Summen, die von den Orden ausgezahlt werden, sind wesentlich geringer als die Leistungen der Bistümer. „Wer im Orden missbraucht wurde, hat Pech gehabt.“ So drückt es Wilfried Fesselmann aus. Er ist selbst Missbrauchsbetroffener und berät im Verein „Eckiger Tisch“ andere, die sein Schicksal teilen. [….] Auch die heute 62-jährige Heidi Schmidt erzählt, wie sie in die Fänge eines manipulativen Ordenspriesters geraten sei, [….] Schon im ersten Gespräch habe der Pater von dem jungen Mädchen gefordert, ihr Leben ganz Gott zu übergeben. „Ich fühlte mich davon aber sehr bedrängt“, erinnert sich Heidi Schmidt heute. „Er umarmte mich, eigentlich war es mehr ein Umklammern, dann küsste er mich auf den Mund und erzwang einen Zungenkuss. Dabei konnte ich deutlich spüren, dass er sexuell erregt war.“ Danach soll er zu ihr gesagt haben: „Damit will ich dir zeigen, wie sehr Jesus dich liebt.“ Heidi Schmidt empfindet Ekel und Scham. Doch zugleich hat die tief gläubige junge Frau Zweifel: Er ist doch ein Mann Gottes. Kann das, was er tut, Unrecht sein? Und so tut sie, was von außen nur schwer nachvollziehbar erscheint: Sie geht auch zum nächsten Treffen. Und zu dem danach. Immer habe der Pater Gelegenheiten gefunden, mit ihr allein zu sein, auch wenn Schmidt versucht, diese Situationen zu vermeiden, sagt sie. Die Übergriffe hätten an Intensität zugenommen, der Pater habe seine Hand in ihre Unterwäsche geschoben, sich an ihr gerieben, sie geküsst. Irgendwann sei es ihm gelungen, sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. [….]

(Annette Zoch, 17.08.2025)

Da ist noch viel öffentliche Konnotations-Arbeit zu tun. Noch begreift die breite Masse nicht, daß freundlich lächelnde Nonnen und bodenständige Mönche als Kolumnisten der TV-Zeitschriften keine netten Menschen sind, sondern für ein sehr perverses sadistisches Unrechtssystem stehen. Das so kuschelige Kirchentags-Christentum des Frère Roger, gewaltige Jugendtreffen in Taizé sind eine Farce. Von den Typen muss man sich fernhalten.

[….] Am 16. August 2005 hat eine psychisch kranke Frau den 90-jährigen Ordensgründer Frère Roger Schutz während des Abendgebets in Taizé, einem Dorf im französischen Département Saône-et-Loire, erstochen. Tausende weltweit trauerten um einen Mann, der für ein glaubwürdiges, menschenfreundliches Christentum stand, gerade aus der Sicht von Jugendlichen. Die kommen seit den 70er Jahren zu großen internationalen Treffen nach Taizé. [….] Dass in den Würdigungen die sexualisierte Gewalt nicht zur Sprache kam, die Taizé-Brüder begingen, als Schutz die Gemeinschaft leitete, kritisieren nun Betroffene. [….] Erst im Juni hatte ein ausgetretenes Mitglied der Taizé-Gemeinschaft Anzeige gegen zwei Brüder erstattet, wegen Vorfällen 1970 und 1971. „Wenn ich mich nicht verteidigt hätte, ich wäre vergewaltigt worden“, zitiert die Lokalzeitung Le Journal de Saône-et-Loire den Mann, [….] 2019 hatte die Taizé-Gemeinschaft von sich aus erste Fälle sexualisierter Gewalt durch Brüder der Gemeinschaft öffentlich gemacht, es folgten weitere Meldungen. Von 14 beschuldigten Brüdern spricht die Gemeinschaft heute, sechs von ihnen seien tot.

2024 wurde ein von der Gemeinschaft ausgeschlossener Bruder von einem französischen Gericht wegen des massenhaften „Erwerbs von Missbrauchsdarstellungen“ schuldig gesprochen. [….] Die taz hat zwei ehemalige Brüder zur Leitungsrolle von Schutz angefragt, aber keine Antwort erhalten. Im Buch „Danke, Freré Roger“ des ausgetretenen Bruders Klaus Hamburger aber findet sich folgende Passage: „Frère Roger konnte mit nichts alles sagen. Er sah Grenzen, die er nicht überschritt, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Er hatte Takt, konnte verschwiegen sein, zurückhaltend und rücksichtsvoll.“

Für Betroffene sexualisierter Gewalt klingt das wie Hohn. Eine von ihnen, die anonym bleiben möchte, sagt: „Das gefährliche Harmoniebedürfnis von Frère Roger ist nicht ansatzweise aufgearbeitet. Für mich als Betroffene ist das eine Farce.“ [….]

(taz, 27.08.2025)

In welcher Form auch immer sie daher kommen – christliche Institutionen gehören persönlich gemieden und politisch geächtet.

Ich bin tolerant genug, um Gläubige glauben zu lassen und würde jederzeit ihr Recht verteidigen, sich zu Gottesdiensten zusammenzurotten.  

Aber natürlich erst ab 18 Jahren. Kinder haben in Kirchen nichts zu suchen.